Von weissem Kalbsfleisch und absurdem Konsumentenverhalten

01 Jul 2013

Weisses Kalbfleisch gilt als besonders zart und schmackhaft. Um das teure Produkt herzustellen, werden Kälber aber einseitig ernährt, wodurch sie krank und schwach werden. Am dritten „Kälbergipfel“ debattierte die Schweizer Fleischbranche mit dem Tierschutzverband über die Frage der Fleischfarbe...

Kälber bezahlen einen hohen Preis für das weisse Fleisch, das sie liefern: Die helle Farbe beruht darauf, dass den jungen Tieren Raufutter wie Gras und Heu verwehrt wird. Stattdessen werden sie konsequent im Stall gehalten und einseitig mit Milch ernährt. Der dadurch entstehende Eisenmangel kann bei den Kälbern zu Blutarmut (Anämie) führen, wodurch sie an Widerstandskraft einbüssen und sehr krankheitsanfällig werden. Infolgedessen werden die Tiere sehr häufig mit Antibiotika behandelt. Im Fleisch zeigt sich die Eisenarmut durch das Fehlen des roten Muskelfarbstoffs Myoglobin, wodurch es einen hellen Farbton erhält. Je eisenhaltiger die Ernährung eines Kalbes ausfällt, desto gesünder lebt es und desto stärker ist anschliessend die rötliche Färbung im Fleisch. Dunkles Kalbsfleisch ist qualitativ und geschmacklich keineswegs schlechter als das „herkömmliche“ weisse Fleisch.

Aufgrund seines guten Rufes ist das weisse Kalbsfleisch bei den Konsumenten aber deutlich beliebter als das rote. Letzteres unterscheidet sich äusserlich weniger von Rindsfleisch – deshalb begegnen ihm die Konsumenten skeptisch! Dieses Fehlverhalten hat schwerwiegende Konsequenzen: Durch die geringe Nachfrage nach dem „gesunden“ Kalbfleisch verdienen Metzger damit deutlich weniger als mit weissem Fleisch. Während letzteres im Handel teuer verkauft wird, gilt für rotes Kalbfleisch ein sogenannter „Rotabzug“. Um den „Konsumentenwunsch“ zu erfüllen, werden Bauern also dazu angestiftet, ihre Kälber unter Mangelernährung in nicht artgerechter Stallhaltung aufzuziehen...

Gemäss neuen Vorschriften der Schweizer Tierschutzverordnung müssen Kälber ab Herbst 2013 zwingend Raufutter erhalten.

Der Schweizer Tierschutzverband STS wehrt sich schon seit Jahren gegen diesen Missstand. Kürzlich traf sich der Verband mit Vertretern der Schweizer Fleischbranche zum dritten „Kälbergipfel“. Dank der letztjährigen Zusammenkunft wurde bereits eine neue Verordnung verabschiedet, welche die Bauern verpflichtet, Mastkälber künftig auch mit Raufutter zu ernähren. Am diesjährigen Treffen diskutierten die Teilnehmer die Umsetzung der neuen Richtlinie, die im Herbst 2013 in Kraft treten wird. Der Schweizer Fleisch-Fachverband begrüsst die neue Verordnung, will den Rotabzug aber nicht abschaffen. Die Metzger seien nicht dafür verantwortlich, dass das rote Fleisch „auf der Theke liegen bleibt“. Die Grosshändler Migros und Coop zeigen sich bereit, den Farbabzug für Fleisch aus Freilandhaltung zu streichen und auf Kalbfleisch mit Qualitätslabel zu setzen.

Grundsätzlich ist aber zu erwarten, dass das Angebot sich weiterhin hauptsächlich nach dem Konsumverhalten richten wird: Entscheidend ist das Kaufverhalten! Der Konsument muss selbst abwägen, ob er weisses Kalbsfleisch von ungesunden Tieren wirklich braucht... Die Notwendigkeit, Fleisch von derart jungen Tieren zu essen, ist grundsätzlich überdenkenswert: Die Mastkälber erreichen ein Alter von wenigen Wochen! Die natürliche Lebenserwartung beträgt dagegen rund 30 Jahre. Beim Kalb, ebenso wie beim Lamm oder beim Ferkel, ist das junge Schlachtalter bekannt; üblich ist die Praxis jedoch bei fast allen Nutztieren. Auch Hühner, Gänse und Kaninchen werden in der Regel sehr jung geschlachtet... beispielsweise landen die Küken dabei sogar oft auf dem Abfall statt auf dem Teller (vgl. Friede, Freude, Osterei?, 2. April 2013)

Vielen Konsumenten sind die Missstände jedoch nicht bewusst. Dabei ist das „junge Fleisch“ nur einer der vielen bedeutenden Gründe, um sich vom übermässigen Fleischkonsum zu verabschieden... (siehe Negative Auswirkungen des weltweit erhöhten Fleischkonsums, April 2012) 

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