Aufgrund der vielen aktuellen Lebensmittelskandale – als Rindfleisch verkauftes Pferdefleisch, mit Schimmelpilzen verseuchtes Futtermittel und falsch deklarierte Eier – werden die Konsumenten immer skeptischer gegenüber der Transparenz in der Nahrungsmittelkette. Auffällig ist jedoch, dass beispielsweise der Pferdefleischskandal (vgl. Umweltnetz-Beitrag "Pferdefleisch in (fast) aller Munde", 21. März 2013 ) in den Medien grosse Wellen geschlagen hat, während andere Fälle kaum Beachtung fanden; z.B. die Tatsache, dass die grosse Mehrheit der Setzlinge für die Schweizer Gemüseproduktion aus Marokko, Holland und anderen Ländern importiert werden; Das Gemüse wird im Verkauf aber als Schweizer Produkt deklariert. Nur wenig berichtet wurde auch über das Obst und Gemüse, welches in verarbeiteten Produkten wie Pelati oder Apfelsaft enthalten ist und oft aus China statt wie erwartet aus Italien oder Deutschland kommt (siehe Umweltnetz-Beiträge "In Torf gebettete Jungpflanzen auf dem Weg in die Schweiz", 7. März / "Italienische Tomaten aus China",11. Februar 2013). Ein italienischer Pelati-Hersteller wurde aufgrund der chinesischen Herkunft seiner Tomaten im letzten Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch in den Medien und oft auch in der Erinnerung des Konsumenten flaut die Empörung über den Skandal meist schnell wieder ab.
Bisher scheinen sich viele Hersteller und Politiker auf dieses Wechselspiel zwischen Skandal und „Normalität“ verlassen zu haben. Obwohl nach jedem „Schub“ von schockierenden Meldungen den Konsumenten umgehende Massnahmen und eine verbesserte Transparenz und Deklaration versprochen wurde, passierte meistens wenig bis gar nichts. Im Gegenteil: durch die zunehmende Internationalisierung der Lebensmittelindustrie scheint die Nachvollziehbarkeit der Produkteherkunft in den letzten Jahren noch schwieriger und unübersichtlicher geworden zu sein. Man bedenke, dass die aufgedeckten Skandale nur Einzelfälle sind. Im Verdeckten dürften Betrüge und Schummeleien weit häufiger vorkommen und Gesetzeslücken regelmässig schamlos ausgenutzt werden. Zudem werden Nahrungsmittel schon lange völlig legal um die halbe Welt transportiert, nur damit die Produktion für die Hersteller etwas billiger wird.
Ich wünsche mir, dass die Schweiz nicht nur vorübergehend über den Pferdefleischskandal empört ist, sondern nachhaltig umdenkt!
Martin Rufer, Departement Produktion, Märkte und Ökologie, SBV
Am 20. März 2013 wird der Nationalrat die Revision des geltenden Lebensmittelgesetzes behandeln. Doch dabei geht es nicht etwa um eine Verschärfung der Deklarationspflicht, sondern – man glaubt es kaum – um eine „Aufweichung der geltenden Bestimmungen“ (Medienmitteilung EKK, 14. März 2013). Gemäss dem neuen Gesetz müssten die Produktionsländer bei verschiedenen Lebensmitteln nicht mehr deklariert werden. Angesichts der aktuellen Skandale ist die Revision jedoch stark umstritten. Die Eidgenössische Kommission für Konsumentenfragen (EKK) fordert die Beibehaltung der Deklarationspflicht. Gar von einem „Chaos“ spricht Konsumentenschützerin Sara Stalder. Heute läuft die Anhörung für die Revision von über einem Dutzend Verordnungen zu Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen aus. Doch diese Verordnungen beziehen sich nur auf das alte und damit nicht auf das revidierte Gesetz. Es bleibt abzuwarten, wie die Revision ausfallen wird, und ob es tatsächlich zu einer besseren Transparenz und Deklaration der Lebensmittelherkunft kommen wird...
Um dies zu erreichen, müsse neben Regeln und wirkungsvollen Kontrollen unbedingt ein Umdenken beim Lebensmittelhandel und den Konsumenten stattfinden, findet Martin Rufer, Leiter Departement Produktion, Märkte und Ökologie des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV).
Weiterführende Links
Medienmitteilung EKK, 15. März 2013.
Artikel: "Nur eine Geschmacksrichtung übrig – künstlich", Die Welt online, 15. März 2013.
Artikel: "Besserer Durchblick durch mehr Transparenz", Lebensmittelpraxis, 15. März 2013.
Artikel: "Schein&Sein - Lügen der Lebensmittelindustrie", Mai 2012.
Arte Dok: "Mit offenen Karten – Geographie der Ernährung", 2011.
Die Geschichte (1/3).
Die Globalisierung (2/3).
Die Alternativen (3/3).
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