Hitzesommer 2015
Im Sommer 2015 herrschte Rekordhitze – zum zweiten Mal nach 2003 erlebten wir eine extreme Hitzeperiode. Der Juli war in einigen Landesteilen mit Temperaturen über 40 Grad sogar der heisseste Monat, der je in der Schweiz gemessen wurde.
Der Begriff „Hitzesommer“ wurde folglich erneut zum medialen Schlagwort. Er wurde in den Medien mit Wasserknappheit, Trockenheit, Waldbrandgefahr, Luftqualität, Hitzeinseln in den Städten, beschleunigte Gletscherschmelze und Hitzesterblichkeit in Verbindung gebracht.
Bis 2003 war der Begriff gänzlich unbekannt. Die Temperaturen stiegen um ganze zwei bis drei Grad – Klimatologen registrierten den heissesten Sommer seit 500 Jahren. Man sprach in Expertenkreisen sogar von einem Ereignis, das höchstens einmal pro Jahrtausend vorkommt.
Dann der Sommer 2015. Dieser war zwar weniger intensiv, aber seine Auswirkungen waren in einigen Bereichen vergleichbar mit denen des Sommers 2003.
„ Die Schweiz wird 2015 zum zweiten Mal nach 2003 von einer markanten Hitzeperiode und einer ausgeprägten Trockenheit heimgesucht. Was heute noch als aussergewöhnliches Ereignis wahrgenommen wird, dürfte bis Mitte des 21. Jahrhunderts wegen des Klimawandels zum Normalfall werden. Die Analyse der Auswirkungen des Sommers auf Mensch und Umwelt ist deshalb eine wichtige Grundlage für die Anpassung an den Klimawandel.“ - Sommer 2015: Hitze, Trockenheit und Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, S. 9.
Deshalb arbeiteten mehrere Schweizer Bundesämter und Institute zusammen, um die meteorologischen, hydrologischen und glaziologischen Ereignisse des Sommers und des Herbstes 2015 zu analysieren, und die Folgen für die Wasserwirtschaft, die Landwirtschaft, den Wald, die Biodiversität, die Luftqualität, die Gesundheit und die Stromproduktion zu dokumentieren.
Die Ziele: Massnahmenoptimierung und die bessere Einschätzung im Umgang mit Hitze und Trockenheit.
Die Ergebnisse finden sich nun in der vorliegenden 110-Seiten-starken Studie. An der Studie beteiligt waren: das Bundesamt für Umwelt (BAFU), für Gesundheit (BAG), für Bevölkerungsschutz (BABS), für Energie (BFE), für Landwirtschaft (BLW), für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz), für Statistik (BFS), das Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut Swiss (TPH), die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), die Universität Freiburg, die Eidgenössische. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF).
Auswirkungen auf die Sterblichkeit 2015 ähnlich wie 2003
Dramatische Konsequenzen hatte der Sommer 2015 auf die Gesundheit. So waren mehr hitzegbedingte Todesfälle zu beklagen als in einem normalen Jahr. In den Monaten Juni bis August 2015 wurden 804 Todesfälle mehr registriert – die Sterblichkeit stieg um 5,4 Prozent. Betroffen waren überwiegend ältere Menschen.
Fazit der Studie: Die Sterblichkeit im Sommer 2015 ist vergleichbar mit derjenigen im Sommer 2003.
Andererseits griffen aber auch die behördlichen Massnahmen – wie Hitzewarnungen und Hitzepläne. Bund und Kantone warnten vor den gesundheitlichen Auswirkungen der Hitze und informierten die Bevölkerung über das richtige Verhalten – viel Trinken und wenig körperliche Anstrengung. In verschiedenen Regionen erhielten Risikogruppen zusätzliche Unterstützung.
So konnte in der Region um Genf, wo nach 2003 Hitzepläne erstellt wurden, dank spezieller Betreuung gefährdeter Personen die Hitzesterblichkeit gegenüber 2003 gesenkt werden.
Die Empfehlung: Dennoch, im Ganzen bleibt es laut der Studie relevant, die Massnahmen der Kantone und Gemeinden genauer zu analysieren. So sollen die stellenweise unterschiedlichen Massnahmen koordiniert werden und Hitzepläne in den Kantonen mit hohem Risiko auch wirklich umgesetzt werden.
Besonders Stadtbewohner leiden unter der Hitze
Die Luftzirkulation ist im Sommer in Grossstädten sehr gering. - bannosurke, fotolia.com
Da Städte durch den sogenannten Backofeneffekt – die versiegelten Böden speichern die Wärme und verstärken deshalb die Hitze – besonders betroffen sind, machte die Sommerhitze vor allem der Bevölkerung in Stadt und Agglomerationen zu schaffen. Erschwerend kommt hinzu, dass es in der Nacht nicht abkühlt.
Die Konsequenzen: Langfristig soll es darum gehen, diesen Backofeneffekt zu minimieren und unsere Städte so zu gestalten, dass sie auch bei extrem hohen Temperaturen eine angenehme Aufenthalts- und Lebensqualität bieten. Dazu müssen genügend Freiräume mit Grünflächen und Schattenplätzen geplant und gesichert werden. Zudem müssten durch Baumassnahmen die Zirkulation und Zufuhr von Frischluft aus dem Umland gewährleistet werden – Stichwort: klimanangepasste Stadtentwicklung.
Wasserversorgung 2015 weniger angespannt als 2003
Die Trinkwasserversorgung geriet im Sommer 2015 wegen Hitze und Trockenheit nur lokal und in geringem Ausmass unter Druck. Die Wasserentnahmen zur landwirtschaftlichen Bewässerung mussten zwar regional eingeschränkt werden, im Vergleich zu 2003 war die Situation aber weniger angespannt. Hier hat man aus den Erfahrungen 2003 gelernt. Aber trotzdem gibt es hier Optimierungspotenziale.
Bezüglich Trockenheit war die Situation 2015 weniger angespannt als 2003, weil die Massnahmen zur kurzfristigen Bewältigung der Wasserknappheit ihre Wirkung zeigten. - Leo Lintang, fotolia.com
Die Massnahmen: Um die Trinkwasserversorgung auch in Trockenperioden zu gewährleisten, werden eine entsprechende Nutzungsplanung, die Vernetzung der Wasserversorgungen sowie je mindestens zwei unabhängigen Bezugsquellen empfohlen. Darüber hinaus sind die Grundwasservorkommen als wichtigste Trinkwasserressource weiterhin zu sichern und zu schützen.
Biodiversität
Die Auswirkungen der Trockenheit und Hitze auf Pflanzen können, laut der Studie, erst in einigen Jahren beurteilt werden. Das heisst, je nach Witterung in den kommenden Jahren wird die Natur den Hitzesommer 2015 mehr oder weniger ausgleichen können.
Das heisst: Zwar wurde die Biodiversität während der Extremhitze 2015 deutlich beeinflusst, aber, sofern sich ähnliche Bedingungen nicht unmittelbar wiederholen, seien keine dauerhaften Folgen zu befürchten.
Massnahmen: Die Kantone griffen bei den Massnahmen zugunsten der Biodiversität auf Erfahrungen aus dem Hitzesommer 2003 zurück. Laut der Umfrage durch die Autoren der Studie wurden als häufigste Massnahme – neben einem allgemeinen Feuerverbot im Freien – Notabfischungen genannt, um Fische aus austrocknenden Gewässerabschnitten in Abschnitte mit genügender Wasserführung umzusiedeln.
Zwar wurden zahlreiche kleine Walbrände gemeldet, grössere Ereignisse blieben dank intensiver Information, Überwachung und ausgedehnter Feuerverbote aus. - aheflin, fotolia.com
Stromproduktion
Aufgrund der Trockenheit produzierten die Laufwasserkraftwerke in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 deutlich weniger Strom als üblich. Dort wo Schmelzwasser fehlte, wurden Kleinwasserkraftwerke sogar teilweise ganz abgestellt. Aber, über das ganze Jahr betrachtet, lag die Stromproduktion jedoch über dem Durchschnitt der früheren Jahre.
Die Ursachen: das überdurchschnittliche Frühjahr und die Entleerungen der Speicherseen im Herbst.
Witterung, Gewässerzustand und Gletscher
Da die Trockenheit sich bis zum Jahresende fortsetzte, blieben die Wassertemperaturen in den Flüssen und Bächen während dem Sommer 2015 nur wenig unter denjenen in 2003.
Die Fliessgewässer ohne Gletschereinfluss führten ausgeprägtes Niedrigwasser. Die Pegelstände der nicht regulierten und kleinen Seen des Mittellandes waren teilweise aussergewöhnlich tief.
Die Gletscher verloren überdurchschnittlich viel Eis, und die Permafrostböden wurden so warm wie noch nie seit Beginn der Messungen.
Die Folge: Es lösten sich in den Alpen sehr viele Felsstürze, und Blockgletscher bewegten sich sogar schneller als im Hitzesommer 2003.
Fazit: Klimaschutz statt Symptombekämpfung
Die Autoren der Studie betonen in ihrem Fazit, dass der Klimaschutz durch die Reduktion der Treibhausgasemissionen oberste Priorität habe.
„Der wichtigste Hebel im Kampf gegen die Zunahme von Hitze und Trockenheit ist und bleibt die Reduktion des Treibhausgasausstosses, denn dieser setzt bei der Ursache an. Nur wenn es uns gelingt, den Klimawandel zu begrenzen, sind Anpassungsmassnahmen möglich und bezahlbar. In Paris wurde 2015 ein neues Klimaschutzabkommen beschlossen. Die Schweiz wird diesem voraussichtlich 2017 beitreten. Bis 2030 wird sie ihren Treibhausgasausstoss um 50 % reduzieren, 30 % im Inland. Weitere Reduktionen werden folgen müssen, damit ein Sommer in den 2050er-Jahren nicht noch heisser wird als der Sommer 2015 war.“ - Sommer 2015: Hitze, Trockenheit und Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, S. 8.
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