Inwiefern ist grünes Fliegen möglich? Empfehlung

Der Flugverkehr nimmt zu – aber wird er auch grüner? Der Flugverkehr nimmt zu – aber wird er auch grüner?

In der Nachhaltigkeit des Flugverkehrs gibt es Luft nach oben. Bis im Jahr 2050 will man klimaneutral sein. Die Dekarbonisierungsbemühungen befinden sich zwar erst in den Anfängen und die Ziele sind durchaus ehrgeizig, jedoch scheint es an Ideen und Technologien nicht zu mangeln.

Während Covid gewütet hat, ist der Flugverkehr nach Angaben der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) weltweit um rund 60 Prozent eingebrochen. Diese Zeiten sind aber schon längst passé. Es wird praktisch wieder so viel geflogen wie zuvor. Die Nachfrage wird voraussichtlich noch weiter ansteigen: Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Luftfahrtindustrie bis 2050 auf über 8 Milliarden Passagiere verdoppeln wird. Dafür wären mehr als 800 Milliarden Liter Flugzeugtreibstoff nötig. Global gesehen ist die Zivilluftfahrt für ungefähr 2.4 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Klimaneutralität als Fernziel

Die Mitglieder der ICAO hatten im Oktober 2022 ein gemeinsames langfristiges Ziel verabschiedet. Demnach sollen die Emissionen bis 2050 auf Netto-Null hinauslaufen. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg: Im Gegensatz zu anderen Sektoren stehen die Dekarbonisierungsbemühungen der Fliegerei nämlich noch in den Kinderschuhen.

Um dieses grosse internationale Ziel zu erreichen und da der Verkehr am Himmel mit grösster Wahrscheinlichkeit noch stark zunehmen wird, wird nun vor allem auf umweltfreundlichere Treibstoffe gesetzt. Damit ein solcher Kraftstoff überhaupt in Frage kommt, muss er finanziell rentabel, weltweit einsetzbar und sicher sein. Ausserdem soll er eine genügend hohe Energiedichte aufweisen, damit auch der Einsatz auf Langstreckenflügen unproblematisch ist.

Wasserstoff oder Batterie?

Es gibt die Möglichkeit, Flüge mit durch Ökostrom erzeugtem Wasserstoff zu betreiben. Dieser stösst kaum CO2 aus, und nur wenig Stickoxide und Wasserdampf. Zudem wäre die Energiedichte ausgesprochen gut; mit 140 MJ/kg dreimal so hoch wie beim Kerosin (43 MJ/kg) und ausserdem sehr viel höher als beispielsweise von Lithium-Ionen-Batterien. Das Problem liegt darin, dass Wasserstoff bei Raumtemperatur ein Gas ist und als solches sehr viel Platz einnimmt. Er müsste also verflüssigt oder komprimiert werden, um im Flugzeugrumpf gespeichert werden zu können. Teuer wäre es auch: Das Design des Flugzeuges sowie die Infrastruktur des Flughafens müsste auf den wasserstoffbasierten Kraftstoff angepasst werden. Zudem wird derzeit schlicht nicht genügend erneuerbarer Strom hergestellt, um ausreichend grünen Wasserstoff generieren zu können.

Überall wird momentan elektrifiziert. Dies würde theoretisch auch für Flugzeuge funktionieren. Allerdings sind die heutigen Batterien noch sehr unhandlich und schwer, weshalb diese Möglichkeit wohl nur für Kurzstreckenflüge etwas taugen würde. Ausserdem wäre eben die Energiedichte der Batterien sehr gering. Dennoch gibt es auch Entwicklungen, die auf Elektro- oder Hybrid-Elektroflugzeuge abzielen. Man wird sehen, welche Verbesserungen auf dieser Basis gemacht werden können.

Das Potenzial der „Sustainable Aviation Fuels“

Am weitesten verbreitet sind sich sicherlich die «Sustainable Aviation Fuels» (SAF). Diese Flugkraftstoffe sind nachhaltige Alternativen zum herkömmlichen Kerosin, das aus Erdöl hergestellt wird. Sie besitzen dieselben Qualitäten und Eigenschaften, weshalb die Flugzeuge und Flughäfen auch nicht extra umgerüstet werden müssen. SAF lassen sich in verschiedenen Verfahren herstellen. Zum einen gibt es das synthetische Kerosin (Power-to-Liquid-Kraftstoffe (PtL)), dem grosses Potenzial nachgesagt wird, weil es in einem ressourcenschonenden Verfahren durch Wasserstoff und CO2 aus der Umgebungsluft hergestellt wird.

SAF lassen sich aber auch aus biogenen Abfällen wie Speiseresten, flüssigen Altfetten und Abfällen aus der Agrar- und Forstwirtschaft herstellen – potenziell auch aus schnell wachsenden Pflanzen und Algen sowie Altholz. Diese Bio-Kraftstoffe verursachen mindestens 80 Prozent weniger CO2-Emissionen als herkömmliche, fossile Kraftstoffe.

Ab 2025 müssen Fluggesellschaften, die in der Schweiz tanken – in Übereinstimmung mit der EU –eine Beimischungsquote anwenden, mit der zum gebräuchlichen Kraftstoff zugemischt wird. Bis zu 50 Prozent der SAF kann mit herkömmlichem Kerosin gemischt werden, ohne dass dafür Modifikationen getätigt werden müssen.

Grünes Treibstoff-Problem also gelöst? Nicht ganz. Die verfügbaren Mengen dieser alternativen Kraftstoffe sind noch nicht gross genug. Aktuell ist die Technologie ausserdem noch nicht ausgereift. Bis anhin sind nur wenige Raffinerien auf der Welt imstande, zertifiziertes SAF (in ausreichenden Mengen) zu produzieren. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nur zwei Unternehmen, die nachhaltigen Flugkraftstoff herstellen, der denn auch von grossen Fluggesellschaften verwendet wird: Die US-amerikanische Firma World Energy und ein finnisches Erdölunternehmen namens Neste.

Zusätzlich ist die Herstellung der SAF bis zu fünfmal teurer als das herkömmliche Kerosin, weshalb sie nur begrenzt produziert werden. So wird auf kommerziellen Flügen momentan weniger als ein Prozent nachhaltiger Kraftstoff verwendet. Experten schätzen, dass in den nächsten 30 Jahren weltweit bis zu 2.1 Billionen Dollar in nachhaltige Flugtreibstoffe und die Energieinfrastruktur investiert werden müssen, damit genügend grosse Mengen produziert werden können.

In der Zukunft wird also entscheidend sein, die verschiedenen SAF-Herstellungsverfahren weiterzuentwickeln und die Produktionskapazitäten auszubauen. Die Biden-Regierung hat sich genau dies zum Ziel gesetzt und will mit der Sustainable Aviation Fuel Grand Challenge bis 2030 jährlich 3 Milliarden Gallonen SAF produzieren. Die Schweizer Regierung unterstützt die einheimischen SAF-Hersteller mit 25-30 Millionen Franken jährlich.

Schweizer Start-Up Synhelion mischt den Markt auf

Das aus der ETH entstandene Schweizer Unternehmen Synhelion ist die weltweit erste industrielle Anlage, die synthetische Treibstoffe aus Wasser und Sonnenlicht sowie CO2 und Methan aus Bioabfällen einer örtlichen Papierfabrik herstellt. Seit dem Sommer 2022 steht die Anlage im deutschen Jülich. Bis im Jahr 2025 soll das Unternehmen soweit anwachsen, dass die Gesamtproduktion auf 1.6 Millionen Liter pro Jahr erhöht werden kann. Bis im Jahr 2040 sollen gar 50 Milliarden Liter jährlich produziert werden. Der Aufwand und die Kosten sind hoch. Bis jetzt hat Synhelion Finanzierungshilfen in der Höhe von 37.5 Millionen Franken erhalten, doch für den schnellen Ausbau der Technologie wird noch mehr Geld nötig sein. Synhelion wird von grossen Unternehmen wie der Lufthansa-Fluggesellschaft, dem Flughafen Zürich und der Amag-Gruppe unterstützt. Auch die SWISS fördert das Start-Up und wird damit als erste Fluggesellschaft weltweit Solarkerosin einsetzen.

Vorsichtiger Optimismus

Mittlerweile gibt es Hunderte Start-Ups, die sich mit nachhaltigem Treibstoff und der Entwicklung von neuen Technologien befassen. Unternehmen und Landesregierungen unterstützen die verschiedenen Unterfangen ebenfalls vermehrt finanziell.
Damit nicht zu viel Druck auf gewissen Rohstoffen lastet, könnte die Diversifizierung der Treibstoffe ein Lösungsansatz sein. Zudem verursacht auch jede neu entwickelte Flugzeuggeneration bis zu 25 Prozent weniger CO2-Emissionen als ihr Vorgänger, erlaubt also einen stetig effizienteren Verbrauch von Treibstoffen. Das US-Startup Otto Aviation hat beispielsweise ein ausgesprochen aerodynamisches Flugzeug entwickelt, welches pro Liter Treibstoff acht- bis neunmal weiter fliegen kann als ein vergleichbarer Jet.

Der Weg zum klimaneutralen Flug ist noch lang, die Pläne ehrgeizig, und dennoch: Nichts scheint unmöglich.


Quellen und weitere Informationen:
The Guardian: Will flying ever be green?
CNBC: Eco Travel: What are our current options for green aviation
Synhelion

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