Geschichte der Umwelt: Hoch- und Spätmittelalter

In dieser Artikelserie wird die Geschichte der Umwelt in verschiedenen Epochen geschildert. Im Folgenden wird das Hoch- und Spätmittelalter behandelt.

Geschichte der Umwelt: Hoch- und Spätmittelalter
Die mittelalterliche Burg war eine der Formen wie der Mensch in die Landschaft eingriff. (Peter Taylor, Pexels)

Die Unterteilung des Mittelalters in eine frühe, hohe und späte Phase ist ebenso mit Problemen behaftet wie die Trennung Antike – Mittelalter – Neuzeit. Je nach Untersuchungsgegenstand und geographischem Raum gibt es unterschiedliche Definitionen, ab wann das Hochmittelalter beginnt. Grundsätzlich setzt man den Anfang aber um das 10./11. Jahrhundert.

Gesellschaftlicher und klimatischer Wandel

Mit ein Grund für die Abgrenzung von Früh- und Hochmittelalter sind umfassende Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur Europas: Der Adel sowie das Rittertum entstehen als Stand mit rechtlichen Privilegien, das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Macht wird formalisiert, Universitäten entstehen, die Bevölkerung wächst. Dieses Bevölkerungswachstum wird unter anderem durch eine Intensivierung der Landwirtschaft begünstigt. Diese wiederrum ist zu einem erheblichen Teil auf technische Innovationen zurückzuführen. Hufeisen und Kummet ermöglichten den Einsatz von effizienteren Beet- oder Räderpflugen, während davor grösstenteils Hakenpfluge benutzt wurden. Zudem ermöglichten Deiche, Entwässerungen sowie Wasser- und Windmühlen mit Pumpensystem eine Expansion der landwirtschaftlichen Fläche. Neben diesen technischen Innovationen wurde die Landwirtschafts- und Bevölkerungsexpansion auch durch eine Warmphase des Klimas begünstigt. Diese „Mittelalterliche Warmzeit“ begann um 900 und endete um 1400. Rekonstruktionen zufolge herrschte die wärmste Phase zwischen 950 und 1250.

Aussereuropäische Folgen

Die Warmphase hatte weltweite Konsequenzen. Im Gebiet des Kaiserreichs China gibt es Hinweise auf Dürreperioden. Trotzdem kann man in der Song-Dynastie (960-1279) eine ‚Blütezeit‘ ausmachen. Durch effizientere Anbaumethoden, vor allem von Reis, wuchs auch in China die Bevölkerung. Die Kultur blühte auf; bessere Technik und neue Erfindungen wurden eingesetzt (bspw. Schiesspulver und Kompass). Auch Erdgasbohrungen wurden durchgeführt. Der Rohstoffabbau war fundamental: Die Eisen- und Stahlproduktion war etwa so gross wie im England des anbrechenden 18. Jahrhunderts.
Auf dem Nordamerikanischen Kontinent zeugten eine ausgeprägte Kultur und ein Anstieg des architektonischen Bauens von einer Bevölkerungszunahme bei verschiedenen sesshaften Stämmen. Jedoch setzten unter anderem heftige Dürreperioden dieser Blütezeit ein Ende. Dürren sollen auch ein Faktor gewesen sein, der zum Untergang der Maya-Zivilisation beitrug.
Im Afrika südlich der Sahara bildeten sich ab dem 11ten Jahrhundert zahlreiche Grossreiche, die ihre Blütezeit in den darauffolgenden Jahrhunderten erreichten. Auch dort gibt es Hinweise auf eine Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft. Diese war sicherlich zum Teil auf den klimatischen Wandel zurückzuführen.
Logischerweise stellen all diese Darstellung nur grobe Abrisse der Veränderungen dar. Lokal und temporär gab es grosse Unterschiede, wie sich das Klima auf die Populationen auswirkte. Die Entwicklungen ganzer Kontinente lassen sich über eine Zeit von 500 Jahren schwer generalisieren. Doch man kann einige Veränderungen konstatieren.

Der Einfluss des Menschen in Europa

Durch den Bevölkerungsanstieg und die neuen technischen Möglichkeiten veränderte sich auch der Einfluss der Menschen auf die Umwelt. Die Agrarflächen wurden mittels Trockenlegungen und Rodungen expandiert. Die Dreifelderwirtschaft fand weite Verbreitung. Zudem änderte sich teils auch die Zusammensetzung dessen, was angebaut wurde. Es wurde mehr Getreide angepflanzt, und Wein wurde in nördlicheren Gebieten angebaut, als es heute möglich ist. Auch der Erzabbau setzte ab dem 12ten Jahrhundert wieder vermehrt ein. Rodungen konnten zu Erosionen und Überschwemmungen führen.
Nicht nur die Agrarflächen expandierten, sondern auch die Siedlungszentren und mit ihnen die Naturauslastung. Der Stellenwert der Natur bzw. der Bezug zur Natur wurde im Hoch- und Spätmittelalter neu konstituiert. Ganz fundamental war die unangefochtene Auffassung, dass Gott über allem stand. Durch die Blüte der Kultur begann aber auch eine naturphilosophische Auseinandersetzung mit der Umwelt, in die auch wiederentdeckte antike Bilder einflossen. Ein weitverbreitetes Phänomen des Mittelalters war - um einen anachronistischen Begriff zu verwenden - das Recyceln einer grossen Bandbreite von Materialien. So wurden Glasscherben sowie Stofffetzen wiederverwendet und auch altes Papier bzw. Pergament wurde mehrmals gebraucht. Urin und Kot fanden Verwendung in Handwerk und Landwirtschaft, Wachsresten wurden wieder aufgegossen, Altmetalle neuen Zwecken zugeführt. Nicht zuletzt beim Burgenbau, das im Hoch- und Spätmittelalter sein Apogäum (Höhepunkt) hatte und die Landschaft Europas grundlegend veränderte, wurden Baustoffe aus älteren Bauten verwendet.

Global – Regional – Lokal

In der Phase des Hoch- und Spätmittelalters setzt, im Unterschied zum Frühmittelalter, eine stärkere Umweltnutzung ein. Gründe dafür sind unter anderem technische Innovation und das Bevölkerungswachstum. Nicht nur der Mensch übte Einflüsse auf die Umwelt aus, auch umgekehrt ging eine Beeinflussung vonstatten: Eine klimatische Warmphase hatte im Hochmittelalter globale Auswirkungen. Die Konsequenzen konnten aber regional sehr unterschiedlich ausfallen.
Es ist verlockend, in ein Fortschrittsnarrativ zu verfallen und diese Entwicklungen als lineare Geschichte der steten Verbesserung zu erzählen. Man muss sich aber jederzeit bewusst sein, dass diese Ereignisse sich über Jahrhunderte abspielten und dynamisch in ihrem Geschehen waren. Der ‚Fortschritt‘ war weder linear, noch war er geographisch einheitlich. Über die Jahrhunderte hinweg wurde aber Schritt für Schritt das Fundament für ökologischen Entwicklungen der Neuzeit gelegt.

Quellen und weitere Informationen
David J. Nash et al.:African Hydroclimatic Variability During the Last 2000 years
Harald Müller: Mittelalter, Berlin, 2015.
Larry V. Benson et al.: Possible Impacts of Early-11th-, Middle-12th-, and Late-13th-Century Droughts on Western Native Americans
Margit Mensch (Hrsg.): Mensch-Natur-Wechselwirkungen in der Vormoderne, Göttingen, 2016.
Matthew J. Hannaford und David J. Nash:Climate, Society over the last Millennium in Southeast Africa
Peter Hilsch: Das Mittelalter. Die Epoche, Konstanz, 2017.
Zhixin Hao et al.: Multi-Scale Temperature Variations and their Regional Differences in China