Die Klimakatastrophe und das Massenaussterben bringen seit Monaten Menschen jeden Alters und mit verschiedenstem Hintergrund auf die Strassen. Neben der international bekannten und verbreiteten Gruppe FridaysforFuture sorgt Extinction Rebellion zurzeit für mediale Aufmerksamkeit. Extinction Rebellion – abgekürzt nur XR und zu Deutsch „Rebellion gegen das Aussterben“ – geht mit ihren Handlungen ein Stück weiter als die Schulstreiks. Die Ziele von FridaysforFuture und XR sind grundsätzlich die gleichen, doch die beiden Aktivistengruppen verfolgen unterschiedliche Taktiken. Die herkömmlichen Klimaproteste konnten bisher keine reelle Veränderung herbeiführen. Die internationale Massenbewegung Extinction Rebellion wählt deshalb einen neuen Ansatz. Ihre Handlungen sind teilweise illegal, aber ihrer Ansicht nach stets legitim.
XR
Gründung: Mai 2018 in England
Verbreitung: Aktive Gruppen in mehr als 55 Ländern
Ziel: Tiefgreifenden Wandel herbeiführen, damit das Risiko der Auslöschung der Menschheit und des Kollapses der Ökosysteme verringert wird.
Strategie: Mit gewaltfreiem zivilem Ungehorsam und Blockaden den routinierten Tagesablauf von Städten stören und Aufmerksamkeit generieren. Den Druck aufrechterhalten, bis die Politik schliesslich zum Handeln gezwungen ist.
Forderungen:
Tell the Truth - Die Regierung muss die bedrohlichen Ausmasse der Klimakatastrophe anerkennen. Zeichen dafür ist der Ausruf des Klimanotstandes.
Act now – Die Regierung muss jetzt handeln, um die vom Mensch verursachten Treibhausgas-Emissionen bis 2025 auf Netto-Null zu senken.
Beyond politics – Die Regierung muss eine Versammlung einberufen, in der Bürgerinnen und Bürger mit Expertinnen und Wissenschaftlern Lösungen erarbeiten.
BerlinBlockieren
Seit dem 7.Oktober 2019 werden über 60 internationale Grossstädte auf der ganzen Welt mit friedlichen Blockaden, Protesten und Demonstrationen aus dem Konzept gebracht. Beim Auftakt von BerlinBlockieren waren wir dabei. Vor genau einer Woche wurde der Alltag in der deutschen Hauptstadt von rund 2000 Demonstrantinnen aufgehalten. Der Potsdamer Platz – einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt – und die Siegessäule wurden von Extinction Rebellion Deutschland in Beschlag genommen. Die Szene gab ein ungewohntes, aber erfrischendes und erfreulich friedliches Bild ab: Badewannen, Pflanzen, Sofas wurden herbei getragen - die Menschenmenge bereitete sich auf ein langes Ausharren vor. Mitten auf der Strasse machten sie es sich gemütlich, die Studentinnen, Familienväter, Kinder, Pensionäre…
Im Laufe des Tages hörten die Leute Musik, tanzten, teilten ihr Essen und spielten Karten auf dem Boden, der ansonsten täglich von unzähligen Autos überrollt wird. Dieser massenhafte zivile Ungehorsam sorgte bei der Polizei für anhaltende Nervosität. Die Präsenz der Uniformierten war unübersehbar. Doch glücklicherweise war keine der beiden Seiten auf Eskalation aus. Im Verlaufe des Tages wurden die Durchsagen der Polizei häufiger. Das Ultimatum lautete in etwa: „Bitte entfernt euch vom Potsdamer Platz. Ihr begeht eine Straftat. Wenn ihr den Platz nicht von alleine verlasst, müssen wir nachhelfen. Bei einer Räumung kann es zu körperlicher Gewalt kommen. Das steht nicht in unserem Interesse.“
Das Theater, das sich dann nach einigen Stunden abspielte, war - trotz der eigentlichen Tragik des Anlasses - überwiegend amüsant: Person um Person wurde aufgefordert, den Platz zu verlassen. Nach Verweigerung mussten die Uniformierten die Personen mühselig vom Platz tragen – und zwar durch eine applaudierende Menschengasse. Am Trottoir wurden schliesslich die Personalien aufgenommen. Der Umgang zwischen den beiden Fronten blieb aber freundlich und respektvoll. Die Blockierenden wollten in der Polizei nämlich keine Gegner sehen, sondern potenzielle Verbündete. Wir sitzen schliesslich alle im selben Boot.
In der Nacht wurde die Räumung unterbrochen; ein grosser Triumph aus der Perspektive von Extinction Rebellion. Doch Dienstagmorgen machte sich die Berliner Polizei wieder an die Arbeit, und schliesslich gelang ihr die Räumung des Potsdamer Platzes. Doch die Blockaden und Demonstrationen verlagerten sich im Verlaufe der letzten Woche an immer neue Standorte. Kreative Anlässe hielten die Stadt auf den Beinen und in Bewegung. Bilder und Videos aus der ganzen Welt sind Beweis für das Durchhaltevermögen der Protestierenden.
XR: Ja oder Nein?
Die Bewegung Extinction Rebellion wird von allen Seiten bemängelt. Das Vorgehen sei zu radikal und gefährlich, die Aktivistinnen würden die Klimabewegung spalten und einige Bevölkerungsgruppen abschrecken. Auch ihre Forderungen werden als eher unrealistisch eingeschätzt. Vielleicht aber kann die Klimakatastrophe nur mit solchen Ansätzen noch abgewandt werden. So gewohnt wir es im politischen Alltag auch sind, Kompromisse zu schliessen: Der Klimawandel lässt nicht mit sich verhandeln. Klar ist jedenfalls, dass XR neuen Wind in die Klimabewegung bringt. Ob dieser Wind eine positive oder negative Wirkung nach sich zieht, steht noch in den Wolken.
Quellen und weitere Informationen
Extinction Rebellion
Extinction Rebellion Deutschland
Krautreporter: "Extinction Rebellion" - die Klimabewegung, die Grüne provoziert
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