Dass Kleider häufig in Billiglohnländern produziert werden, ist kein Geheimnis. Doch vielen Modefans ist nicht bewusst, dass dies viel mehr Länder betrifft, als „nur“ China oder Indien. Zahlreiche grosse Modeketten wie unter anderem H&M, Hugo Boss, Adidas oder Zara lassen in den osteuropäischen Ländern Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Bosnien& Herzegowina, Georgien, Mazedonien, Moldawien, Slowakei, Ukraine und der Türkei produzieren. Über 3 Millionen Menschen sitzen hier täglich an den Nähmaschinen. Damit wird der arbeitsintensivste Teil der Kleiderherstellung – das Zusammennähen – ausgelagert. Die Lohnkosten sind tief und die Transportwege zugleich relativ kurz und kostengünstig.
Für die Clean Clothes Campaign (CCC) interviewte die Erklärung von Bern (EvB) über 300 Arbeiterinnen in den 10 genannten Produktionsländern. Besonders prekär zeigt sich die Lohnsituation: Trotz zahlreicher Überstunden verdienen die meisten ArbeiterInnen nicht mehr als 30% eines Existenzlohnes. In Rumänien zum Beispiel beträgt der gesetzlich festgelegte Mindestlohn gerade mal 133 Euro und liegt deutlich unter dem für eine sichere Existenz notwendigen Existenzlohn von 710 Euro. Damit ist dieser Mindestlohn sogar tiefer als in China!
"Ich arbeite fast jeden Tag bis spät in die Nacht und schlafe maximal fünf Stunden. Ich träume davon, dass ich mir manchmal etwas kaufen oder endlich zum Zahnarzt gehen kann."
Nikolina, Näherin aus Bulgarien
Für die CCC-Recherche wurden rund 100 Markenfirmen zu ihrem Engagement für die Zahlung von Existenzlöhnen befragt. Das Resultat ist erschütternd. Erste Bemühungen finden in der Branche nur sehr zögerlich statt – keine der 100 Firmen erreichte die Kategorie 'Gut'. Lediglich 6 Firmen unternehmen konkrete Schritte zur Bezahlung von Existenzlöhnen, darunter Switcher und Marks & Spencer. Ganze 41 Firmen erhielten dagegen das Prädikat 'Ungenügend'.
Für Konsumenten ist es nicht immer einfach, herauszufinden, welche Firmen sich tatsächlich um Existenzlöhne bemühen und nicht nur leere Versprechen abgeben. Ein teurer Verkaufspreis im Laden heisst nicht etwa, dass die NäherInnen höhere Löhne erhalten. Denn nur 0.5 - 3% des Endverkaufspreises geht durchschnittlich als Lohn an die NäherInnen. An einem T-Shirt für CHF 10.- verdienen sie also gerade mal 5-30 Rappen. Dies bedeutet aber auch, dass den ArbeiterInnen höhere Löhne bezahlt werden könnten, ohne den Verkaufspreis für den Endkonsumenten anheben zu müssen. Selbst eine Verdopplung des Lohnes wäre für die Modefirmen problemlos zu verkraften.
Dennoch ist man auch als KonsumentIn nicht komplett machtlos. Anstatt ständig neue Kleider zu kaufen, kann man öfter mal mit FreundInnen Kleidertauschpartys veranstalten oder auf Flohmärkten nach Raritäten suchen – was nicht zuletzt auch der Umwelt zugute kommt. Ein kompletter Boykott hilft jedoch den ArbeiterInnen in den Fabriken auch nicht. Viel besser ist es, sich zu informieren, bewusst zu konsumieren und den Firmen mitzuteilen, dass man sich Mode ohne Ausbeutung wünscht. Die EvB stellt hierzu einen Fair Fashion-Guide und eine App zur Verfügung. Nach dem Kleiderkauf kann man zudem einen Talon mit der Bitte nach transparenter Information zu den Produktionsbedingungen an die Firma schicken. Mit einem solchen Engagement darf die Mode denn auch weiterhin Freude machen.
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