Wechselbeziehungen, aus denen beide oder auch nur ein Partner Vorteile ziehen, werden als Symbiosen bezeichnet. Der Parasitismus ist eine einseitige Beziehung, in der ein Partner den anderen ausnutzt. In diesem Artikel lassen wir den Parasitismus aber aussen vor und befassen uns stattdessen mit der mutualistischen Symbiose. Beim Mutualismus gehen verschiedene Pflanzen-, Tier- und Bakterienarten eine Beziehung zum gegenseitigen Nutzen ein. Solche Verbindungen festigten sich durch Ko-Evolution der Involvierten über teils Millionen von Jahren.
Was schon Darwin wusste
Im Jahr 1862 entdeckte Charles Darwin den Stern von Madagaskar, eine Orchideenart. Er stellte fest, dass sich der Nektar der Pflanze ganz am Ende des bis zu 40cm langen Blütensporns befindet und sagte deshalb voraus, dass es ein Tier mit sehr langem Rüssel geben müsse, damit die Pflanze überhaupt bestäubt werden kann. Mehr als hundert Jahre später schliesslich wurde Darwins These bestätigt: Der Nachtfalter Xanthopan morganii konnte erstmals fotografiert werden und entsprach mit seinem einzigartig langen Rüssel ziemlich exakt den Vorstellungen Darwins. Nun stellt sich bloss noch die Frage, wieso. Warum nur haben sich Orchidee und Falter so entwickelt? Eine solche Ko-Evolution kommt schliesslich nur zustande, wenn für beide Arten Vorteile herausspringen. Tatsächlich kann sich die Orchidee sicher sein, dass durch ihre extravagante Form die Bestäubung ausschliesslich mit Pollen ihrer eigenen Art stattfindet. Da sich keine anderen Nektarliebhaber angepasst haben, muss der Falter wiederum seine nur schwer erreichbare Nahrungsquelle mit keinen Konkurrenten teilen.
Eine Symbiose aus dem Lehrbuch
Flechten sind das Produkt einer Symbiose von Pilzen und Algen. In einer Art Mini-Ökosystem betreiben Grün- oder Blaualgen Photosynthese und produzieren Kohlenhydrate, die teilweise von den Pilzen (Mykobionten) aufgenommen und als Nährstoffe weiterverwertet werden. Die Pilze ihrerseits lassen den Algen Wasser, Mineralstoffe und Kohlendioxid zukommen und bieten ihnen ausserdem Schutz vor UV-Strahlung und Austrocknung, indem sie sie in den eigentlichen Flechtenkörper einschliessen. Besonders in extremen Umweltbedingungen wie auf humusfreien Gesteinsflächen oder in trockenen Gebieten wie im Hochgebirge und in der Arktis könnten weder die Pilze noch die Algen ohne ihren Symbiose-Partner überleben. Der Zusammenschluss von Alge und Pilz zur Flechte ist ein Erfolgsmodell: Schliesslich findet er bereits seit geschätzten 600 Millionen Jahren statt.
Ihr damaliger Wissensstand liess Forscher lange glauben, dass jeweils nur eine Pilzart für eine Symbiose mit einer Alge zuständig sei. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Dinge um einiges komplizierter sind als gedacht: Kanadische und schwedische Wissenschaftler berichteten vor einigen Jahren im Fachmagazin «Current Biology» von Flechten, für die sich bis zu drei Pilzarten mit Algen zu einer Symbiose zusammenschliessen. In Erbgutproben der Wolfsflechte und verwandten Arten aus verschiedenen europäischen und nordamerikanischen Regionen wurden neben den schon bekannten Schlauchpilzen auch häufig Hefe- und Ständerpilze gefunden. Deren Rolle in der Symbiose verschiedener Flechtenarten wird nun weiter erforscht.
Anstehen bei der „Putzerstation“
Tropische Korallenriffe bersten nur so vor Leben. Sie beherbergen hunderttausende Organismen, von mikroskopisch kleinen Korallenpolypen und Würmern über paradiesisch gefärbte Rifffische zu den bedächtig, aber aufmerksam patrouillierenden Grossräubern. Sie alle residieren in kleinen räumlichen Entfernungen zueinander. Allmählich haben sich daraus hochentwickelte Interaktionsformen entwickelt. Putzerlippfische beispielsweise haben sich auf das Abfressen von Parasiten und Geweberesten von Haut, Flossen, Kiemen und Zähnen anderer Fische spezialisiert. Riffbewohner begeben sich zu den «Putzerstationen», um gesäubert und vor allem von Parasiten befreit zu werden. Bei dieser Symbiose gilt die stillschweigende Vereinbarung, dass Putzerfische Helfer und keine Mahlzeit sind. So können sie auch ganz entspannt die Kiemenhöhle oder gar den Rachen von Raubfischen säubern, ohne dass ihnen dabei ein Haar gekrümmt wird. Haben die «Kunden» allerdings genug, geben sie dies den Putzerfischen mit leichten Abwehrbewegungen zu verstehen. Als Putzerfisch fasst man dies am besten als Zeichen zum Rückzug auf...
Solche mutualistischen Symbiosen sind in der Natur sehr viel weiter verbreitet, als wir es ihr landläufig zugestehen. Längst nicht alle sind derart spezialisiert wie jene zwischen dem Nachtfalter und dem Stern von Madagaskar. Alle taugen aber zum Gegenentwurf des Bildes von der „grausamen Natur“, in der nur die parasitischen oder räuberischen Überlebensstrategien verlässlichen Erfolg versprechen.
Quellen und weitere Informationen:
Uni Bern: Der Stern von Madagaskar
Flechten
Utah State University: Lichens
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