Der Hunger des Lebens

Moose zählen zu den ersten Landpflanzen. Auch ihre Photosyntheseapparate waren einst frei lebende, photosynthetisierende Bakterien. Cyanobakterien. Moose zählen zu den ersten Landpflanzen. Auch ihre Photosyntheseapparate waren einst frei lebende, photosynthetisierende Bakterien. Cyanobakterien.

Nachdem wir letzte Woche mit LUCA Bekanntschaft gemacht und uns mit den Anfängen des Lebens auseinandergesetzt haben, widmen wir uns heute der Frage: Was geschah danach?

Domäne, Reich, Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art - mit der Absicht, etwas Ordnung in die unfassbare Anzahl und Vielfalt aller Lebewesen auf diesem Planeten zu bringen, befasst sich ein eigenes Fachgebiet der Biologie: Die Systematik. Domänen gibt es nach heutiger Auffassung drei, Arten Millionen. Um uns einen groben Überblick zu verschaffen, macht es daher Sinn, die drei grossen Domänen und deren Zustandekommen genauer anzuschauen.

Die Prokaryoten

Wie genau das erste Leben ausgesehen haben mag, wissen wir nicht. Nur, dass es vergleichsweise simpel war. Denken wir an Lebewesen, so sind das schnell einmal Tiere und Pflanzen - beide höchst komplexen, mehrzelligen Organismen; Verbände aus unzähligen Zellen, die je nach Gewebe unterschiedlich aussehen und verschiedene Funktionen übernehmen. So etwas entsteht nicht über Nacht. Am Anfang steht die Zelle, alleine und ohne viel Schnickschnack; ein von der Aussenwelt isoliertes Kompartiment. Ihre Erbinformation liegt relativ ungeschützt in ihrem Inneren. Tatsächlich ist das Vorhandensein des Zellkernes, also einer die DNA umhüllenden Membran, eines der entscheidendsten Merkmale für die Klassifizierung von Lebewesen.  So ging man lange Zeit von zwei Domänen aus: Den Prokaryoten (altgriechisch pro, ‚vor‘ und karyon, ‚Kern‘) ohne Zellkern und den Eukaryoten (griechisch eu, „gut, echt“) mit Zellkern.

Die Archaeen

1990 erweiterten der US-amerikanische Mikrobiologe Carl Woese und der deutsche Botaniker Otto Kandler den Baum des Lebens um einen weiteren Zweig: Die Domäne der Archaeen. Sie sind einzellig und gehören - zusammen mit den Bakterien, zu welchen man sie bis dahin auch zählte - zu den Prokaryoten. Weil sie sich aber genetisch, physiologisch und strukturell von den Bakterien unterscheiden, haben sie sich ihre Stellung als eigene Domäne verdient. Nach heutigem Erkenntnisstand entwickelten sich aus dem letzten gemeinsamen Vorfahren erst zwei separate Evolutionslinien; die der Bakterien und die, aus der sich etwas später die Archaeen und noch etwas später die Eukaryoten herausbildeten.  

Die Eukaryoten

Im Gegensatz zu den Prokaryoten besitzen die Eukaryoten nicht nur einen Zellkern; sie sind auch wesentlich grösser und in gewisser Hinsicht organisierter. In einer eukaryotischen Zelle hat alles seinen Platz - die Herstellung und Modifizierung von Proteinen, die Energieproduktion oder der Abbau von unerwünschten Stoffwechselprodukten – und sie ist durchzogen von einem Transportnetz, um Komponenten gezielt von einem Ort an den anderen zu verfrachten. Für all dies besitzen Eukaryoten ein ganzes Arsenal an sogenannten Zellorganellen. Dazu zählen unter anderem der Zellkern, das energieproduzierende Mitochondrium oder die photosynthetisierenden Chloroplasten in Pflanzen. Auch das aus dem Biologieunterricht vielleicht noch bekannte Endoplasmatische Retikulum ist eine Eigenheit der Eukaryoten.

Eine der bahnbrechendsten Erkenntnisse der Biologie dreht sich um die Entstehung der Eukaryoten und wurde 1967 von der US-amerikanischen Biologin Lynn Margulis veröffentlicht. Chloroplasten und Mitochondrien waren einst eigenständige Bakterien! Die Endosymbiontentheorie besagt, dass dieseei von anderen Prokaryten aufgenommen, jedoch nicht verdaut wurden, und so in deren Innerem weiterlebten. Mit der Zeit entwickelte sich eine Symbiose mit der Wirtszelle, und heute kann keiner mehr ohne den anderen existieren. Die Indizien sind eindeutig: Obwohl Chloroplasten und Mitchondrien keine Lebewesen mehr sind, haben sie ihre eigene DNA. Diese liegt, typisch prokaryotisch, ringförmig und ohne umhüllenden Zellkern vor. Die DNA-Sequenzen zeigen ausserdem grosse Ähnlichkeit mit denen von Bakterien, und auch ihre Ribosome, zuständig für die Proteinsynthese, sind prokaryotisch aufgebaut.

Ziemlich raffiniert also: Entscheidet sich ein Einzeller dazu, die Kunst der Photosynthese zu erlernen oder die eigene Energieproduktion auszulagern, so schluckt er den Nachbarn und lässt ihn das für sich übernehmen.

 

Quellen und weitere Informationen
Buch: Brock Biology of Microorganisms 13th Edition
Die Entfaltung des Lebens auf der Erde
The Lost Eukaryote: an introduction to cellular evolution



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