Unser Ausflug in die Welt der Mikroorganismen geht heute zu Ende. Zum Abschluss dieser Artikelserie wollen wir einerseits in einer kurzen Rekapitulation darüber staunen, was alles nötig war, um das Leben in seiner heutigen Vielfalt hervorzubringen – und uns andererseits bewusst darüber werden, wie stark unser Alltag von Mikroorganismen geprägt wird.
Was bisher geschah
Knapp ein Viertel ihrer Lebenszeit verbrachte die Erde alleine, ohne jegliches Leben. Weil die Bedingungen günstiger wurden, bekam sie vor ungefähr 3.5 Mrd. Jahren jedoch Gesellschaft von einer Vielzahl von primitiven Urzellen. Eine von ihnen – heute bekannt unter dem Namen LUCA – überlebte das Getümmel und startete das Grossprojekt Leben. Aus LUCA entwickelten sich mit der Zeit die Prokaryoten, zuerst die Bakterien, dann die Archaeen. Als letztere damit anfingen, sich Bakterien einzuverleiben, war dies der Beginn einer Millionen Jahre alten gegenseitigen Abhängigkeit, genannt Endosymbiose. Diese Entwicklung führte schliesslich zu den Eukaryoten.
Heutzutage leben alle Domänen des Lebens – Bakterien, Archaeen und Eukaryoten – miteinander auf dieser Erde. Langweilig wird es ihr also bestimmt nicht mehr.
Schauen wir uns um, so sehen wir nur Eukaryoten. Tiere, Pflanzen, Pilze – sie alle bestehen aus eukaryotischen Zellen mit Zellkern und verschiedenen Zellorganellen. Doch unser Eindruck täuscht; mengenmässig sind uns die Bakterien und Archaeen weitaus überlegen, und wahrscheinlich sind wir am besten einfach froh darum, dass wir sie nicht alle sehen können…
Archaeen: Sie lieben es extrem
Archaeen, die dem Menschen schaden, wurden bisher noch keine entdeckt. Wir können uns hier gänzlich ihren Eigenschaften widmen, von denen wir tagtäglich profitieren. Viele Archaeen weisen Anpassungen an extreme Umweltbedingungen auf. Sie besetzen Nischen, wie sie für die frühe Erde vermutlich normal waren – eine Eigenschaft, die auf ihre Ursprünglichkeit hinweist. Auf Archaeen stösst man in Umgebungen, die aufgrund ihres hohen Salzgehaltes für alle anderen Lebewesen unbewohnbar sind. Weiter haben viele Archaeen kein Problem mit Wassertemperaturen von über 100°C – und davon profitieren wir unter anderem in der Waschküche. Die in Waschmitteln häufig enthaltenen Enzyme – Moleküle, die chemische Reaktionen anregen – dienen dem Abbau von Verschmutzungen und werden aus Mikroorganismen gewonnen. Die Hitzeresistenz der Archaeen kommt uns dabei zu Gute; ihre Enzyme machen auch bei einer 60 °C-Wäsche noch gute Arbeit.
Proteine aus der Zellwand fast aller Bakterien bilden einen sogenannten surface layer, kurz S-Layer. Diese Oberflächenschicht verbindet sich gut mit anderen Proteinen, und letztere können dadurch aus Lösungen herauskristallisiert werden. Der S-Layer findet deshalb zahlreiche Anwendungen in Laboren, beispielsweise als Träger von Impfstoffen.
Bakterien: Eine Hassliebe
Es lässt sich nicht leugnen, viele Bakterien stellen für den Menschen eine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Sei es Yersinia pestis, das hinter zahlreichen Pestepidemien steckte und auch heute noch nicht vollständig besiegt ist – oder Staphylococcus aureus, das als harmloser Mitbewohner unserer Hautflora startet und als tödliches, fleischfressendes Bakterium enden kann. Und trotzdem, eine sterile Welt wäre eine ebensolche Katastrophe wie die komplette Antibiotikaresistenz sämtlicher Krankheitserreger. Das verdeutlicht beispielsweise die Rolle, die Bakterien (zusammen mit den Archaeen) in verschiedenen Nährstoffkreisläufen spielen.
Beispielsweise Stickstoff: Das neben Kohlenstoff zentrale Element jeder Eiweissquelle macht in Form von N2 rund 80 % unserer Atmosphäre aus. Als N2 ist er allerdings weder für Pflanzen, noch für Tiere oder Pilze zugänglich. Einzig die Bakterien können das Gas fixieren und in das Nitrat NO3-, eine für den Rest der Lebensgemeinschaft verwertbare und unverzichtbar Form, umwandeln. Beim Verfall von toter Materie sind es abermals die Bakterien, die den Stickstoff wieder in die Atmosphäre entlassen und ihn so der Umwelt zurückgeben.
Es gibt zahlreiche Beispiele, wie unser Leben von Mikroorganismen geprägt wird. Und umgekehrt bieten wir ihnen eine schier endlose Bandbreite an verschiedenen Lebensräumen. Denken wir doch beim nächsten Mittagessen einmal nicht an die Traktanden des Nachmittages, sondern danken Lactobacillus reuteri, Escherichia coli und Bifidobacterium bifidum für ihren unermüdlichen Einsatz in unserem Verdauungstrakt.
Quellen und weitere Informationen:
Buch: Brock Biology of Microorganisms 13th Edition
8.7 Millionen Arten gibt es auf der Erde
Kommentare (0) anzeigenausblenden