Weg von der Anonymität, hin zum Miteinander in der Kommune. Klingt nach 68er-Bewegung, ist aber ein aufkommendes Wohnkonzept vor allem in Deutschland (wo die Siedlungen finanziell gefördert werden), zunehmend aber auch in der Schweiz.
Das Mehrgenerationenhaus
Gründe und Vorteile eines Mehrgenerationenhauses finden sich zuhauf. Ältere Menschen leiden oftmals unter Isolation, wenn die Besuche von Freunden oder Verwandten ausbleiben. Zudem können Nachbarn auch kleinere Erledigungen übernehmen, welche im Alter schwieriger werden. Ältere Menschen können im Gegenzug ihre Zeit oder ihr Wissen weitergeben. Mehrgenerationenhäuser sind so konzipiert, dass gemeinsame Räume oder Einrichtungen als Treffpunkt dienen: Ein Spielplatz, ein Grillplatz, ein Garten oder ein Quartiercafé dienen als Integrationsplatz und dem sozialen Austausch.
Giesserei Winterthur
Ein Beispiel für ein Mehrgenerationenhaus findet sich in Winterthur auf dem ehemaligen Giessereigelände der Firma Sulzer. Seit 2013 wohnen in 154 unterschiedlich konzipierten Wohnungen Alleinstehende, Paare ohne Kinder, Familien, junge Menschen in Wohngemeinschaften sowie ältere Menschen unter einem Dach. Eine Bar mit Dachterrasse, Werkstätten, ein Übungsraum, eine Waschbar mit Näh- und Bügeltisch sowie einem Töggelikasten und einer Kaffeemaschine stehen für die gemeinschaftliche Nutzung und als Treffpunkt bereit. Um das Zusammenleben zu vertiefen, verpflichtet sich jeder Bewohner zu 36 Stunden gemeinnütziger Arbeit pro Jahr. Dies kann die Einführung der Neuzuzüger beinhalten, das Backen eines Kuchens oder die Organisation des nächsten Hausfests. Um den Wohnraum flexibler zu gestalten, können kurz- oder längerfristig sogenannte ‘Jokerzimmer‘ zugemietet werden, um beispielsweise Gäste unterzubringen. Eine Bibliothek, eine Kindertagesstätte, ein Velogeschäft, ein Restaurant und weitere Gewerbebetreibende machen das Areal auch gleichzeitig zum Arbeitsplatz.
Wir sehen uns als ein “modernes“ Dorf, das die Vorteile urbaner Lebensweise und dörflicher Geborgenheit vereint.
Giesserei, das Mehrgenerationenhaus
Nebst der Konzipierung als Mehrgenerationenhaus erfüllt die Siedlung gemäss eigenen Angaben auch die Anforderungen eines 2000-Watt-Areals (ist aber nicht zertifiziert).
Cluster-Wohnen in der Kalkbreite
Ein ähnliches Konzept mit einer ganz spezifischen Eigenheit verfolgt die Siedlung Kalkbreite in Zürich. Nebst den konventionellen Wohnungen für Familien oder kleine Wohngemeinschaften bietet das Quartier Gemeinschaftswohnungen, die als sogenannte ‘Cluster‘ konzipiert sind. Der Gemeinschaftsraum bildet dabei das Kernstück des Clusters. Rundherum gruppieren sich individuelle Studios mit Bad und Küche. Nicht wie eine eigentliche Wohngemeinschaft, sondern mit mehr individuellem Rückzugsraum, bietet das Cluster-Wohnen mehr Privatsphäre, aber trotzdem einen Bereich, in welchem die Gemeinschaft gepflegt werden kann.
Dabei werden noch zwei grundsätzliche Unterscheidungen gemacht: Im Siedler-Cluster gilt der Aufenthaltsraum als privater Raum der angeschlossenen Studios. Beim Nomaden-Cluster wird der Gemeinschaftsraum auch für die übrigen Bewohner des Hauses geöffnet.
“Ressourcen schonen heisst auch teilen. In der Kalkbreite bedeutet dies: Räume, die nur ab und zu genutzt werden (z.B. Gäste- und Sitzungszimmer), sollen nicht in der privaten Mietfläche enthalten sein, sondern allen zur Verfügung stehen. Der individuelle Raumbedarf kann so zugunsten gemeinschaftlich genutzter Flächen minimiert werden.“
Genossenschaft Kalkbreite
Die dritte Wohnform ist eine Weiterführung des Clusters: Der Grosshaushalt. Das Zentrum dabei bildet ein grosser Ess- und Aufenthaltsraum mit professioneller Küche und angestellter Köchin. Abends wird jeweils ein Menü angeboten.
Das Cluster-Wohnen kann vor allem auch für ältere Menschen attraktiv sein, welche selbständig wohnen möchten, aber den Kontakt mit ihren Nachbarn stärker suchen, als dies in der konventionellen Wohnform üblich ist. Der Grosshaushalt bietet ausserdem die Möglichkeit, einmal pro Tag gegen Gebühr bekocht zu werden.
Fazit
Mehrgenerationenhäuser bringen, nebst den bereits aufgeführten Vorteilen, natürlich auch Nachteile: Trotz des eigenen Wohnraums lebt man ‘nahe‘ beieinander. Der Generationenmix, sprich spielende, laute Kinder können im Alter auch stören. Eine gewisse Kulanz und Offenheit wird den Bewohnern abverlangt. Dennoch sind wir der Meinung, dass der Schritt zurück zur integrativen Lebensweise zwischen verschiedenen Generationen einen Gewinn für alle Beteiligten sein kann, solange die Bedürfnisse und Grenzen klar formuliert und abgesteckt sind.
Weiterführende Informationen/Quellen:
Giesserei, das Mehrgenerationenhaus
Genossenschaft Kalkbreite
Mehrgenerationenhäuser in Deutschland
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