Menschen und Affen teilen gemeinsame Vorfahren. Vögel und Krokodile tun dies auch, die Lebzeiten ihrer Ahnen liegen lediglich etwas weiter zurück. Aus seiner Erkenntnis der evolutiven Verwandtschaft verschiedener Organismen folgerte Darwin, dass es irgendwann einmal ein Lebewesen gab, das unser aller Vorfahre war. Mit anderen Worten: Das Leben hat sich aus einem einzigen Gründerorganismus entwickelt.
"Therefore I should infer from analogy that probably all the organic beings which have ever lived on this earth have descended from some one primordial form, into which life was first breathed." Charles Darwin, On the Origin of Species, 1859
Seit der Veröffentlichung von Darwins Hauptwerk, „The Origin of Species“, rätseln Wissenschaftler über die Natur seiner angedeuteten Urgestalt (primordial form). Unterdessen trägt sie den Namen LUCA – Akronym für Last universal common ancestor, also letzter universeller gemeinsamer Vorfahre.
LUCA auf der Spur
Lange Zeit bestand unser einziges Fenster in die geschichtliche Vergangenheit des Lebens aus Fossilienfunden. Weil es sich bei LUCA jedoch um ein einzelliges Lebewesen handelt – wohlgemerkt nicht viel mehr als ein wässriges, von einer Lipidmembran umschlossenes Gefäss – sind Fossilien
nur in äusserst seltenen Fällen zu finden und geben kaum Auskunft über die Lebensweise des Organismus. Der Weg zum tieferen Verständnis erster Lebensformen führt über die Genetik. Kommt ein Gen in zwei verschiedenen Organismen vor, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie beide es von ihrem gemeinsamen Vorfahren geerbt haben. Mit diesem Ansatz versuchen Forscher, die genetische Ausstattung LUCAs zu ergründen.
Allergisch auf Sauerstoff
Die neuesten Ergebnisse aus der Ahnenforschung stammen von Evolutionsbiologen rund um William F. Martin an der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf. Ausgehend von 6 Millionen bekannten Genen aus Bakterien und Archaaen, den beiden frühesten Lebensformen, konnten die Forscher 355 Genfamilien ausmachen, die möglicherweise LUCA zu eigen waren. Was dann folgte, war waschechte, höchst spannende Detektivarbeit. Einen direkten Einblick in LUCAs Alltag liefern nämlich nicht seine Gene, sondern deren Funktion.
Stellen wir uns vor, die Menschen der Zukunft wollten unsere heutigen Ernährungsgewohnheiten ergründen. Sie fänden in unserem Genom das Gen für ein Enzym namens Laktase; es spaltet Milchzucker in seine Einzelteile auf. Daraus liesse sich ableiten, dass wir höchst wahrscheinlich Milchprodukte auf unserem Speiseplan hatten.
Analog weisen Analysen der mutmasslichen LUCA-Gene auf seine Fähigkeit hin, unter den extrem hohen Temperaturen überleben zu können, wie sie an hydrothermalen Quellen auf dem Grund der Tiefsee vorkommen. Die Quellen werden schon seit geraumer Zeit als möglicher Lebensraum frühster Zellen diskutiert. Er sei verblüfft gewesen und hätte es kaum glauben können, meinte dazu Martin: Alles deute auf die Tiefseetheorie hin; unter anderem auch LUCAs anaerobe Lebensweise, seine Verwendung von Wasserstoff als Energie- sowie die Fixierung von CO2 als Kohlenstoffquelle.
Martins Entdeckungen geniessen hohe Aufmerksamkeit, darunter viel Zustimmung. Seine Aussage, der beschriebene LUCA sei gleichzeitig auch Ursprung des Lebens, erntete jedoch Kritik. Die frühsten Urzellen seien weitaus primitiver, zwischen ihnen und LUCA läge eine enorme Distanz aus evolutionären Innovationen. Im Kern dieser Diskussion steht letztendlich die Frage, ab wann etwas als Leben eingestuft wird.
Einer von Vielen
Am Anfang des Lebens waren Abstammungsverhältnisse weniger linear, als sie es heute sind. Genetisches Material – ob RNA oder DNA sei vorerst dahingestellt – wurde über den Prozess des horizontalen Gentransfers rege ausgetauscht. Dabei ist anzunehmen, dass sich eine Vielzahl an Urzellen entwickelte - das Konzept LUCA beschreibt lediglich jene eine, die das Getümmel überlebt hat.
Quellen und weitere Informationen
Meet Luca, the Ancestor of All Living Things
The physiology and habitat of the last universal common ancestor
RNA Welt
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