Fit und sportlich, dennoch umweltfreundlich
Die Outdoor-Branche wirbt mit unberührter Natur, aber die ihren Produkten innewohnenden Schadstoffe finden sich weltweit in der Umwelt.
Nachdem die Branche noch vor einigen Jahren Schelte bezüglich der Umweltschädlichkeit ihrer Produkte bezog, gibt es heute beispielhafte Hersteller von Sport- und Funktionsbekleidung, die auf Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit setzen. So auch das Schweizer Outdoor-Ausrüstungs-Unternehmen Mammut Sports Group AG. In einem informativen Gespräch erläutert uns der Head of Corporate Responsibility, Adrian Huber, was dazu im grossen Zusammenhang und kleinen Detail nötig ist:
Umweltnetz-Schweiz: Könnten Sie uns genauer erklären, inwiefern Sportmode/ Funktionskleidung konkret ein Problem für die Umwelt — und besonders für die Berge — darstellt?
Adrian Huber: Die Textilindustrie verursacht auf verschiedenen Ebenen enormen Druck auf die Umwelt und ist mitverantwortlich, dass in einigen Bereichen wie z.B. Klimawandel, Biodiversität oder auch Wasserverschmutzung die planetaren Grenzen an den Anschlag kommen bzw. übertreten werden. Dies ist nicht nachhaltig. Zum Beispiel ist die globale Textilindustrie verantwortlich für ca. 4% der CO2-Emissionen weltweit, das entspricht dem Ausstoss der Länder Frankreich, Deutschland und Grossbritannien.
Was bedeutet das konkret in Bezug auf Ihr Unternehmen?
A.H.: Konkret verursacht Mammut mit seinem Sortiment mehrere Probleme, trägt aber durch seine Nachhaltigkeitsstrategie seit 20 Jahren mit Engagements, Standards und Initiativen auch zur Lösung bei.
Zum Beispiel bei der Baumwolle: Konventionell angebaute Baumwolle ist nicht nachhaltig und auch sozial und ethisch problematisch, weil sie häufig genmanipuliertes Saatgut und viele Pestizide braucht und so die Bauern in eine Abhängigkeit treibt. Zudem braucht konventionelle Baumwolle viel Wasser. Mammut setzt seit 2009 Bio-Baumwolle von Remei ein — einem Hersteller von nachhaltigen Textilien aus Bio-Baumwolle. Über 50% der von Mammut eingesetzten Baumwoll-Artikel sind aus Bio-Baumwolle. Remei-T-shirts sind bis zum Saatgut 100% rückverfolgbar und somit transparent. Die Bauern erhalten auch eine Bio-Prämie.
Bezüglich synthetischer Fasern setzt Mammut seit 2010 rezyklierte Polyestermaterialien ein, hat heute einen Anteil von ca. 30% und sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 100% rezykliertes Polyester einzusetzen.
Ein Problem stellt sich in der Textilproduktion auch bezüglich Chemikalien…
A.H.: Mammut ist seit 2011 Systempartner von bluesign-technologies. 57% aller Mammut Textilprodukte sind aktuell mit dem bluesign-Product-Label ausgezeichnet. Über 70% der eingesetzten Stoffe sind «bluesign-fabric approved». Das Ziel ist, dass wir den Anteil bis 2025 auf nahezu 100% ausbauen. Bluesign gilt in der Industrie als der beste und strengste Standard im Bereich Chemie-Management.
Sogenannte PFC-Ausrüstungen — per- und polyfluorierte Chemikalien — wurden viele Jahre eingesetzt, um den Wasser-Abperl-Effekt von Funktionstextilien sicherzustellen - einer der zentralen Aspekte sehr funktioneller und technischer Funktionsbekleidung, die hohen Anforderungen in extremen Klimata standhalten müssen. Da PFC in der Natur kaum abbaubar sind, haben wir uns bei Mammut das strategische Ziel gesetzt, alle Behandlungen unserer Produkte auf PFC-freie Alternativen umzustellen. Aktuell sind bereits 85% unserer Artikel ohne PFC ausgerüstet, das Ziel ist, bis spätestens 2025 komplett auf Alternativen umzustellen.
Wie sieht es bezüglich Mikroplastik aus?
A.H.: Um das Thema Mikrofaser-Verschmutzung anzugehen, hat Mammut zusammen mit anderen aus der Branche 2017 das Microfibre Consortium gegründet. Hier ist das Ziel, Messmethoden zu entwickeln und Lösungen aufzuzeigen, wie das Auswaschen von Mikrofasern, welche im Gewässer und in der Nahrungskette landen, vermieden werden kann.
Zudem sind wir Teil des Single-Use-Plastic-Projects (SUP). Ziel von SUP ist es, Plastikverpackungsmaterial zu reduzieren bzw. ein Recycling-System aufzubauen, um Polybags (Plastik-Verpackungsbeutel) wiederzuverwenden anstatt wegzuwerfen.
Wann ist Mammut auf diese Probleme aufmerksam geworden?
A.H.: Mammut hat vor über 20 Jahren die Wichtigkeit und Dringlichkeit erkannt und begonnen, die sozialen und ökologischen Themen systematisch und holistisch anzugehen. Mammut war bei vielen Initiativen führend und hat sich auf Branchenebene eingesetzt, die Themen koordiniert und systematisch anzugehen.
Sie haben soeben soziale Themen angesprochen. Nebst Umweltthemen, setzt sich Mammut auch für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen ein?
A.H.: Mammut war das erste Outdoor-Unternehmen, welches 2008 der Fair Wear Foundation (FWF) beigetreten ist. Wir haben bereits zum vierten Mal die Führungsposition erreicht. Die FWF gilt als der umfassendste und strengste Standard im Bereich der sozialen Arbeitsbedingungen. Sie ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, NGOs und Marken, die sich gemeinsam für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie einsetzen. Zur effektiven Umsetzung der hohen FWF-Standards haben wir ein umfassendes Managementsystem eingeführt und überwachen die Arbeitsbedingungen bei unseren Lieferanten durch regelmässige Kontrollen und Fabrikbesuche.
Mammut verwendet in seinen Produkten auch Tierprodukte wie Wolle oder Daunen. Folgen Sie auch bezüglich des Tierwohls Ethik-Standards?
A.H.: Mammut setzt seit 2014 für alle Daunenprodukte wie Jacken und Schlafsäcke 100% zertifizierte Daunen ein. Wir orientieren uns dabei an den Kriterien des Responsible-Down-Standard-Zertifikats (RDS), das sicherstellt, dass die Daunen und Federn in unseren Produkten von Gänsen und Enten stammen, die gut behandelt wurden. Jegliche Entnahme von Daunen und Federn von lebenden Vögeln sowie Zwangsfütterung ist strengstens untersagt. Die gesamte Lieferkette wird jährlich von einer dritten Zertifizierungsstelle kontrolliert. Die RDS-Daunen können über die gesamte Lieferkette zurückverfolgt werden — vom Endprodukt bis zur Quelle.
Ein unabhängiger, globaler Standard für Leder, der nachhaltige Gerbprozesse, Tierschutz und die Rückverfolgbarkeit der Materialien sicherstellt, existiert bisher nicht. Deshalb arbeitet Mammut mit sorgfältig ausgewählten Gerbereien zusammen, die mit kontrollierten Prozessen hochwertiges Leder produzieren. Über 80% unseres Leders, das wir zu Schuhen verarbeiten, stammt entweder von der Deutschen Lederfabrik Josef Heinen oder dem Italienischen Lederverarbeiter Mastrotto. Beide Unternehmen liefern uns umweltschonend und sozial verantwortungsvoll hergestelltes Leder.
56% der Merinowolle, welche Mammut verarbeitet, ist aktuell RWS (Responsible Wool Standard) zertifiziert, das Ziel ist, bis 2025 auf 100% zu kommen. Der RWS stellt sicher, dass die Wolle von Schafen stammt, die verantwortungsvoll behandelt wurden. Die Zertifizierung stellt sicher, dass die Wolle ordnungsgemäss identifiziert und nachverfolgt werden kann. Der RWS wird derzeit in der globalen Woll-Lieferkette implementiert.
Gibt es bestimmte Rahmenbedingungen, die Ihrem Unternehmen bei seinen Nachhaltigkeits-Tätigkeiten helfen?
A.H.: Die UN Charta, aber auch das Instrument der Science Based Targets (SBT) bieten umfassende Frameworks und Playbooks an, wie man diese komplexen Themen strukturiert und sektorenspezifisch anpacken kann. Wir glauben, dass in zehn Jahren nur noch diejenigen Outdoor-Marken am Markt sein werden, die ihren ökologischen Fussabdruck maximal reduziert haben und mit den Sustainable Development Goals — insbesondere dem SDG 13 — auf Kurs sind. 70% unserer Kunden haben beim Online-Shopping schon heute spezifische Filter aktiviert, mit denen man «nachhaltige» Produkte finden kann. Für Nachhaltigkeit bekommen wir keine Preisprämie, aber wenn wir es nicht machen, werden wir abgestraft und mittel- bis langfristig irrelevant…
Worin sehen Sie die grössten Herausforderungen für Ihr Unternehmen, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
A.H.: Es braucht viel Kooperation: Beispielsweise ist die Textilindustrie verantwortlich für 2,1 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen. Mammut emittiert 58’000 Tonnen — das entspricht etwa 0,003%. Ein einzelner Akteur allein kann nichts bewirken, es braucht die Pioniere, die vorangehen. Es braucht jetzt aber keine weiteren Initiativen mehr. Es gibt genug Versprechen und Verpflichtungen. Nun müssen alle subito ins Doing übergehen: «Walk the talk» also… 72% der CO2-Emissionen stammen aus der Lieferkette, worauf wir nur wenig Einfluss haben. Wenn Zulieferländer die Energiewende nicht schaffen, dann erreichen wir unsere Ziele auch nicht. In unserer Lieferkette haben wir aber schon viel erreicht: Zum Beispiel ist unser Baumwolllieferant Remei seit 2013 klimaneutral und unsere Seile stammen vom österreichischen Hersteller Teufelberger, der unsere Seile in Tschechien herstellt. Derzeit planen wir den Strommix von Kohle auf erneuerbare Energien umzustellen, was rund 60% CO2 einsparen wird.
Es braucht unbedingt eine Entkoppelung von Umsatzwachstum und dem Emissionausstoss, sonst ist die Zielerreichung unmöglich. Dafür ist eine Kreislaufwirtschaft nötig: Umsatz schaffen durch Close the Loop-Konzepte, wie wir es mit den Seilen machen, Secondhand, Reparaturservice usw. Erfolg muss also neu definiert werden.
Was bedeutet dies für das Unternehmen insgesamt, auch finanziell?
A.H.: Für uns bedeutet es, das Geschäftsmodell neu zu denken: Lieferketten neu denken und strategische Partnerschaften mit Lieferanten eingehen. Vor 10 Jahren haben wir Fair Wear Foundation gefordert, vor 8 Jahren haben wir Bluesign und vor 3 Jahren haben wir den Higg-Index gefordert; nun fordern wir alle unsere Lieferanten auf, selber der Klima-Charta beizutreten und eine Klimastrategie zu entwickeln. Wir sehen, dass in der Sport- und Outdoor-Zulierferkette die meisten kooperieren, weil sie es als Chance sehen und verstehen, dass sie sich ins Abseits manövrieren, wenn sie nicht mit auf die Reise kommen.
Die Finanzierung steht noch offen. Spannend sind aber die Green Bonds von grossen Marken. Hier stehen auch Regierungen in der Pflicht, in den Ländern unter dem Pariser Abkommen die Wende herbeizuführen.
Inwiefern zahlen sich solche Tätigkeiten für das Unternehmen aus?
A.H.: Wir investieren aus Überzeugung in das Thema Nachhaltigkeit, haben eine Abteilung, die sich nur um das Thema kümmert und stellen sicher, dass die Umsetzung in den Fachbereichen vorangetrieben wird. In Nachhaltigkeit zu investieren ist wichtig, um die künftige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Es zahlt sich also langfristig aus.
Wie werden die Fortschritte des Unternehmens betreffs ihrer Umweltziele gemessen und kontrolliert?
A.H.: Mammut hat zum Thema Corporate Responsibility klare Leistungsindikatoren und entsprechende Ziele gesetzt und misst diese zweimal pro Jahr. Im Rahmen unserer Mitgliedschaft bei der Sustainable Apparel Coalition (SAC) haben wir 2020 das «Brand and Retail Module» gemacht. Dieses misst und bewertet — basierend auf über 150 Kriterien — unsere soziale und ökologische Leistung und vergleicht sie mit unserer Peergroup. Ab 2021 werden diese Daten verifiziert sein und entsprechend publiziert. Seit 2008 «kontrolliert» uns Fair Wear Foundation in Bezug auf unsere sozialen Arbeitsbedingungen in der Lieferkette. Mammut publiziert dazu jährlich den Sozial-Bericht.
Haben die Massnahmen bereits messbare Verbesserungen erwirkt?
A.H.: Ja, das lässt sich anhand der Leistungsindikatoren (Key-Performance-Indicators) erkennen. Unsere Ziele und saisonalen Fortschritte kommunizieren wir auf unserer Homepage.
Engagiert sich Mammut für weitere Nachhaltigkeits-Partnerschaften?
A.H.: Ja, wir unterstützen das CO2-Gesetz und auch die Gletscher-Initiative, wir sind Partner der NGO Protect our Winters Switzerland und Mammut ist aktives Mitglied in Arbeitsgruppen in Branchenverbänden wie der European Outdoor Group, Swiss Textile, Sustainable Textile Switzerland und dem Swisscleantech-Branchenverband. Wir haben diverse Massnahmen im Bereich Diversity & Inclusion gestartet und unterstützen die NGO climbAID.
Die Corona-Pandemie hat Unternehmen weltweit stark getroffen. Dabei sind generell die Bestrebungen nach Umweltschutz in den Hintergrund gerückt. Wie bewertet Mammut den Stellenwert ihrer Umweltziele in den nächsten Jahren?
A.H.: Diese Einschätzung können wir nicht teilen. Im Gegenteil, die Pandemie verstärkt und beschleunigt die beiden Megatrends — Digitalisierung und Nachhaltigkeit — noch. Mammut investiert mehr denn je in Massnahmen, um den Klimawandel zu verlangsamen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern bzw. die ökologische Performance zu verbessern. Das Thema ist so hoch auf der Agenda wie noch nie!
Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.
Mammut: We Care
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