Die Staumauer - Ein schmaler Grat

Staumauern stellen einen gravierenden Eingriff in die Natur dar. Doch nur dank ihnen kann sich die Schweiz mit ihren erneuerbaren Energien preisen. Staumauern stellen einen gravierenden Eingriff in die Natur dar. Doch nur dank ihnen kann sich die Schweiz mit ihren erneuerbaren Energien preisen.

Wasserkraft ist klimafreundlich, effizient und preisgünstig. Trotzdem wird ihr weiterer Ausbau in der Schweiz von den meisten Naturschutzorganisationen nicht unterstützt. Im zweiten Teil unserer Artikelserie zu den Erneuerbaren werfen wir nicht zuletzt auch einen Blick auf die Gründe dafür.

 Dank ihrer Topografie und der beträchtlichen durchschnittlichen Niederschlagsmenge besitzt die Schweiz ideale Bedingungen für die Wasserkraftnutzung. Rund 56% des schweizerischen Strombedarfs werden mittels Lauf- und Speicherkraftwerken gedeckt. Somit ist die Wasserkraft die wichtigste einheimische Energiequelle und deckt mit 96% fast den gesamten Anteil der erneuerbaren Stromproduktion ab.

Ein Blick in die Vergangenheit

Das erste kleine Wasserkraftwerk in der Schweiz wurde 1879 in St. Moritz gebaut. Mit seinen 7kW diente es der Beleuchtung des Speisesaals im örtlichen Kulm Hotel St. Moritz. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts folgten weitere Kraftwerke in Alpenregionen. Zwischen 1945 und 1970 erreichte die Wasserkraft schliesslich ihre Blütezeit und es wurde auch in Laufkraftwerke und grössere Speicheranlagen im Unterland investiert. Bevor 1985 der Atomstrom in den Markt eindrang, hielt die Wasserkraft einen Anteil von 90% der inländischen Stromproduktion.
Aufgrund ihrer weitgehend emissionsfreien Produktion ist die Wasserkraft auch heute noch beliebt. Sie ist ausserdem effizient und unabhängig vom Weltmarkt der fossilen Energieträger. Da die erneuerbare Ressource sowohl Band- wie Spitzenenergie liefert und Wasserkraftwerke über eine lange Lebenserwartung verfügen, ist sie auch ökonomisch sinnvoll.

 Band- und Spitzenenergie
Die Bandenergie beschreibt den Grundbedarf an Strom, welcher in der Schweiz täglich rund um die Uhr verbraucht wird. Dieser Grundbedarf wird hauptsächlich durch Kernkraftwerke und Laufkraftwerke an Flüssen gedeckt.
Der Stromverbrauch, welcher über diesen Grundbedarf hinausgeht, wird hierzulande als Spitzenenergie bezeichnet. Sie muss dann verfügbar sein, wenn beispielsweise mittags überall die Elektroherde eingeschaltet werden oder abends die Beleuchtung angeht. Einfach regulierbare Speicherkraftwerke wie jene in den Alpen, die die Stromproduktion kurzzeitig erhöhen können, sind dabei von Vorteil.

Mehr als die Hälfte aller Wasserkraftwerke liegen in den Bergkantonen Uri, Graubünden, Tessin und Wallis. Die Kantone Aargau und Bern folgen mit ihren Flusslaufwerken gleich danach. Etwa 11% der Energie stammt ausserdem aus internationalen Kraftanlagen an Grenzgewässern.

Grosse, kleine, pumpende, laufende und speichernde – was gibt’s denn alles?

Als grosse Wasserkraftanlagen werden die heute rund 677 Anlagen bezeichnet, welche mit einer Leistung von mindestens 300kW laufen. Knapp die Hälfte dieser Zentralen sind Laufwasserkraftwerke. Diese Kraftwerke nutzen die Strömung von Flüssen und Kanälen zur Stromerzeugung und benötigen daher auch nur kleine Fallhöhen. Die andere Hälfte sind Speicherkraftwerke, welche das Wasser mittels Talsperren in einem künstlichen See anstauen und bei Bedarf zur Stromerzeugung durch die Turbinen laufen lassen. Die restlichen knapp 4.3% der schweizerischen Kraftwerke sind Pumpspeicherkraftwerke, welche Wasser nachts mit billigem, importiertem Strom in die Höhe pumpen, um dann tagsüber Spitzenenergie zu produzieren. Diese Energie zählt jedoch nicht zum erneuerbaren Anteil des Schweizer Strommix, da der Strom für die Wasserpumpen meist aus fossilen Quellen stammt.
Nebst diesen grossen Anlagen gibt es in der Schweiz um die 1000 Kleinwasserkraftwerke, welche maximal eine Leistung von 760MW erbringen. Insgesamt produzieren alle Zentralen zusammen durchschnittlich 36'700 GWh Strom im Jahr.

Fluch oder Segen?

Dank der Wasserkraft ist die Schweiz bereits seit einigen Jahren Spitzenreiterin bei der Verwendung von erneuerbaren Energiequellen. Jedoch zieht die Nutzung der einheimischen Ressource auch ihre unerfreulicheren Folgen nach sich: Von der Überflutung wertvoller Ökosysteme am Rand der Speicherseen einmal ganz abgesehen, ist der Betrieb von Wasserkraftanlagen auch eine der Hauptursachen für die ökologischen Schäden an unseren Fliessgewässern. Erst seit 1991 gibt es in der Schweiz eine Restwasserpflicht. Diese regelt den minimalen Restwasserabfluss, welcher unterhalb einer Wasserfassung im Fluss oder im Bach zurückbleiben muss. Für die Aufrechterhaltung der ökologischen Funktion eines Gewässers reicht dieses Restwasser jedoch oftmals nicht aus. Für Natur und Landschaft bedeutet das trockengelegene Bachläufe, Staumauern, stark reduzierte Abflussmengen, zerschnittene Flusslebensräume und unnatürliche Abflussdynamiken. Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft könnte daher die letzten natürlichen Fliessgewässer der Schweiz zerstören.

Ein Blick in die Zukunft

Mit der Energiestrategie 2050 ist es das Ziel des Bundes, bis in 30 Jahren eine durchschnittliche Jahresproduktion von 38'600 GWh aus der Wasserkraft zu ziehen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen bestehende Werke erneuert und ausgebaut werden. Aber auch neue Wasserkraftwerke sind - unter Berücksichtigung der ökologischen Anforderungen - in Planung. Ob das Potenzial der Wasserkraft reicht, um die Stromproduktion bis 2050 auf den gewünschten Wert zu erhöhen, ist unklar. Verschiedene Faktoren spielen hier hinein: Einerseits kann es zu Änderungen der Rahmenbedingungen für Wasserkraftwerke kommen. Durch die Erhöhung des Restwassers für den Gewässerschutz beispielsweise sinkt die Leistung eines Kraftwerkes. Das wirtschaftliche und politische Umfeld lässt ausserdem die Strompreise und somit die Nachfrage schwanken. Nicht zuletzt ist durch den Klimawandel eine Veränderung der natürlichen hydrologischen Bedingungen zu erwarten. Das Abschmelzen von Gletschern wird in den nächsten Jahren zu erhöhten Abflussmengen und somit zu einer erhöhten Stromproduktion führen. Sind die Gletscher abgeschmolzen, wird deren natürliche Speicherfunktion fehlen. Dieser Effekt könnte durch den Bau von Stauseen in den freigelegten Gletschermulden teilweise aufgefangen werden.
Weitgehend unwägbar zeigt sich demgegenüber aber auch die Entwicklung der durchschnittlichen Niederschlagsmengen. Eine überwiegende Fokussierung der Strategien auf die Wasserkraft könnte sich damit langfristig rächen.

Quellen und weitere Informationen:
SWV: Wasserkraft Schweiz
BFE: Wasserkraft
BFE: Studie zum Ausbaupotenzial der Wasserkraft in der Schweiz - 2019

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail redaktion@umweltnetz-schweiz.ch

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.