Baumaterial aus Pilzmyzel und Holz von Schülern entwickelt

Umweltfreundlicheres Bauen – damit auch umweltschonende und nachhaltige Baustoffe – gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Baumaterial aus Pilzmyzel und Holz von Schülern entwickelt
Mario und Yanik mit ihrem Baumaterial aus Pilzmyzel und Holz (Mario und Yanik mit ihrem Baumaterial aus Pilzmyzel und Holz (Foto: R. Maienfisch)

Die zwei Schüler Mario und Yanik der Kantonsschule Wettingen befassten sich in ihrer Maturaarbeit mit einem innovativen Baustoff. Die genauen Fragen ihrer Maturaarbeit lauten:

  • Welche Arten von Holzspänen und Pilzarten sind am besten geeignet, um eine stabile Platte mit Pilzmyzel als Leim zu erzeugen?
  • Wie lassen sich die Platten in Bezug auf Kosten, Ressourcen und Leistung im Vergleich zu herkömmlichen Holzplatten bewerten? 

Umweltnetz: Was macht ihr da genau in eurem Schullabor?
Mario: Wir haben einen Baustoff aus Pilzmyzel und Holz entwickelt. Für das Projekt haben wir zwei Speisepilz, Champignon und Pleurotus Ostreatus (Kräuterseitling), gekauft. Zudem verwendeten wir noch drei weitere Pilze: Trametes Pubescens, Panellus Stipticus, Ganoderma Lucidum. Die verschiedenen Holzarten, Buche und Fichte, haben wir von unseren Sponsoren erhalten. Das Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, wie wir daraus ein Baumaterial herstellen können und wie hoch seine Belastbarkeit und Brennbarkeit ist.

Wie seid ihr auf dieses Thema gekommen?
Mario: Bereits am Anfang wussten wir, dass wir etwas mit Pilzen machen wollen. Doch unsere ursprüngliche Idee konnten wir nicht umsetzen. Deshalb sind wir schliesslich auf die Idee gekommen, einen innovativen Baustoff aus Pilzmyzel und Holz zu entwickeln.

Wollt ihr dies theoretisch erforschen oder auch im praktischen Ansatz?
Yanik: Ja, wir haben neben theoretischen Ansätzen auch praktische. Zuerst mussten wir uns unser Wissen erarbeiten und uns daraus einen Überblick verschaffen. Der praktische Teil – also die Entwicklung des Materials – basiert demnach auf unseren theoretischen Grundlagen. Erst durch diese konnten wir das Baumaterial in verschiedenen Prozessen in unserem Schullabor entwickeln.

Forschende experimentieren mit verschiedenen Mitteln – beispielsweise Lehm – um neue Baumaterialien herzustellen. Warum habt ihr euch gerade für euer Baumaterial entschieden?
Mario: Wir haben uns für dieses Baumaterial entschieden, weil es etwas Neues ist und es vergleichbare Materialien noch nicht so lange auf dem Markt gibt. Zudem ist es umweltfreundlich. Das Baumaterial ist kostengünstig herzustellen und zu 100 Prozent biologisch abbaubar.

Welche Vorzüge erhofft ihr euch von dem Baumaterial?
Yanik: Alles gerade gesagte, also die ökologischen und ökonomischen Vorteile. Zudem ist es relativ schnell herzustellen.

Denkt ihr, dass ein Baumaterial aus Pilzmyzel Zukunft hat?
Yanik: Forschende haben es bereits geschafft, aus einem auf Pilzmyzel und Holz basierenden Baumaterial ein zweistöckiges Haus zu bauen. Ein höheres Gebäude aus dem Material ist bislang jedoch noch nicht realisierbar. Ein Nachteil ist die Anfälligkeit für Feuchtigkeit. Die führt zu Instabilität und es kann sich Schimmel ansetzten. Zum anderen ist der Pilzbaustoff auch nicht genügend stabil.
Mario: Das Material, das wir entwickelt haben, ist für den Hausbau nicht geeignet. Daraus könnte man auch keinen Tisch bauen; es ist schlichtweg zu wenig stabil.
Unser Baumaterial würde sich jedoch beispielsweise zur Isolation eignen, da es eine gute Feuerresistenz, Schalldämmung und Wärmedämmung aufweist.

Seht ihr auch potenzielle Nachteile und Hürden für den Einsatz dieses Baumaterials?
Yanik: Ein Nachteil ist sicher, dass die Gefahr von Schimmelbildung besteht. Käme das Material in Kontakt mit Wasser oder würde es an einem Ort mit hoher Feuchtigkeit zum Einsatz kommen, dann wachsen die unerwünschten Schimmelpilze.

Zurück zu eurer Arbeit: Welche technischen Ansprüche soll das Material denn erfüllen?
Mario: Natürlich muss ein Baumaterial hart sein. Wir hatten jedoch Probleme, es in einen festen und kompakten Zustand zu bringen. Unser anfänglicher Plan war, das mit dem Pilz verwachsene Holz unter hohem Druck in seine Form zu pressen und danach mit Wärme das restliche Holz zu trocknen. Mit der Wärme würde der Pilz abgetötet. Dieser Versuch ist leider gescheitert, denn das Material ist nach dem Pressen immer zerbröckelt.
Yanik: Deshalb legten wir die Blöcke, wie im Stadium vor dem Pressen, in den Ofen und liessen sie trocknen. Die Pilze werden dabei durch die Hitze abgetötet und das Material wird hart.
Mario: Doch damit waren wir noch nicht fertig, denn das Material musste noch getestet werden. Hier haben wir einen Drei-Punkte-Test gemacht, wobei wir die Druckfestigkeit unseres Baustoffes herausfinden wollten – wie viel Kraft maximal von aussen auf das Material wirken kann, bevor es auseinanderbricht.

Einer ihrer entwickelten mycoBricks. Bild: Mario

Wie sieht der Arbeitsprozess / der Versuchsaufbau aus?
Mario: Nachdem wir alles Material – sprich die Pilze aus Supermärkten und Pilzshops sowie das Holz – beisammen hatten, konnten wir mit unserem praktischen Teil beginnen. Wir inokulierten bzw. klonten die Pilze auf Agarplatten.

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Agarplatten Definition: Eine Agarplatte ist eine Petrischale, die ein festes, auf Agar basierendes Nährmedium enthält. Sie wird in der Mikrobiologie zur Kultivierung von Mikroorganismen verwendet.

Yanik: Danach versetzten wir die geklonten Pilze in ein anderes Glas, welches Rogge enthielt; darauf wachsen die Pilze besonders gut. Waren die Pilze genug gewachsen, wurde sterilisiertes Holz in Spawn-Grow-Bags mit dem Roggen, in dem der gewünschte Pilz gewachsen war, inokuliert. Darin verwuchsen die Pilze mit dem Holz.
Mario: All dies musste steril passieren. Bei einigen Proben haben wir mit Hartholz gearbeitet und bei den anderen mit Weichholz, wobei die Pilze auf dem Weichholz schlechter wuchsen.

Welche Schwierigkeiten musstet ihr überwinden?
Yanik: Unsere grösste Herausforderung war sicher, alles steril zu halten. Es war immer besonders heikel, dass sich nach der Inokulation keine Keime einschlichen.
Mario: Deshalb haben wir es nach einigen Anläufen (der Klonung) auch aufgegeben, mit Champignons zu arbeiten. Alle diese Proben waren stets kontaminiert.

Welche möglichen Herausforderungen stehen noch an?
Mario: Die Stabilität zu erhöhen, bleibt herausfordernd. In einem weiteren Versuch werden wir feststellen, ob die Stabilität der mycoBricks sich verändert, wenn wir grössere Holzspänen verwenden. Diese Untersuchung gehört aber nicht mehr zur Maturaarbeit.

Wie sieht es zeitlich aus? Wie lange hat es gedauert, bis ihr zum praktischen Versuch eine Aussage machen konntet?
Mario: Wir haben im April begonnen, mit dem Selektionieren der Pilze. Danach folgte das Wachstum auf der Agarplatte, in der Rogge und im Holz. Im September war das Projekt abgeschlossen.
Rückblickend können wir sagen: Würden wir das Projekt jetzt nochmals angehen, wären wir bedeutend schneller.

Besten Dank für diesen Einblick in euer spannendes Projekt und viel Erfolg weiterhin!