Ratgeber: Klima-Check – Die wichtigsten Begriffe

Das Meereis erhöht die Erdalbedo - aber was ist sie genau? Das Meereis erhöht die Erdalbedo - aber was ist sie genau?

Wofür steht eigentlich das Kürzel „CO2eq“? Was ist der Lock-in-Effekt und was bedeutet “CO2-neutral“ wirklich? Viele Begriffe aus der Klimaforschung sind schwer verständlich. In diesem Ratgeber erklären wir einige der wichtigsten Terminologien.

Aerosole

Mit Aerosol werden in der Meteorologie feste oder flüssige, in der Atmosphäre schwebende Partikel bezeichnet. Sie können ganz natürlich entstehen, wenn beispielsweise ein Vulkan ausbricht und Asche in die Atmosphäre spuckt oder wenn der Wind Salzwassertröpfchen vom Meer aufwirbelt und kleinste Meersalz-Kristalle in die Luft geraten. Aerosole entstehen aber auch durch menschlichen Einfluss, z.B. durch das Verbrennen von Holz oder fossilen Brennstoffen. In der Diskussion um den menschengemachten Treibhauseffekt und die künftige Klimaentwicklung spielen Aerosole eine wesentliche Rolle, da sie zu einem gewissen Grad die Sonnenstrahlen reflektieren (und so einen abkühlenden Effekt haben), sie aber auch absorbieren. Setzen sich zum Beispiel aus Verbrennungsprozessen stammende Kohlenstoffpartikel auf Schnee- und Eisoberflächen ab, absorbieren sie dort Sonnenlicht, erwärmen sich und führen dadurch zu einem Abschmelzen. Weshalb Schnee- und Eisoberflächen wichtig sind, lesen Sie im nächsten Abschnitt zum Thema «Albedo».


Albedo

Die Albedo (lateinisch albedo = „Weissheit“ oder "Helligkeit"; v. lat. albus = weiss) ist ein Mass für die Helligkeit eines Körpers. Genauer ist die Albedo das Rückstrahlvermögen (physikalisch: der Reflexionsgrad) von diffus reflektierenden, also nicht selbst leuchtenden Oberflächen. Die Werte reichen von 0 (kein Licht reflektiert) bis 1 (sämtliches Licht wird reflektiert). Man kann diesen Wert auch in Prozent ausdrücken: 0 bedeutet, dass 0% der Strahlung von der Oberfläche reflektiert wird, 1 hingegen wären 100%. Je heller die Oberfläche, desto mehr von der einfallenden Sonnenstrahlung wird reflektiert. Die reflektierte Strahlung steht für die Erwärmung des Körpers nicht zur Verfügung. An einem sonnigen Sommertag ist zum Beispiel der dunkle Asphalt auf der Strasse wesentlich wärmer als eine weiss gestrichene Hausmauer, weil die hellere Mauer mehr Strahlung reflektiert. Der Planet Erde hat eine durchschnittliche Albedo von ca. 0,3. In den oberen Breitengraden bis hin zu den Polen, wo viel Schnee liegt, ist die Albedo deutlich höher als über Land- und Wasserflächen in den mittleren und niederen Breiten. Veränderungen in der Landoberfläche, z.B. durch Schmelzen von Eis und Schnee, können zu einer Veränderung der Albedo führen. Diese Veränderung hätte eine Erwärmung zur Folge, weil sie das Rückstrahlvermögen der Erde verringert.


CO2-Äquivalente (abgekürzt CO2eq oder CO2e)

Dies ist eine Masseinheit, die die Klimawirksamkeit von Treibhausgasen miteinander vergleichbar macht. Die Mengen anderer Treibhausgase (z.B. Methan) werden umgerechnet in die Menge an Kohlendioxid (CO2), die nötig wäre, um denselben Effekt auf die Erderwärmung auszuüben. Eine Tonne Methan hat beispielsweise über den Zeitraum von 100 Jahren berechnet dieselbe Treibhauswirkung wie 28-34 Tonnen CO2. Eine Tonne Methan entspricht demnach 28-34 Tonnen CO2eq.


CO2-neutral

Oft wird die CO2-Neutralität gleichgesetzt mit «treibhausgas-neutral» oder gar «klimaneutral». Doch diese drei Terminologien sind nicht gleichbedeutend: Wer das Ziel der Kohlendioxid-Neutralität ausgibt, spricht lediglich über seine CO2-Emissionen. Andere Treibhausgase werden damit ausgeklammert, obwohl sie teils stärker zur Erderwärmung beitragen als das CO2: Methan zum Beispiel ist etwa 25-mal, Lachgas (Distickstoffmonoxid) 298-mal und Fluorkohlenwasserstoff sogar 5200-mal so schädlich wie dieselbe Menge an Kohlendioxid (jeweils bei Betrachtung über 100 Jahre). In Industrien mit einem hohen Anteil an anderen Treibhausgas-Emissionen — z.B. in der Landwirtschaft mit seinen hohen Methan- und Lachgas-Emissionen — macht es einen erheblichen Unterschied, wenn lediglich von der CO2-Neutralität gesprochen wird. Die begriffliche Unschärfe kann ausgenutzt werden, um die eigenen Klimaziele grösser erscheinen zu lassen oder Minderungspflichten kleiner zu halten.


Lock-in-Effekt

Der Lock-in-Effekt (von engl. lock-in = einschliessen) beschreibt eine Situation, in der eine Änderung der aktuellen Lage durch hohe Kosten ihrer Veränderung unwirtschaftlich wird, selbst wenn es viele andere Vorzüge brächte. Ein prominentes Beispiel sind fossile Brennstoffe: Hier spricht man vom sogenannten „Carbon lock-in“ (Kohlenstoff-Lock-in), wonach auf fossilen Brennstoffen basierende Energiesysteme die Einführung alternativer Energietechnologien behindern. Lock-ins aller Art ergeben sich aus der gemeinsamen Entwicklung grosser, voneinander abhängiger technologischer, wirtschaftlicher und sozialer Netze und Institutionen. Die Vernetzung dieser Systeme macht es mit zunehmender Grösse schwieriger, Veränderungen einzuführen. Es kann Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis Infrastrukturen, Einrichtungen oder Geräte durch neue Technologien ersetzt werden.


Graue Energie

Graue Energie ist der indirekte Energieverbrauch, der über den Lebenszyklus eines Produktes anfällt, ohne den direkten Energieaufwand bei dessen Benutzung mit einzuberechnen. Graue Energie addiert sich somit zur gesamten Energie, die ein Produkt verbraucht. Dazu zählt die Energie, die für die Gewinnung der Rohstoffe für das jeweilige Produkt, seine Herstellung, seinen Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung oder das Recycling benötigt wird. Zur grauen Energie zählt zusätzlich jene, die für die Verpackung eines Produkts oder (anteilsmässig) für die Produktion der Maschinen, die wiederum ein Produkt herstellen, benötigt wird. Je nach Konsumgut kann der Energieverbrauch durch solche Details massiv steigen.


Overshoot

Obwohl sich die Weltgemeinschaft darauf geeinigt hat, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 C zu begrenzen, könnte dieses Ziel zeitweilig überschritten werden. Laut diesem Szenario würden die Temperaturen in der Mitte des 20. Jahrhunderts stärker ansteigen, bevor sie in der zweiten Hälfte dank nachhaltiger Emissionsreduktionen wieder fielen. Ein Overshoot (engl. für über etw. hinausschiessen) ist unvermeidbar, wenn die Emissionen nicht schnell genug reduziert werden. Auch eine nur vorübergehende Überschreitung der Temperaturziele wird das Risiko gefährlicher Folgen erhöhen.


Rebound-Effekt

Durch Effizienzmassnahmen erzielte Ressourceneinsparungen gehen häufig mit einem steigenden Ressourcenverbrauch einher — dieses Paradox bezeichnet man als Rebound-Effekt (vom engl. rebound = Rückprall). Die mögliche Ursache: Effizienzsteigerungen senken oft die Kosten für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Die nun eingesparten Kosten nutzen Konsumentinnen und Konsumenten, um mehr zu kaufen und zu verbrauchen.


Resilienz

Dies bezeichnet die Fähigkeit gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder ökologischer Systeme, ein bedrohliches Ereignis, eine gefährliche Entwicklung oder eine Störung durch eine Reaktion oder Neuorganisation auf eine Weise abzufedern, die die grundlegende Funktion, Identität und Struktur des Systems erhält. Die Resilienz vieler Ökosysteme wird beeinträchtigt, wenn sie viele Gefahren auf einmal abwenden müssen — aktuell jene des Klimawandels, der Übernutzung durch den Menschen, der Verschmutzung und dramatischer Artenverluste. Mit der Gesundheit von Ökosystemen verhält es sich ähnlich wie bei uns: Ein gesundes System kann Angriffe besser abwenden — und ist somit resilienter — als ein bereits verwundetes.


Tipping Point

Mit dem Tipping Point ist in der Klimaforschung der „Kipp-Punkt“ gemeint, der beim Erreichen eines bestimmten Niveaus der Erderwärmung abrupt eintritt und dessen Auswirkungen danach nicht mehr zu stoppen sind. Ist die Schwelle eines Tipping Points erreicht, können die Prozesse, die damit ausgelöst werden, auch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Als möglicher Kipp-Punkt im Klimasystem gilt beispielsweise das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes: Je dünner der Eisschild wird, desto häufiger werden Perioden auftreten, in denen die Oberfläche zu tauen beginnt. Das Abschmelzen beschleunigt sich damit selbst und würde über eine längere Zeitspanne zu einem Anstieg des Meeresspiegels von etwa 7 Metern führen. Der Tipping Point für das vollständige Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds könnte bereits ab einer globalen Erwärmung von 1,5 bis 2°C erreicht werden.

 

Quellen und weitere Informationen:
Myhre, G. et al. (2013): Anthropogenic and Natural Radiative Forcing
Boers, N. und M. Rypdal (2021): Critical slowing down suggests that the western Greenland Ice Sheet is close to a tipping point
Unruh, G. C. (2002): Escaping carbon lock-in 

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