Der Kultivierte kauft ihn Natur pur aus der Kultur

11 Dez 2014
Tannen mal aus einer anderen Perspektive. Tannen mal aus einer anderen Perspektive.

In der Landwirtschaftszone wie im Forst sind in den letzten Jahren Christbaumkulturen förmlich aus dem Boden geschossen. Mit der Agrarreform 2014-17 strich der Bund den Produzenten nun allerdings die Subventionen. Es regt sich Widerstand. Werden die Christbaumkulturen schonend bewirtschaftet, sind sie eine relativ ökologische Alternative zu anderen Landwirtschaftsflächen. Wer einen wenig umweltbelastenden Christbaum möchte, sollte auf eine pestizid- und mineraldüngerfreie Produktion achten – und das Tännchen regional besorgen.

Pünktlich zur Weihnachtszeit standen Christbäume im Zentrum einer Debatte: Schweizer Produzenten von Christbäumen in Kulturen erhalten seit diesem Jahr keine Förderbeiträge mehr vom Bund. Bisher hatte er Christbaumkulturen mit Subventionen besonders gefördert. Produzenten erhielten Flächenbeiträge von 1020 Franken pro Hektar und einen Zuschlag von 640 Franken pro Hektar für Dauerkulturen. Dies entsprach jährlichen Subventionen von rund einer Million Franken für die 600 Hektaren Christbaumkulturen. Seit Anfang Jahr ist Schluss damit: Der Bund will mit der Agrarpolitik 2014 bis 2017 keine Versorgungssicherheitsbeiträge für Christbaumkulturen mehr zahlen, schliesslich leisteten Christbäume keinen Beitrag dazu. Die Branche ging bisher erfolglos gegen diesen Beschluss vor. „Aktive Christbaum-Produzenten werden ihre Kulturen nicht ausbauen, und es werden deutlich weniger Bauern mit einer Weihnachtsbaum-Aufzucht beginnen“, warnt Philipp Gut, Geschäftsführer der IG Suisse Christbaum, gegenüber der AZ. Dem widersprechen drei Studenten der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Sie haben eine Arbeit zum Thema geschrieben und kommen in der Fachzeitschrift Wald und Holz zum Schluss: „Der anstehende Wegfall von Direktzahlungen für den Anbau von Christbäumen dürfte ohne grössere Auswirkungen bleiben.“

Weniger als die Hälfte aus der Schweiz

Die Christbaumkulturen waren in den letzten Jahren im ländlichen Raum allenthalben aufgetaucht, oft im Wiesland, unter Hochspannungsleitungen oder an einem Waldrand; Ansammlungen von Bäumchen, häufig umgeben von einem Zaun, zwischen den Tännchen meist Gras. Die landwirtschaftlichen Anbauflächen von Christbäumen haben sich zwischen 2002 und 2011 fast verdoppelt, ebenso die Zahl der Betriebe: 607 Produzenten bauten 2011 in der Schweiz auf 580 Hektaren Christbäume an. Sie decken rund 30 bis 40 Prozent des Bedarfs in der Schweiz. Laut einer FHNW-Projektarbeit kauften Herr und Frau Schweizer 2011 rund 1,1 Millionen Christbäume. Dies entspricht einem Marktvolumen von ungefähr 54 bis 76 Millionen Franken. Branchenexperten gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der inländischen Produktion der Forstwirtschaft und rund zwei Drittel der Landwirtschaft anzurechnen sind. Wie viele Bäume in der Schweiz effektiv im Wald geschlagen werden, ist nicht bekannt. Die importierten Bäume stammten in den letzten Jahren zu zwei Dritteln aus Dänemark, der Rest kam hauptsächlich aus Deutschland. Wie 20 Minuten kürzlich berichtete, steigt aber das Interesse an einheimischen Christbäumen, ebenso deren Angebot von Grossverteilern.

„Die meisten Produzenten in der Schweiz versuchen, ihre Christbaumkulturen möglichst ökologisch zu bewirtschaften.“

Toni Burkart, Leiter Versuchsgarten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Relativ junge Disziplin

Christbaumkulturen sind eine relativ junge Disziplin der Land- und Forstwirtschaft. Laut der Umweltorganisation Robin Wood stammten bis in die 1950er-Jahre alle Christbäume aus Waldbeständen. „Das änderte sich, als die damals schon überproduzierende und chronisch notleidende Landwirtschaft die Weihnachtsbaumplantage als profitable Alternative entdeckte.“ In Deutschland kommen heute mehr als 80 Prozent aller Christbäume aus Plantagen, rund 15 Prozent stammen noch direkt vom Förster. Doch auch dieser bezieht die meisten Tännchen von Pflanzungen im Waldgebiet. Stammen die Christbäume trotzdem direkt aus dem Wald, ist dies nicht per se gut für die Umwelt; oft sind sie nämlich wenig naturnahen Fichtenbeständen entnommen. Rund drei Viertel der von Grossverteilern verkauften Christbäume sind Nordmanntannen, daneben gibt es aber noch eine grosse Auswahl an speziellen Tannen- und Fichtenarten, die sich als Christbäume eignen (vgl. Artikel in Wald und Holz).

Ökologie: Gemischter Eindruck

Vom ökologischen Standpunkt her hinterlassen die Christbaumkulturen einen gemischten Eindruck. Laut der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) werden in Christbaumkulturen teils noch immer regelrechte Giftcocktails angewandt: Herbizide gegen Graswuchs unter den Bäumen, Insektizide gegen Rüsselkäfer und die Sitkalaus, Fungizide gegen Pilzbefall sowie spezielle Dünger, damit die Tannen gleichförmig wachsen und sich die Nadeln gleichmässig und intensiv färben. Der Schweizer Agrochemiekonzern Syngenta hat zum Beispiel eine ganze Armada von Pestiziden für den Einsatz in Christbaumkulturen im Köcher. Die Gefahren für Mensch und Umwelt, die von solchen Hilfsstoffen ausgehen, sind mannigfaltig. Im Übrigen forschen Wissenschafter sogar an genetisch veränderten Christbaum-Klonen. Diese zeichnen sich aus durch perfekten Wuchs, Schneeglöckchen-Genen gegen Schädlinge und Resistenz gegen Herbizide.

Pestizide in der Schweiz erlaubt

Auch in der Schweiz ist laut Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) der Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern in Christbaumkulturen erlaubt, solange sie sich ausserhalb der Forstzone befinden. Genaue Zahlen zur Anwendung bestünden nicht. Im Wald selbst dürfen allgemein nur in Ausnahmefällen Insektenschutzmittel angewandt werden. „Die meisten Produzenten in der Schweiz versuchen, ihre Christbaumkulturen möglichst ökologisch zu bewirtschaften“, sagt Toni Burkart, Leiter Versuchsgarten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Von der Bewirtschaftung her seien die Kulturen am ehesten mit Obstanlagen vergleichbar, wobei in den Christbaumkulturen im Vergleich aber viel weniger Pestizide und andere Hilfsstoffe eingesetzt würden. Sowohl beim Obst wie auch bei den Christbäumen wird der Unterwuchs mit oftmals sehr präzisen Maschinen gemäht. Einige Christbaum-Produzenten arbeiten auch mit Ungarischen Wollschweinen oder Shropshire-Schafen. Beide Arten vertilgen zwar den Unterwuchs, lassen aber die Bäumchen in Ruhe. Gleichzeitig können die Betreiber ihre Produkte wie Wolle, Fleisch oder Milch vertreiben. Der Boden werde bei der Christbaumproduktion indes sehr wenig beansprucht, sagt Toni Burkart. Da die Kultur beständig bepflanzt sei und keine schweren Maschinen eingesetzt würden, werde das Erdreich durch die Bewirtschaftung nur wenig verdichtet. Wenn eine Weide in eine Christbaumkultur umgewandelt wird, bleibe die Intensität der Bewirtschaftung mit Ausnahme des Einsatzes von Hilfsstoffen wie Pestiziden etwa auf ähnlichem Niveau, erklärt Toni Burkart.

Welcher soll’s denn sein?

Nun mag sich manch einer fragen: Was für einen Christbaum soll ich also kaufen? Da die Ökobilanz eines in China hergestellten Plastikbaums erst dann besser ist als die einer echten Tanne, wenn er während zehn oder mehr Jahren wiederverwendet wird, ist die Alternative aus Kunststoff eben doch nicht wirklich alternativ. „Die radikalste, völlig auf Plantagenbäume verzichtende Möglichkeit wäre die Rückkehr zum christlichen Gabenbaum“, resümiert Rudolf Fenner in einem Artikel von Robin Wood. Das heisst: Aus sowieso abgeschnittenem Laubbaumgeäst einen eigenen Christbaum zusammenstellen und verzieren. Wer einen Nadelbaum möchte, der sollte auf Betriebe zurückgreifen, die weder Mineraldünger noch Pestizide einsetzen und dafür zertifiziert sind, oder wie Toni Burkart von der WSL empfiehlt: „Den Christbaum regional und frisch beim Förster, Gärtner oder Produzenten direkt einkaufen.“

Weitere Informationen:
Interessante Beiträge zu Christbäumen bietet die Internetseite waldwissen.net

Bildergalerie

  • Click to enlarge image Weihnachten 15 111_Lolo.JPG Eine Weihnachtsbaum-Kultivation auf einem Bauernhof in Emmen. (Foto: Yolanda Stocker)

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