Betonersatz Lehm?

Es ist dringend notwendig, der Bauindustrie den Zugriff auf nachhaltige Baumaterialien zu ermöglichen. Lokal verfügbarer Lehm könnte diesen Bedarf in Zukunft decken.

Betonersatz Lehm?
Lehm kann bereits heute für zahlreiche bauliche Zwecke genutzt werden. Nun soll noch mehr mit dem Baumaterial erreichen. (Leopictures, Pixabay)

Rund sieben Prozent aller Treibhausgasemissionen entstehen bei der Herstellung von Zement. Diese Emissionen sollen gesenkt werden. Daher arbeiten Empa-Forschende daran, innovative Baumaterialien und -technologien zu entwickeln. Lehm hat als nachhaltiger Baustoff nicht nur als Putz oder Dämmung viel Potenzial, sondern auch als Ersatz für Beton. Bis dahin sind jedoch noch ein paar Hürden zu nehmen.

Was ist Lehm

Lehm ist ein Gemisch aus Ton, Sand und Schluff, welcher durch Verwitterung – aus Locker- oder Festgestein – entsteht. Seine individuelle Farbe gewinnt der Lehm durch die Minerale im Ton. Aus dem Lehm mit seiner guter Speicherfähigkeit für Wasser und Nährstoffe entstehen fruchtbare Böden.
Bereits seit fast 10‘000 Jahren wird Lehm ausserdem als Baumaterial genutzt. Er wird meist ungebrannt verwendet. Noch heute lebt gut ein Drittel der Weltbevölkerung in Lehmhäusern. In Mitteleuropa beträgt der Marktanteil von Lehmbauten jedoch weniger als ein Prozent.

Vor- und Nachteile von Lehm als Baustoff

+nachhaltiger Rohstoff sowie kurz Transportwege auf Grund vieler lokaler Lehmvorkommen
+ gute Feuchtigkeitsregulierung und hohe Wärmespeicherkapazität
+ schwer entflammbar
+ schalldämmend
+ wiederverwendbar
+ gesundheitlich unbedenklich
- kann sich bei stark schwankendem Wasseranteil verformen
- sehr hohe Luftfeuchtigkeit führt auf Dauer zu Verwitterungserscheinungen
- frostanfällig
- lange Trocknungsdauer
- etwas höhere Kosten gegenüber herkömmlichen Baustoffen

Lehm kann Beton (bis jetzt) nicht für alle Bauzwecke ersetzen. Das Potenzial von Lehm bleibt trotzdem gross. Auch bei den tragenden Wänden von Wohnhäusern könnte Lehm zum Einsatz kommen. Das passt gut zur aktuellen Situation in der Schweiz, in der mehr als die Hälfte aller Baubewilligungen für Wohnbauten erteilt.

Forschung zum Lehm als Baumaterial

Lehm hätte als Baumaterial viele positive Aspekte. Er setzt im Vergleich zu herkömmlichem Beton deutlich weniger CO2 in der Herstellung frei. Ausserdem ist er lokal überall verfügbar und lässt sich gut verarbeiten. Lehm ist wiederverwertbar, spannt gut mit dem Baumaterial Holz zusammen und ist gesundheitlich unbedenklich.
Eine grosse Schwierigkeit bei der standardisierten die Herstellung und Verwendung dieses Baustoffes ist jedoch, dass seine geologische Zusammensetzung überall auf der Welt verschieden ist. Zudem geht Lehm bei der Lufttrocknung physikalische Bindungen ein – im Gegensatz zu Zement, welcher durch chemische Verbindungen zusammengehalten wird. Eine Stabilität wie jene des Betons kann mit reinem Lehm, deshalb nicht erreicht werden; es muss ein geeignetes stabilisierendes Bindemittel her. Aktuell wird dem Lehm herkömmlicher Zement beigefügt, um ein stabiles und haltbares Baumaterial zu erhalten. Diese Zugabe hat jedoch zur Folge, dass sich sein ökologischer Fussabdruck um ein Vielfaches verschlechtert. Forschende suchen deshalb derzeit nach einem umweltfreundlicheren und doch stabilisierenden Bindemittel.

Eine vielversprechende Möglichkeit bietet laut einem Forschungsteam der Empa das Magnesiumoxid. Wird es nachhaltig gewonnen, so hat es im Vergleich zu Zement eine grandiose Klimabilanz. Weiter reduziert Magnesiumoxid die Trocknungszeit. Es wirkt durch die Bildung von Nanokristallen auch der Klumpenbildung entgegen. Dabei greift es die Lehmstruktur nur wenig an.
Die Forschenden berichten ausserdem, dass sie in den ersten Experimenten mit verschiedenen Lehm-Rezepturen bereits eine Druckfestigkeit von bis zu 15 Megapascal erreichen. Diese liegt damit schon um ein Vielfaches höher als beim unbehandelten Lehm. Bei dem Lehm mit zugefügtem Zement werden dennoch bis zu 20 Megapascal gemessen.

Lebenszyklusanalysen von Baumaterialien

Bis Lehm mit den Eigenschaften von Beton mithalten kann, müssen auch noch Lebenszyklusanalysen erstellt werden. Diese erfassen die Haltbarkeit, den Rückbau und die Wiederverwertung des Materials. Erst danach kann die Nachhaltigkeit des Baumaterials abschliessend verglichen und beurteilt werden. Es wird demzufolge noch etwas dauern, bis wir in Lehm- statt Betonhäusern wohnen. Für zahlreiche andere bauliche Zwecke – die Errichtung von Innenwänden, die Dämmung und Verputzung – empfiehlt es sich bereits heute.

Quellen und weitere Informationen
Empa: Bauen mit Lehm - Saubere Schlammschlacht
Handelszeitung: Die älteste Art, zu bauen
Chemie.de: Lehm