Weltweit gibt es über 600 verschiedene Cannabissorten. Jede Sorte produziert 100 verschiedene Pflanzenwirkstoffe in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Konzentrationen. Diese Cannabinoide sind die Hauptwirkstoffe sowohl der Arzneimittel aus Cannabis als auch der Cannabispräparate. Bis auf die Hauptbestandteile (THC und CBD) sind die übrigen Inhaltstoffe bisher nur wenig oder gar nicht erforscht. Forscher gehen aber davon aus, dass auch dutzende anderer Cannabinoide bei entsprechender Konzentration einen medizinischen Nutzen haben können. Die pflanzeneigenen Wirkstoffe können sich ergänzen, einander beeinflussen oder einander entgegenwirken. Das birgt eine unglaubliche Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten für die medizinische Forschung.
Forschung in Israel
Israel ist ein Pionier, wenn es darum geht, Cannabis als Heilmittel anzuerkennen und die Forschung voranzubringen. In den 1960er Jahren gelang es dem israelischen Forscher Raphael Mechoulam, die beiden Inhaltsstoffe THC und CBD zu extrahieren. Er legte damit den Grundstein für die Forschung zur medizinischen Wirkung von Cannabis. Für die Forscher sind nur die Blüten von Bedeutung, denn dort ist die Konzentration der Wirkstoffe am höchsten. Ziel ist es, alle Stoffe zu extrahieren und die ideale Zusammensetzung für den jeweiligen medizinischen Nutzen zu finden. So konnten zum Beispiel schon positive Ergebnisse bei der Behandlung von chronischen Entzündungen im Darmbereich erzielt werden.
Medizinisches Cannabis
In Israel ist Cannabis als Rauschmittel verboten. Der Anbau unterliegt strengen staatlichen Kontrollen an geheimen Orten. Auch ist nicht Cannabis an sich das anerkannte Medikament, lediglich die Behandlung mit Cannabisprodukten ist legal. Grund dafür sind die grossen Unwägbarkeiten bei der Wirkung, den Inhaltsstoffen und der Dosierung der Wirkstoffe in der naturbelassenen Pflanze. Trotzdem kaufen bis zu 600 Menschen täglich in der grössten Cannabis Apotheke des Landes Cannabispräparate in Form von Blüten und Ölen. Dies sind meist Patienten in Chemotherapie, mit chronischen Schmerzen und auch psychischen Erkrankungen wie Traumata oder Depressionen. Vor allem älteren Menschen, die vermehrt an einer Vielzahl von Gebrechen und psychischen Problemen leiden, kann so geholfen werden.
Situation in der Schweiz
Auch in der Schweiz wurde Hanf jahrhundertelang nicht nur als Faserlieferant, sondern auch für die Heilmittelproduktion angebaut. Mit den von den USA ausgehenden Kampagnen gegen den Hanf wurde Cannabis 1951 auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt, 1968 der Anbau und schliesslich 1975 auch der Konsum unter Strafe gestellt. Dabei ist Cannabis wohl die vielfältigste Heilpflanze überhaupt. Es ist kein anderer Wirkstoff bekannt, bei dem das Wirkungsspektrum so breit und die Nebenwirkungen so gering sind. Jedoch werden in der Schweiz Medikamente nur mit grossem bürokratischem Aufwand verschrieben. Ausserdem sind viele Menschen immer noch skeptisch gegenüber Cannabis eingestellt.
Wirksamkeit von Cannabis
Der Grund für die Wirksamkeit von Cannabinoiden liegt im körpereigenen Endocannabinoid-System. Die pflanzlichen oder synthetisch hergestellten Cannabinoide können darüber im menschlichen Körper wirken. Rezeptoren sind im Rückenmark, im Gehirn und im Verdauungsapparat zu finden. Das Rückenmark besitzt eine wichtige Kontrollfunktion über Schmerzimpulse und kann diese abschwächen oder auch verstärken, bevor sie ans Gehirn gelangen und bewusst als Schmerzen wahrgenommen werden. Studien ergaben, dass Cannabinoide diese Schmerzimpulse abschwächen.
Bisherige Anwendungen
Synthetisch hergestellt Cannabinoide werden für die Behandlung von Appetitlosigkeit bei HIV- und Krebstherapien und zur Linderung von Muskelspastiken bei Multipler Sklerose eingesetzt. Auch gibt es Anwendungen bei besonders schwerverlaufenden Formen von Kinderepilepsie und im Bereich der Schmerztherapie hinsichtlich Tumorerkrankungen oder chronischen Schmerzen wie z.B. Arthrose. Wie bei jedem anderen Arzneimittel auch können bei medizinischem Cannabis Nebenwirkungen auftreten. Solche Nebenwirkungen sind u.a. Schwindel, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Übelkeit und erhöhter Puls.
Warum Cannabis als Arzneimittel immer noch bei einem Grossteil der Bevölkerung verpönt ist, liegt hauptsächlich an der fehlenden Akzeptanz der Öffentlichkeit auf Grund seiner jahrzehntelangen, fast ausschliesslichen Verwendung und Wahrnehmung als einem Rauschmittel. Daraus folgen zusätzlich eine mangelnde Aufklärung und auch die fehlenden Studien über seine Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Gleichwohl ist es nur schwer zu verstehen, weshalb die Cannabisforschung nicht verstärkt gefördert und die Therapie immer noch zaghaft eingesetzt wird. Denn die Cannabistherapie hat im Vergleich zu anderen Therapieformen, wie z.B. der Schmerztherapie mit Opioiden, eine vergleichbare Wirksamkeit bei weniger Nebenwirkungen.
Quellen und weitere Informationen:
Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht: Fragen und Antworten beim medizinischen Gebrauch von Cannabis
Deutsches Bundesinstitut für Arzneitmittel und Medizinprodukte: Cannabis als Medizin - Erste Erkenntnisse aus der Begleiterhebung
Bayrischer Rundfunk: Cannabisforschung in Israel
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