Während in der Schweiz jede Person durchschnittlich 160 Liter Wasser pro Tag verbraucht, und wir mit wertvollem Trinkwasser Autos waschen und Rasen sprengen, hat eine Milliarde Menschen auf unserem Planeten noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Einerseits gehen wir verschwenderisch und sorglos mit dem kostbaren „Nass“ um, andererseits ist dies für Menschen in den Entwicklungsländern der Überlebensfaktor.
Zur Lösung des Wasserproblems und zur Wassergewinnung in Trockengebieten kann allenfalls ein Käfer beitragen, der in der Namib-Wüste an der Westküste Afrikas lebt. Der sog. Nebeltrinker-Käfer gehört zur Familie der Schwarzkäfer, ist schwarz, etwa zwei Zentimeter gross und hat auffällig lange Beine; so stellt er einen grossen Abstand seines Körpers zum heissen Sand her. Tagsüber laufen die Käfer sehr flink über den Sand, um Futter zu suchen oder graben sich im Sand ein, um sich vor der Mittagshitze zu schützen; nachts graben sie sich ebenfalls ein, um sich vor der Kälte zu schützen. Das Insekt überlebt die extreme Trockenheit nur, weil es durch seinen Rücken Wasser aus der Luft aufnehmen kann. Die Deckflügel haben kleine Noppen und in der Mitte eine Rinne. Er gewinnt Wasser aus den morgendlich vom Atlantik in die Wüste ziehenden Nebelschwaden. Auf einem Dünenkamm balancieren Nebeltrinker-Käfer mit dem Kopf nach unten gesenkt und strecken ihr Hinterteil gegen den Wind, einem Kopfstand ähnlich. Der Nebel kondensiert in kleinen Tröpfchen, und das Wasser fliesst an der Rinne ihres Rückens zwischen den Höckern die Deckflügel hinunter, direkt in ihren Mund. Die Deckflügel haben kleine Höcker, die eine hydrophile Substanz aufweisen, die Feuchtigkeit anzieht. Diese sammelt sich zu immer grösser werdenden Tropfen. So kann das Insekt Wasser in der Grössenordnung von 40 % seines Körpergewichts aufnehmen.
Zur Lösung des Wasserproblems und zur Wassergewinnung auf unserem Planeten kann möglicherweise der kleine Nebeltrinker-Käfer beitragen, der in der Namib-Wüste an der Westküste Afrikas lebt.
Forscher arbeiten daran, zur Trinkwasser-Gewinnung ein ähnliches Prinzip anzuwenden. Sie wollen sich die Wassergewinnung nach Art des Nebeltrinker-Käfers zu Nutze machen. Ein weiteres Ziel der Wissenschafter ist es dabei, dass in Zukunft auch die Wüstenbewohner nach dem Vorbild des Nebeltrinker-Käfers Wasser aus der Luft sammeln können.
Dieses Vorgehen in der Wissenschaft nennt man Bionik. Darunter versteht man die Entschlüsselung von „Erfindungen der belebten Natur“ und deren innovative Umsetzung in der Technik. Man geht davon aus, dass es in der Natur durch evolutionäre Vorgänge optimierte Strukturen und Prozesse gibt. Tiere und Pflanzen inspirieren Ingenieure bei der Suche nach technologischen Problemlösungen. So interessieren sich die Wissenschaftler auch für die Lebensweise des Nebeltrinker-Käfers als Beispiel eines Überlebenskünstlers.
Durch das Nachahmen und Umsetzen von biologischen Abläufen sollen technische Verfahren verbessert und optimierte Prozesse ermöglicht werden. Auch wenn diese Potenziale fast unerschöpflich erscheinen, ist es schwierig und mit grossem Aufwand verbunden, Jahrmillionen alte Strukturen und Systeme aus der Natur „nachzubauen“. Heute arbeiten Wissenschaftler an der Entwicklung von strukturierten Oberflächen, ähnlich derjenigen des Nebeltrinker-Käfers.
Die Firma „FogQuest“ (engl.) installierte am Rande der Atacama-Wüste eine Wassergewinnungstechnik nach dem Vorbild des Nebeltrink-Käfers. Mittels Nanotechnologie wurde der Rücken des Nebeltrinker-Käfers nachgebaut, so, dass Wasser aus der Luft gezogen werden kann. Es wurden dabei spezielle Netze entwickelt, die das Nebelwasser nach dem gleichen Prinzip sammeln. An den Maschen der Netze kondensiert das Wasser.
Ein Student der Kunstakademie Stuttgart entwarf überdies analog dem Körperbau des Nebeltrinker-Käfers ein Gebäude mit abstehenden Lamellen. Diese spenden Schatten und entziehen der Luft Feuchtigkeit. Das gesammelte Wasser kühlt in der Folge das Gebäude im Sommer angenehm ab.
Mit Hilfe technischer Innovationen im Rahmen der Bionik wird unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit intensiv versucht, das Problem des Wassermangels auch für die Bewohner der Entwicklungsländer unserer Erde langfristig zu lösen. Die Weihnachtsaktion des Schweizer-Radios führte diese Thematik eindrücklich in das Bewussstsein der Bevölkerung. Die Aktion „Jeder Rappen zählt“ hat vom 17. - 22. Dezember 2012 insgesamt 6,7 Mio Franken für Hilfsprojekte gesammelt, um den langfristigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und die Verbesserung der Hygiene in Entwicklungsländern zu gewährleisten.
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