Viele Zeitungsleser haben sich vergangene Woche verwundert die Augen gerieben: In der SonntagsZeitung war zu lesen, dass die Organisation Unesco-Welterbe Jungfrau-Aletsch zusammen mit Glaziologen der Universität Zürich prüft, den Aletschgletscher und Gletscherfelsen weiss anzustreichen! Auf diese Weise soll ein weiterer Rückgang des „ewigen“ Eises bekämpft werden. Die Erklärung: Während Weiß die Sonnenstrahlen reflektiert, werden sie von Schwarz absorbiert. Die Schwarzfärbung der Gletscherzunge und die grauen Gletscherflanken nehmen Wärme auf und verstärken so das Schmelzen des Eises. Um diesen Effekt abzuschwächen, sollen die Gletscherzungen und die Gletscherflanken weiß angemalt werden.
Am darauf folgenden Montag hatte der Geschäftsleiter von Unesco-Welterbe Jungfrau-Aletsch, Beat Ruppen, eine Richtigstellung veröffentlichte, in der er sich vom Bericht der SonntagsZeitung komplett distanziert. Trotzdem nahmen viele Schweizer Zeitungen das Thema auf und schrieben darüber. Sogar die deutsche Zeitung BILD publizierte einen Artikel mit dem Titel: „Und wer hat's erfunden? Die Schweizer…Umweltschützer wollen Gletscher weiß streichen“.
Tatsächlich arbeitet der Zürcher Chemiker und Doktor der Naturwissenschaften ETH, Thomas Allmendinger, an einem Projekt namens „Albedo“. Das Projekt sieht vor, Gletscher von Verunreinigungen auf der Oberfläche zu befreien, danach weiss anzustreichen und auf diese Weise aufzuhellen. Das dunkle Material stammt jedoch aus der Luft, wie beispielsweise Saharastaub, und von den umgebenden Moränen. Auf dem Gletscher schmelzen sich diese feinen Partikel in das Eis hinein und sind nur sehr schwer wieder zu entfernen. Ausserdem müsste der weisse Anstrich periodisch erneuert werden, da sich auch darauf Saharastaub und sonstige Partikel niederlassen werden. Beat Ruppen hält wenig von solchen Massnahmen: „Wir wollen keinen Zustand erhalten, der den aktuellen Naturprozessen nicht (mehr) entspricht. Auch wenn diese Naturprozesse teils durch den Menschen (Klimaänderung) verursacht sind. Der Aletschgletscher ist eine Naturlandschaft und unterliegt einem stetigen Wandel.“.
"Die Vorschläge sind sinnlos und auch aus einer Naturschutzphilosophie völlig falsch."
Beat Ruppen (Geschäftsleiter UNESCO-Welterbe Jungfrau-Aletsch)
Neusten Schätzungen zufolge werden die Gletscher in der Schweiz 2100 verschwunden sein. Für viele Ski- und Feriendestinationen sind die Gletscher aber sehr wichtig. Einerseits sind sie als Wahrzeichen von Regionen bekannt, andererseits sind Skipisten auf ihnen angelegt. Die Berggebiete versuchen mit unterschiedlichen Methoden, den Gletscherschwund aufzuhalten. Verbreitet ist die Abdeckung mit Vliesen. Unter diesem Hitzeschutz schmilzt das Eis nur ein Drittel so schnell wie ausserhalb. Doch auch das hilft nur kurzfristig. Langfristig würden nur sinkende Temperaturen ein weiteres Abschmelzen verhindern. Für den Klimaexperten von WWF, Patrick Hofstetter, zeigen diese „teuren und grotesken“ Massnahmen sehr deutlich unsere Hilflosigkeit beim Kampf gegen die Klimaveränderung.
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