Denken wir an Lebensraum, kommt einigen vielleicht der Wolf in den Sinn, der dank der am letzten Sonntag abgelehnten Revision des Jagdgesetzes sein geschütztes Habitat hierzulande behält. Andere denken an das Rebhuhn, das nun offiziell in der Schweiz als ausgestorben gilt und somit seinen Lebensraum verloren hat. Doch was ist mit dem Lebensraum des Menschen? In unserer zivilisierten Welt sind Dörfer, Städte und Metropolregionen unser Lebensraum. Wir leben in Wohnungen und Häusern, die über eine Frischwasserversorgung, Abwasserentsorgung und Elektrizität verfügen. Angemessener Wohnraum ist bezahlbar und bietet uns Schutz vor Wind und Wetter. Ausserdem sorgen unsere eigenen vier Wände für Privatsphäre und schaffen uns unseren ureigenen Platz in der Welt.
Obdachlosigkeit in der Schweiz
Die Wohnversorgung in der Schweiz ist insgesamt gut. Für einkommensschwache Menschen ist eine sichere Wohnsituation jedoch nicht selbstverständlich. Dies belegen nun erste wissenschaftliche Studien der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Die Zahlen, die in der Untersuchung veröffentlicht wurden, zeigen, dass 84% der Haushalte, die von Armut betroffenen sind, sowie 57 % der Haushalte, die sich in prekären Lebenslagen befinden, über keine angemessene Wohnsituation verfügen. Durch Probleme wie finanzielle Schwierigkeiten, Stellenverlust oder Sucht können Menschen ihr Zuhause verlieren. Obdachlosigkeit hat verschiedene Ausprägungen. Die Extremform ist das „Leben auf der Strasse“, aber auch Menschen, die nach Wohnungsverlust bei Bekannten oder in provisorischen Wohnsituation unterkommen, haben ihr Obdach verloren. Gemeinsam ist allen Formen, dass sie vorhandene gesundheitliche, psychische und soziale Probleme verstärken oder zusätzliche erzeugen. Dies begünstigt einen weiteren sozialen Abstieg und einen immer grösseren Ausschluss aus der Gesellschaft.
Die weltweite Situation
Die Vision der „UN-Habitat“ ist es, eine bessere Lebensqualität für alle Menschen in unserer urbanisierten Welt zu schaffen. In der privilegierten Schweiz stechen diesbezüglich die Probleme mit der Obdachlosigkeit heraus, doch in anderen Teilen der Welt ist das Leid noch ungleich grösser. Slums in Mumbai, Favelas in Rio de Janeiro oder Flüchtlingscamps wie Moria auf Lesbos; überall dort leben die Menschen unter schlimmen, menschenunwürdigen Bedingungen. Katastrophale Ereignisse wie das Erdbeben vor fünf Jahren in Nepal oder die diesjährige Explosion in Beirut verschlimmern die Wohnsituation vor allem der armen Menschen. Fehlende Kanalisation fördert Krankheiten, fehlende Elektrizität verschärft die soziale Ausgrenzung, und wer keinen Zugang zu sauberem Wasser hat, dem fehlt die wichtigste Ressource zum Leben.
Mit dem UN-World Habitat-Tag am kommenden Montag soll jeder Mensch aufgefordert werden, über den Zustand unserer Städte und Dörfer sowie über das Grundrecht aller auf einen angemessenen Schutz nachzudenken. Wir alle haben die Macht und die Verantwortung, die Zukunft unserer Gemeinden nachhaltig und egalitär zu gestalten. Wir sollten bei uns zuhause anfangen und nicht eher aufhören, bis auch im letzten Winkel der Erde die Menschen über angemessenen Wohn- und Lebensraum verfügen.
Möglichkeiten zum Mitmachen
Um die Wohnsituation der Menschen international zu verbessern kann man beispielsweise die Organisation „Habitat Germany“ unterstützen. Sie ist Mitglied der „Aktion Deutschland Hilft“ und sammelt hauptsächlich Spenden für internationale Projekte, um Lebensraum für Menschen zu schaffen. Als Mitglied des Global Compact Netwerk bringt sie darüber hinaus die Industrie mit Non-Profit-Organisationen zusammen. Habitat Germany pflegt Partnerschaften mit internationalen Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Rahmen des Global Village Sending Program reisen jedes Jahr rund 15 Schülerinnen und Lehrerinnen in verschiedene Regionen der Erde, um vor Ort den Menschen beim Bau oder der Renovierung ihres Obdach zu helfen. Auch Privatpersonen können mitbauen oder die Organisation mit Spenden unterstützen.
Eine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Schweizer Tafel sowie das Spenden von Nahrungsmitteln oder Geld bieten eine Möglichkeit, nicht nur die Situation der von Armut betroffenen Schweizerinnen und Schweizer zu verbessern, sondern im Kampf gegen Food Waste auch der Umwelt etwas Gutes zu tun. 8,2% der Schweizer Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, trotzdem landen jährlich etwa 2 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. 16 Tonnen dieser einwandfreien Nahrungsmittel werden täglich in 12 Regionen der Schweiz an soziale Institutionen und Abgabestellen verteilt – dies ist nur möglich dank dem Engagement freiwilliger Helferinnen!
Quellen und weitere Informationen:
UN-Habitat: Strategy
UN: World Habitat Day
FHNW: Studie zur Obdachlosigkeit in der Schweiz
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