Rechtzeitig zum Frühlingsbeginn startete letzte Woche die SRG ihre "Mission B". Das B steht für Biodiversität; über sie und ihre Gefährdung in der Schweiz soll die nächsten anderthalb Jahre verstärkt informiert; sie soll gefördert werden. Auf der zugehörigen Website können Private, aber auch Firmen, Gemeinden, Vereine oder Schulen Zeugnis davon ablegen, wieviel Raum für die Natur sie geschaffen haben. So soll ein Netzwerk von Hotspots der Artenvielfalt entstehen.
Verschwörung der Umweltorganisationen
Derweil: Kaum war der Startschuss zur Mission B verklungen, meldete sich Kritik. Auf der Webseite zur Aktion liess sich erspähen, dass sie von Pro Natura und BirdLife Schweiz unterstützt werde. Zeitnah (also morgen, 26.3.19) lanciert Pro Natura im Verbund mit BirdLife und anderen Umweltorganisationen ihre Doppelinitiative Biodiversität und Landschaft: Während die Landschaftsinitiative strengere Regeln und einen Stopp der Ausnahmenpolitik beim Bauen ausserhalb der Bauzone fordert, möchte die Biodiversitätsinitiative den Bund bezüglich der Förderung der Biodiversität stärker in die Pflicht nehmen. Diese rasche Abfolge bildete nun die Grundlage für den Verdacht, die SRG lasse sich von den Umweltorganisationen instrumentalisieren. Man möge da an keinen Zufall glauben, hiess es; Schleichwerbung, unterstellte das führende Schweizer Boulevardblatt.
Nun gut. Bei allem Verständnis dafür, dass sich der Service Public einer politischen Positionierung zu enthalten habe. Und die Möglichkeit gewürdigt, dass man zur fachlichen Unterstützung einer schweizweiten Biodiversitäts-Kampagne auch den Tösstaler Theaterverein hätte ins Boot holen können. Ganz klug werden wir daraus trotzdem nicht. Wäre, im gleichen Sinn, auch die Ausstrahlung von "Bambi" zur Jagdsaison zu unterlassen? Oder die Elektrizitätswerke: Keine Aufrufe zum Stromsparen während Energiedebatten?
Wobei der Tadel sich ja weniger gegen die SRG richtet. Denn in dem Bild, das hier gezeichnet wird, ist sie nur der arme Tor, der sich von hinterhältigen Umweltverbänden manipulieren lässt. Wohin die darin angelegte Abneigung schliesslich zielen soll, lässt sich ableiten... Inhaltlich lässt sich wenig an der "Mission B" herummäkeln. Sie beschränkt sich - Service Public - auf Information zu einem drängenden Problem und die Begünstigung privater Initiative, betreffs seiner Lösung tätig zu werden. Und solcher Initiative bedürfen Schutz und Erhalt unserer Biodiversität nötig.
Biodiversität: Kein Anliegen für bessere Zeiten
Der Verlust der Biodiversität - also der Vielfalt des Lebens in all seinen Äusserungen - ist neben dem Klimawandel (und in Verbindung damit) wohl das weitreichendste Desaster, in das wir uns manövriert haben. Biodiversität meint mehr als nur Artenvielfalt, doch ist deren Schwund das deutlichste Zeichen, dass da etwas im Argen liegt. Die Konzentration der "Mission B" auf Insektensterben, die Verluste in den Bestandszahlen von Amphibien und Reptilien, Vögeln usw. macht unter diesem Gesichtspunkt offensichtlichen Sinn. Und wir Schweizer sind - auch wenn das dem Empfinden des Volkes der Wanderer intuitiv zuwiderlaufen mag - bezüglich deren Schutz keineswegs in Vorbildfunktion.
Im November 2017 wurde die Schweiz im Umweltprüfbericht der OECD spezifisch auch in diesem Zusammenhang gerügt. Dies keineswegs nur aus bösem Willen: Erschreckende 36% der Spezies hierzulande gelten als bedroht, betreffs der Ausweisung von Schutzgebieten hinken wir mit einem Anteil von 12% der Landesfläche europaweit hinterher. Selbst die Moore, deren Schutz wir in der Verfassung verankert haben, sind ungenügend betreut. Das nicht zuletzt darum, da ausgerechnet die reiche Schweiz beim Naturschutz knausert. Dem wenig entgegenzusetzen hat der im selben Jahr erschienene "Aktionsplan Biodiversität", der sich nach langjähriger Verzögerung als eine verwässerte Absichtserklärung weitgehend ohne quantitative Zielsetzungen, Prüfindikatoren und mit ungenügender finanzieller Rückendeckung präsentierte. In der Fortsetzung mussten wir uns Ende letzten Jahres vom Ständigen Ausschuss der Berner Konvention nochmals ermahnen lassen, doch endlich weitere Schutzgebiete zum Smaragd-Netzwerk anzumelden - einem europaweiten Netz von Schutzgebieten, dem wir uns verbindlich angeschlossen haben.
Derweil schreitet der Verlust von Biodiversität weiter voran. Das ist keine abstrakte Grösse: Das sind Arten, Lebensräume, genetische Vielfalt. Es ist die Grundlage, auf der wir unser Leben führen, wirtschaften, politisieren, Familien gründen. Die Natur kommt klar auch ohne uns. Jedoch wir nicht ohne sie.
Raum schaffen für die Natur
Umso erfreulicher ist es, wenn nun die SRG die ambitionierte Initiative ergreift. Sie zielt auf eine wertvolle Verbesserung. Ihr Slogan "Jeder Quadratmeter zählt" sagt schon, dass es vorrangig darum geht, der Natur wieder mehr Raum zur Entfaltung zu schaffen; in Naturgärten, bei renaturierten Gewässern, in Biotopen, landwirtschaftlichen Ausgleichsflächen, auf Industriebrachen oder Flachdächern… Der Möglichkeiten sind viele, und auch wer nur einen Balkon zur Verfügung hat, muss nicht zurückstehen. In Töpfen, Hochbeeten, Balkonkistchen lässt sich genauso Raum für zahlreiche Insekten und Vögel schaffen. Damit diese Sammlung von Quadratmetern dann nicht nur quantiv, sondern auch qualitativ zum Erfolg führt - und nicht zuletzt Spass bereitet -, bietet sie reichlich Informationen zum richtigen Vorgehen.
Tatsächlich geht es beim Schutz der Biodiversität, ganz pragmatisch, erst mal um das: Mehr Raum. Ein Netzwerk von kleinen biodiversen Flächen kann nicht alles, aber doch viel bewirken für die gefährdeten Arten in unserem Land. Und wer weiss, wenn die Zivilbevölkerung sich hier enthusiastisch ins Zeug legt, kommt vielleicht auch die Politik in die Gänge…?
Quellen und weitere Informationen:
Blick: SRG macht Schleichwerbung für Öko-Initiativen
Webseite Mission B
BAFU: Zustand der Biodiversität in der Schweiz
OECD: Die Schweiz sollte mehr unternehmen, um die Biodiversität zu retten
Pro Natura: Berner Konvention ermahnt die Schweiz zum Handeln
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