Grüne Adern für die Stadt

Gut genutzter Innenhof Gut genutzter Innenhof

Die Biodiversität muss flächendeckend gefördert werden; sowohl ausserhalb als auch innerhalb der Bauzone. In der Stadt geschieht dies noch zu wenig.

Vernetzung von naturnahen Flächen im Nichtsiedlungsgebiet

Vernetzungsprojekte im Agrarland leisten einen grossen Beitrag zur Förderung der Biodiversität. Seit 1993 werden Landwirte mit Direktzahlungen unterstützt, wenn sie auf ihren Betrieben ökologisch wertvolle Flächen nach vorgeschriebenen Regeln pflegen. Das Instrument wurde seither laufend verfeinert. Der Zweck besteht heute darin, wertvolle, naturnahe Flächen und Wegpunkte miteinander zu verbinden, um den Lebensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten und deren Wanderung zu ermöglichen. Inzwischen beteiligen sich rund drei Viertel der Landwirtschaftsbetriebe an diesen Projekten. Im Agrarland ist man auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel. Zudem enden diese sogenannten Vernetzungsachsen meist an der Siedlungsgrenze.

Im Siedlungsraum noch kaum berücksichtigt

Bemerkenswert ist, dass schon seit geraumer Zeit grüne Achsen in der Stadt gefordert werden. Bereits in den 1980er Jahren wiesen Fachleute auf die Notwendigkeit einer Vernetzung von Grünräumen in der Stadt hin.
In der Strategie Biodiversität des Bundes besagt das Ziel 8 unter anderem, dass die Biodiversität im Siedlungsraum bis 2020 derart gefördert wird, dass der Siedlungsraum zur Vernetzung von Lebensräumen beiträgt.

“Die Biodiversität im Siedlungsraum wird bis 2020 so gefördert, dass der Siedlungsraum zur Vernetzung von Lebensräumen beiträgt.“
Strategie Biodiversität Schweiz

Insbesondere die Raum- und Stadtplanung hätte dazu gute Instrumente zur Hand. Es gibt einige rechtliche Bestimmungen, die die Beachtung von Grünräumen unterstützen. Mit Forderungen im Raumplanungsgesetz, im Natur- und Heimatschutzgesetz und selbst in Bauordnungen -  beispielsweise mit Grünflächenziffern - liesse sich einiges umsetzen. Doch das Potenzial für die ökologische Vernetzung und für die Schaffung oder den Erhalt von Frei- und Grünräumen in den Siedlungen wurde bis heute bei weitem nicht genutzt. Oft scheitert es an Wissen und Einsicht der Grundeigentümer und weiterer Akteure.

Seit neuerem wird der Begriff “ökologische Infrastruktur“ verwendet. Er wurde bewusst so gewählt. Allgemein bedeutet eine Infrastruktur eine notwendige Grundlage, damit ein System funktioniert. Geläufig sind Verkehrsinfrastruktur oder die Infrastruktur der Stromversorgung. Unter einer ökologischen Infrastruktur wird ein hochwertiges Netzwerk verstanden, das mit natürlichen und naturnahen Flächen tierfreundliche Strukturen schafft und die notwendige Wanderung der Arten unterstützt. Mit der Anlehnung an einen technischen Begriff will man die Bedeutung der Vernetzung von naturnahen Räumen sichtbar machen.

Geeignete Elemente für die ökologische Infrastruktur in der Stadt

Die Vernetzung von naturnahen Lebensräumen in der Stadt ist eine grosse Herausforderung. Grundsätzlich gilt es, vergleichbare Elemente wie im Landwirtschaftsland zu sichern und neu zu schaffen. Das Ökosystem im Siedlungsgebiet unterscheidet sich vom Agrarland dadurch, dass ein viel feineres Mosaik von Grünflächen vorhanden ist. Und Flora und Fauna sind stark anthropogen beeinflusst. Es stellt sich auch die Frage, welche Tiere und Pflanzen für die Stadt überhaupt in Frage kommen.

Wichtige grössere Flächen sind Parkanlagen und Friedhofareale. Meist sind grosse, alte Bäumen vorhanden, die eine enorme Bedeutung für Insekten und Vögel haben. Bäume sind ohnehin ein ideales Element für die Vernetzung. In der Stadt bieten sich für die Bildung von Verbindungskorridoren Baumreihen oder Einzelbäume mit Unterwuchs an. Viel mehr genutzt werden sollten Dächer und Fassaden für die Begrünung. Sie bergen ein grosses Potenzial für Flora und Fauna. Innenhöfe bieten oft ebenfalls Möglichkeiten zur die Aufwertung. Selbst vor Entsiegelung - also etwa der Abtragung von Asphaltflächen - sollte nicht Halt gemacht werden. Weitere grössere Flächen sind Sportplätze und Schulareale sowie Gleisanlagen von Bahnhöfen, die einen wertvollen Beitrag an ein funktionierendes Netzwerk anbieten. Kleine, aber nicht weniger wichtige Elemente sind beispielsweise Verkehrsinseln und Kreisel, die als Trittsteine dienen können. Selbst schmale, naturnah begrünte Randstreifen lassen sich als Verbindungskorridore nutzen.

“Die Herausforderung der nächsten Jahre besteht darin, zur Verhinderung der weiteren Zersiedlung verdichtet zu bauen und gleichzeitig naturnahe Lebensräume in die Siedlungen zu bringen und zu vernetzen.“
BirdLife Schweiz

Von grundlegender Bedeutung ist der Unterhalt der Grünflächen. Blumenrabatten, bei denen laufend die aktuellen Blütenpflanzen eingesetzt und dann komplett entfernt und durch andere ersetzt werden, erfüllen die Bedingungen nicht, um als Element eines Netzes zu dienen. Die öffentliche Hand, das heisst in der Regel die Stadtgärtnerei, muss die Idee der makellosen, “schönen“ Grünflächen verabschieden. Sie können einen wichtigen Beitrag für eine funktionierende ökologische Infrastruktur leisten, wenn sie vermehrt auf naturnahe Bepflanzung und möglichst wenig Düngereinsatz achten. 

Ein besonderes Augenmerk gehört dem Siedlungsrand. Hier braucht es eine Übergangszone in genügender Breite. Ideal sind Grenzen mit Einbuchtungen; das heisst pfeilartigen Grünzonen, die ins überbaute Gebiet einfliessen. Alle diese Elemente müssen in angemessener Verbindung stehen, damit ein Austausch für Pflanzen und Tiere möglich wird. 

Umsetzung geschieht zögerlich

Gute Beispiele von Städten, die die ökologische Infrastruktur in ihre Planung einbeziehen, gibt es noch kaum. Vorbildlich ist daher das Konzept zur Vernetzung und Gestaltung des Freiraums im Talboden Horw, das das ganze Siedlungsgebiet einschliesst.

Einige vielversprechende Überbauungsprojekte gibt es auf städtischen Brachflächen, die die Nachhaltigkeit in wesentlichen Bereichen berücksichtigen; beispielsweise Energieversorgung, Mobilität und Ökologie. Eikenøtt in Gland oder das Hunziker Areal in Zürich sind bereits realisierte Überbauungen, die diese Grundsätze teilweise umgesetzt haben. So rühmenswert solche Projekte auch sind, sie bleiben Inseln in einer Stadt, wenn nicht dafür gesorgt wird, dass die Grünräume mit anderen naturnahen Flächen im Stadtgebiet vernetzt sind. Und selbst innerhalb dieser Überbauungen werden die Erfordernisse eines zusammenhängenden Biodiversitäts-Netzwerkes noch kaum berücksichtigt. 

Quellen und weitere Informationen:
Landwirtschaftliche Vernetzungsprojekte: Aargau, Graubünden, Zürich
Konzept Horw
Écoquartier - nachhaltige Quartiere

 

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail [email protected]

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.