Klimawandel – Wie schätzt sich die Schweizer Bevölkerung ein?

Wie klimafreundlich schätzen Schweizerinnen und Schweizer ihren Lebensstil ein? Im Auftrag von Helion hat das Forschungsinstitut Sotomo fast 3000 Schweizerinnen und Schweizer befragt.

Klimawandel – Wie schätzt sich die Schweizer Bevölkerung ein?
(Gerd Altmann und Denis Azarenko, Pixabay)

In einer Studie wurden für den Helion-Energiewende-Index das individuelle Verhalten im Bezug zur Klima- und Energiewende untersucht. Der Index bezieht sich auf Einzelpersonen und Haushalte in der Schweiz – mit besonderem Fokus auf den Bereichen der Mobilität und des Wohnens. Diese Studie schafft erstmals ein breiteres Bild des CO2-Fussabdruckes verschiedenster Bevölkerungsgruppen. Sie bildet ausserdem die Einstellung zum Klimawandel ab.  

Verhalten der Bevölkerungsgruppen im Vergleich

Um zu einer sinnvollen Auswertung zu kommen, wurden die Teilnehmenden in verschiedene Personengruppen eingeteilt. Somit konnten diese anhand der jeweiligen CO2-Emissionen verglichen werden. Die Daten wurden zwischen dem 20. April und dem 1. Juni 2023 erhoben – die Befragung fand online statt. Zum Schluss konnte auf folgende Ergebnisse geschlossen werden:
Im Durchschnitt emittierte der Schweizer Bürger rund 10,5 Tonnen CO2.

In kleinerer Auflösung erlaubt die Studie Rückschlüsse auf den CO2-Fussabdruck einzelner Bevölkerungsgruppen. Beispielsweise nach Geschlecht: Das Ergebnis zeigt, dass Frauen mit 10,2 Tonnen den kleineren CO2-Fussabdruck aufweisen als Männer mit 10,8 Tonnen. Grösstenteils ist dieser Unterschied darauf zurückzuführen, dass Männer im Schnitt mehr Autos besitzen und häufiger damit unterwegs sind. Die Studie zeigt auch, dass sich Frauen deutlich öfter vegetarisch ernähren als Männer, wobei das insgesamt nur geringe Auswirkungen auf den Fussabdruck der Frauen hat.

Unterschiede nach Alter: Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen sind deutlich grösser als jene zwischen den Geschlechtern. Mit 11,3 Tonnen liegen jüngere Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren deutlich über dem Durchschnitt. Erwachsene von 36 bis 55 Jahren liegen mit 10,3 Tonnen CO2 nur knapp unter dem Mittelwert. Nur bei der Altersgruppe über 55 Jahren liegt der Wert bei 9,8 Tonnen.
Dieser grosse Unterschied ist primär auf das Flugverhalten zurückzuführen; wo der Wert bei den Älteren nur 0,6 Tonnen beträgt, liegt der CO2-Ausstoss der Jüngeren bei 1,8 Tonnen. Gerade hier zeigen sich jedoch auch bei der jungen Altersgruppe deutliche individuelle Differenzen.
Hinzu kommt das aktivere Konsumverhalten der Jüngeren, welches auch dazu beiträgt. Einzig im Bereich Wohnen weisen die Älteren einen schlechteren Index auf.

Unterschiede nach Äquivalenzeinkommen: Pauschal kann gesagt werden; umso höher das Einkommen, desto grösser der CO2-Fussabdruck. Personen mit einem Einkommen kleiner als 4000 CHF mtl. liegen mit durchschnittlich 9,5 Tonnen deutlich unter Personen mit einem Einkommen grösser als 16'000 CHF mtl. mit 14,8 Tonnen.

Nach Region bestehen in der Schweiz Unterschiede – weder zwischen den Sprachregionen noch zwischen Stadt und Land.
Allerdings ist der Fussabdruck im Bereich der Mobilität in der Deutschschweiz grösser, während die Bevölkerung in der Romandie weniger klimafreundlich wohnt. So fahren auch die Städter im Schnitt zwar weniger Auto, dafür fliegen sie öfter als auf dem Land Lebende.

Realitätsferne Selbsteinschätzungen?

56 Prozent der Befragten schätzten ihren Lebensstil als klimafreundlicher ein als jenen der Schweizer Durchschnittsbevölkerung. Nur 10 Prozent beurteilen sich als weniger klimafreundlich als der Schweizer Schnitt. Korrekte Selbsteinschätzungen findet sich jedoch nirgendwo.
Besonders gross ist der Widerspruch zwischen Einschätzung und tatsächlichem Verhalten bei Personen mit einem hohen Einkommen: Nur gut ein Viertel der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen über 16'000 Franken schätzen ihre CO2-Emissionen als grösser als der Durchschnitt ein – in Wahrheit emittieren sie jedoch 79 Prozent mehr CO2.
Dennoch besteht grundsätzlich einen Zusammenhang zwischen der Selbsteinschätzung und der Realität: Personen, die ihre Lebensweise als klimafreundlicher einschätzen, haben tatsächlich einen eher kleineren CO2-Fussabdruck. Einzig jene, die ihr Verhalten als ausserordentlich klimafreundlich einschätzen, liegen davon weit ab.

Wie sieht es mit der Einstellung zum Klimawandel aus?

Zurzeit werden negative Auswirkungen des Klimawandels vor allem im Ausland wahrgenommen. Nur wenige der Befragten gaben an, sie sähen heute extreme Auswirkungen am eigenen Wohnort. Auch für die Zukunft (in 20 Jahren) meint ein Viertel der Befragten, es werde wohl kaum zu grossen Veränderungen kommen. Wobei etwa gleich viele Personen deutlich negative Auswirkungen erwarten.
Sieben von zehn Befragten stimmen den Aussagen «Der Klimawandel ist menschgemacht» und «Ich selbst muss meinen Beitrag dazu leisten, den Klimawandel zu bekämpfen» zu oder eher zu. Dennoch nerven sich indessen mehr als ein Drittel über das Thema Klimawandel – nur eine von 20 Personen stört sich gar nicht daran. Selbst den «Klimabewussten» geht das Thema zumindest zeitweise auf den Wecker.

ETH-Klimaforscher Reto Knutti stellt klar, dass ein solches ökologisches Problem noch nie nur durch Eigenverantwortung gelöst wurde. Weshalb nun die politische Herausforderung darin bestünde, Massnahmen zu finden, die auch von der Bevölkerung befürwortet werden. Auch hier können die Daten zur Einstellung der Bevölkerung Gewinn bringen.

Quellen und weitere Informationen
Sotomo-Studie: Helion Energiewende-Index
TA: Die eigene Klima­freundlichkeit wird überschätzt