Wälder sind die wichtigsten Kohlenstoffsenken, über die die Welt verfügt. Rund 2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid – also 6% der globalen CO2-Emissionen – werden durch sie jährlich aus der Atmosphäre gezogen. Immer mehr Organisationen und Unternehmen werben daher mit ihren Investitionen in Aufforstungsprojekte, über welche sie eine bestimmte Anzahl Bäume pflanzen lassen. Zwar klingt die Theorie, möglichst viele Bäume zu pflanzen und dadurch den Klimawandel zu verlangsamen, erst einmal gut, trotzdem sind Intention und Praxis solcher Aufforstungen nicht unumstritten.
Ein Bäumlein, zwei Bäumlein…
Eine Studie der ETH Zürich kam 2019 zum Ergebnis, dass, um den Klimawandel aufzuhalten, weltweit massiv aufgeforstet werden muss. Eine Fläche von der Grösse der USA müsste dafür zu Wald umgewandelt werden. Gegen das «ziellose» Pflanzen von Bäumen, welches nach der Veröffentlichung dieser Studie erst recht begonnen hat, haben viele Experten und Umweltschutzorganisationen jedoch einiges einzuwenden:
· Pflanzen allein genügt nicht: Bis ein Baum genügend Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre binden kann, muss er zuerst wachsen. Je älter ein Baum ist, desto mehr CO2 kann er auch speichern. Das Wachstum des Baumes muss daher durch Pflege und genügend Wasser gewährleistet werden.
· Baum ist nicht gleich Baum: Nicht jede Baumart speichert gleich viel CO2, und nicht jeder Baum wächst in einer Region gleich gut. Eine Fichte beispielsweise absorbiert weniger Kohlenstoffdioxid als eine Buche oder eine Eiche. Bei der Wahl der Baumart müssen daher genauso klimatische und umwelttechnische Bedingungen beachtet werden wie auch die Effizienz der Absorbierung.
· Biodiversität und Artenvielfalt: Mischwälder sind bessere CO2-Speicher als Monokulturen. Gleichzeitig bilden sie Lebensräume für viele Tiere und Insekten und sind weniger anfällig für Krankheiten und Naturkatastrophen. Monokulturen sollten daher nicht unterstützt werden.
· Kohlenstoffsenken: Wälder sind nicht die einzigen CO2-Speicher. Auch kohlenstoffhaltige, humusreiche Böden und Moore sind in dieser Hinsicht wichtig und sollten nicht einem Aufforstungsprojekt zum Opfer fallen.
· Das Problem an der Wurzel angehen: Das Pflanzen eines Baumes mag vielleicht das Gewissen beruhigen, kompensiert die Flugreise nach Indonesien oder die Produktion der Schokolade trotzdem nicht vollständig. Auch wenn ein zielführend durchgeführtes Aufforstungsprojekt viele Vorteile mit sich bringt, kann es nicht als Freifahrtschein für einen übermässigem Konsum und anhaltende CO2-Emissionen gesehen werden. Die Aufforstung sollte daher die zweite Wahl sein. Die erste: CO2-Emissionen senken!
· Wälder schützen statt neu pflanzen: Die Abholzung des Regenwaldes im Amazonas hat sich im letzten Jahre zeitweise um bis zu 61% gesteigert. 10-15% der jährlichen CO2-Emissionen gehen allein auf die Zerstörung tropischer Regenwälder zurück. Denn eine Abholzung ist doppelt schädlich: Einerseits wird dadurch eine wichtige CO2-Senke zerstört, andererseits entweicht durch die Verbrennung und das Verrotten von Holz das gespeicherte Kohlenstoffdioxid zurück in die Atmosphäre.
Das Pflanzen von Bäumen ist ausserdem eine langfristige Investition. Bis die Wälder nennenswert CO2 speichern, werden wir die 1,5-Grad-Grenze längst überschritten haben. In erster Linie sollten daher bestehende Wälder geschützt werden, bevor neu angepflanzt wird.
Die Aufforstung bleibt trotz alledem ein sinnvolles Instrument des Klimaschutzes. Das Motto sollte aber sein: Das Eine tun und das Andere nicht lassen!
Wenn der Baum das einzig grüne ist
Beim Kauf eines Produktes, dessen Hersteller mit dem Pflanzen von Bäumen wirbt, sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden: Einerseits ist es wichtig, darauf zu achten, dass sich die Firma auch sonst um ihre Ökobilanz kümmert; ansonsten handelt es sich vielleicht nur um Greenwashing. Dies erkennt man häufig daran, wie transparent eine Organisation über ihre Aktivitäten informiert. Gibt es daher konkrete Zahlen und Projekte sowie zuverlässige, unabhängige Kontrollen? Hierfür kann auch auf Zertifizierungen wie beispielsweise «The Gold Standard» oder «Verified Carbon Standard» geachtet werden.
Andererseits sollte das Aufforstungsprojekt den lokalen Anforderungen an die Biodiversität und die Artenvielfalt Rechnung tragen und auch auf die Menschen vor Ort einen positiven Effekt haben. Echte Nachhaltigkeit ist nur gewährleistet, wo sie die Bevölkerung nicht benachteiligt und sich den bereits losgetretenen Klimaveränderungen gewachsen zeigt.
So kann mit einer einfachen Nachforschung statt blindem Vertrauen sichergestellt werden, dass mit einem Mausklick ein Baum gepflanzt wird, der eine Zukunft hat – und für unsere Zukunft sorgt.
Quellen und weitere Informationen:
Geo: Bäume als Klimaretter: Wie sinnvoll ist das Aufforsten?
Ökotest: Bäume pflanzen fürs Klima – so sinnvoll ist der Trend wirklich
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