Gemäss einer Erhebung des Bundesamts für Statistik nahm die Siedlungsfläche zwischen 1992/97 und 2004/09 jede Sekunde um 0.69 m2 zu. In einer Stunde entspricht dies einer Fläche von knapp 42 m2 – das entspricht einem grossen Wohn- & Esszimmer. Während Siedlungsfläche entsteht, verschwindet Landwirtschafts- und Alpfläche in der Schweiz. Umso wichtiger ist, dass die Fläche zumindest in nachhaltiger und langfristiger Weise bebaut wird.
Im Folgenden sollen Ansätze des nachhaltigen Bauens und verschiedene Standards aufgezeigt werden.
Nachhaltige Aspekte
Nachhaltiges Bauen soll einerseits unseren Wohnkomfort nicht einschränken, aber auch auf die Umwelt Rücksicht nehmen und dabei trotzdem erschwinglich bleiben. Einige Kriterien:
- Es werden langlebige, schadstoffarme Baustoffe verwendet, welche recycelt werden können.
- Idealerweise produzieren Gebäude mehr Energie als sie verbrauchen. Eine hochwertige Dämmung reduziert den Energieverbrauch. Die restliche Energie wird durch erneuerbare Energieträger abgedeckt (beispielsweise Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie, Wärmepumpe etc.). Durch die effiziente Dämmung und Berücksichtigung erneuerbarer Energien kann der CO2-Ausstoss auf ein Minimum reduziert werden.
- Innovative Technik hilft den Verbrauch von Heizung, Beleuchtung sowie Haushaltsgeräten zu vermindern.
- Die Raumaufteilung erbringt den Spagat zwischen den Bedürfnissen eines Einzelnen sowie den Ansprüchen aller Siedlungsbewohner und passt sich an veränderte Wohnbedürfnisse an.
Niedrigenergiehaus / Niedrigstenergiehaus
Der Begriff Niedrigenergiehaus ist nicht genau definiert. Grundsätzlich wird darunter ein Haus verstanden, welches deutlich weniger Energie benötigt als das konventionelle Pendant. Zur Minimierung des Heizwärmebedarfs ist eine gute Dämmung zentral sowie das Vermindern von Wärmebrücken (Dämmung wird durchbrochen durch Bauteile, hier fliesst Wärme ab). Wohn- und Aufenthaltsräume werden sonnenseitig mit grossen Fenstern geplant, um die Sonnenstrahlung nutzen zu können. Meist verfügen die Häuser über eine Lüftungsanlage, welche die Abwärme nutzt. Der restliche Wärmebedarf wird durch nachhaltige Energieträger beschafft.
In Deutschland spricht man inzwischen vom Begriff Effizienzhaus (nach der Energieeinsparverordnung EnEV). Aktuelle Neubauten haben mindestens den Effizienzhaus-100-Standard. Das bedeutet, dass der Jahresprimärenergiebedarf und der Wärmeverlust nicht höher sein dürfen, als beim Referenzobjekt (max. Jahresprimärenergiebedarf: 100 kWh/m2). Diese Grenzwerte werden mit technologischem Fortschritt laufend angepasst. Im Prinzip gelten alle Häuser, welche den Energiestandard des Referenzhauses unterschreiten als Niedrigenergiehäuser. Häuser, welche den Bedarf um rund die Hälfte unterschreiten (Effizienzhaus 55) gehören zur Energieklasse B. In Österreich darf das Energiesparhaus maximal 50 kWh/m2 benötigen. Das Label “Minergie“ in der Schweiz ist vergleichbar mit obengenannten Konzepten, hat jedoch eine strengere Auflage von 38 kWh/m2.
Der Übergang zum Niedrigstenergiehaus ist dabei nicht genau definiert. Während in Österreich das Niedrigstenergiehaus nur max. 25 kWh/m2 benötigen darf, liegt der Wert des Schweizer Minergie-P-Labels höher. In Deutschland ist das Pendant des Niedrigstenergiehauses nicht genau definiert. Aber bereits das Effizienzhaus 40 fällt in die Energieklasse A.
Passivhaus
Das Passivhaus bewegt sich im Niedrigstenergieverbrauch. Dabei handelt es sich um ein Baukonzept und nicht um einen Markennamen. Es überschreitet den Maximalwert von 10 kWh/m2 nicht (dies entspricht einem maximalen Verbrauch von 1.5 l Heizöl/m2). Die Gebäudehülle ist dazu wärmebrückenfrei sowie luft- und winddicht. Des Weiteren sind Vorschriften zur Effizienz von Lüftung, Fensterverglasung und Haushaltsstrom einzuhalten. Das Passivhaus verfügt über kein traditionelles Heizsystem, sondern über eine Erwärmung der Zuluft, welche als alleinige Wärmequelle ausreicht.
Null-/Plusenergiehaus
Das Nullenergiehaus deckt den gesamten Strombedarf durch Sonnenenergie und einen Teil des Wasserbedarfes durch Regenwasser ab. Insgesamt entspricht der Energieverbrauch mindestens der Energieproduktion. Das Haus ist zwar im Schnitt energieneutral, aber meistens nicht energieautark. Wird mehr Energie produziert und kann diese gespeichert werden, handelt es sich um ein Plusenergiehaus. Ein Passivhaus kann zugleich ein Null-/Plusenergiehauses sein, dies ist aber nicht zwingend.
Die Minergie-A-Zertifizierung in der Schweiz begrenzt auch die graue Energie, welche zur Erstellung und beim Rückbau der Materialien anfallen. Eine Minergie-A-Baute darf über einen Primärenergiebedarf bis 15 kWh/m2 verfügen, solange dieser mindestens zu 50 % durch solarthermische Anlagen erreicht wird.
Schweiz | Deutschland | Österreich | |
Niedrigenergiehaus | Minergie max. 38 kWh/m2 entspricht 3.8 l Heizöl/m2 |
KfW Effizienzhaus 55 Max. 55 kWh/m2 Energieklasse B |
Energiesparhaus Max. 50 kWh/m2 Energieklasse B |
Niedrigstenergiehaus (Nearly Zero Energy Building) | Minergie-P max. 30 kWh/m2 entspricht 3 l Heizöl/m2 |
KfW Effizienzhaus 40 Max. 40 kWh/m2 Energieklasse A |
Niedrigstenergiehaus Zwischen max. 15-25 kWh/m2 Energieklasse A / A+ |
Passivhaus | Fällt in Minergie-P-Zertifizierung | Max. 15 kWh/m2 Entspricht 1.5 l/m2 |
Max. 10 kWh/m2 Energieklasse A++ |
Null-/Plusenergiehaus | Minergie-A 0 kWh/m2 Bzw. < 15 kWh/m2 |
0 kWh/m2 | 0 kWh/m2 |
Kritik Minergie
Die Zertifizierungsstelle Minergie ist privatwirtschaftlich organisiert, arbeitet aber mit dem Bund zusammen. Die Monopolstellung der Zertifizierungsstelle wird immer wieder kritisiert. Für vielerlei Fördergelder ist die Zertifizierung Minergie nötig. Die Konzeption von Minergie verlangt zwingend eine Lüftungsanlage. Experten der Baubranche sowie der Forschung verweisen jedoch auch auf andere Konzeptionen, welche den Energieverbrauch einschränken, aber ohne Lüftung funktionieren. Kritiker fordern andere Kriterien wie beispielsweise Emissionsfreiheit.
Auch wurden in der Vergangenheit die Baustoffe von Minergie-Bauten beanstandet. So wurden beispielsweise produktionsintensive, unökologische Baustoffe zur Dämmung verwendet, was dem ökologischen Gedanken der Konzeption zuwiderläuft. Darauf hat Minergie 2005 mit der Zusatz-Zertifizierung “Eco“ reagiert. Dieser Zusatz ist bei allen Minergie-Zertifizierungen möglich. Die zusätzliche Auszeichnung wurde in Zusammenarbeit mit eco-bau entwickelt, um vernachlässigten Kriterien wie der grauen Energie, der Art der Baumaterialien, Rückbaufähigkeit sowie gesundheitlichen Aspekten wie Tageslicht, Schallschutz und Innenraumklima Rechnung zu tragen.
Die Zertifizierungskosten starten für ein Wohngebäude bei 900 Fr. (Minergie, < 500 m2) und reichen bis zu einigen tausend Franken (je nach Zertifikat und Grösse des Gebäudes).
Im nächsten Artikel der Serie wird auf die Wohnlandschaft Schweiz genauer eingegangen.
Weiterführende Informationen/Quellen:
Bundesamt für Statistik, Siedlungsfläche
Innovative Gebäude
Minergie, Baustandards
Minergie, Gebühren
Energiestandards Deutschland
Das Niedrigstenergiehaus
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