Eine neue Studie zeigt, dass neben Mikroplastik auch Mikrogummi die Umwelt schwerwiegend belastet, und zwar in einer unerwarteten Grössenordnung. Wenn man bedenkt, wie viele Autos auf unseren Strassen unterwegs sind und wie viel Reifenabrieb dabei anfällt, sind die Ergebnisse der Studie von Ramona Sieber, Delphine Kawecki und Bernd Nowack weniger überraschend.
EMPA Studie
Im Jahr 2013 haben Untersuchungen der Forschungsanstalt EMPA den jährlichen Reifenabrieb (Gummi und Russ), der auf unseren Strassen liegt auf 12`000 Tonnen berechnet. Diese Zahl wurde in der neuen Studie – veröffentlicht im November 2019 - übertroffen. Die Studie mit dem Titel „Dynamic probabilistic material flow analysis of rubber release from tires into the environment“ wurde von Forschenden der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA erstellt. Die folgenden Ergebnisse stammen von Zahlen und Daten zwischen 1988 und 2018 und gelten für die Schweiz.
Im Jahr 2018 wurden 1.29 kg (mit einer Abweichungsspanne von +/- 0.45 kg) Mikrogummi pro Kopf emittiert. 97 Prozent des Mikrogummis stammt von Reifen und 3 Prozent von Gummigranulaten (beispielsweise von Kunstrasen). Hauptverantwortlich für die Mikrogummi-Belastung sind deshalb LKW- und Autopneus. Strassen- und Abwasserreinigung konnten etwa 26 Prozent des Mikrogummis entfernen. Demnach landeten im Jahr 2018 0.96 kg/Kopf (+/- 0.35 kg) Mikrogummi effektiv in der Umwelt. 22 Prozent des Mikrogummis von Reifenabrieb landeten im Wasser, 74 Prozent am Strassenrand und 4 Prozent im Boden. Insgesamt häufen sich seit dem Jahr 1988 mehr als 200`000 Tonnen Mikrogummi in der Umwelt der Schweiz an.
Mikrogummi und Mensch
Für den Menschen selber stellen die Mikrogummipartikel keine wesentliche Bedrohung für die Gesundheit dar.
„Der Anteil von Reifenabrieb am eingeatmeten Feinstaub liegt auch an verkehrsnahen Standorten im tiefen einstelligen Prozentbereich“
Christoph Hüglin, Forscher bei der EMPA
Aber die grosse Menge macht Mikrogummi dennoch zu einem äusserst relevanten Thema. In Diskussionen rund um Mikroplastik wurde Mikrogummi bislang vernachlässigt.
„Die Menge von Mikrogummi in der Umwelt ist riesig und somit höchst relevant“
Bernd Nowack, Umweltwissenschaftler
Mikrogummi ist indessen in seinen Wirkungen auf die Ökologie und auf biologische Organismen nicht einfach mit Mikroplastik gleichzusetzen. Wie genau er sich auf die Umwelt auswirkt, muss nun Inhalt weiterer Forschungen sein.
Lösungen
Gesamtschweizerisch: Im Jahr 2000 sind die Richtlinien bezüglich der Wiederaufbereitung verschärft worden. Auf stark befahrenen Strassen muss das Abwasser seither von Filteranlagen gesäubert werden. Strassenabwasser besteht aus einer Mischung von Kies, Sand, Abfall und beträchtliche Mengen von Pneu- und Belagabrieb sowie Bremsstaub und Scheibenwischerwasser. Diese Masse darf nicht in Umlauf geraten, da ansonsten Umweltschäden entstehen. Deshalb errichtet das Bundesamt für Strassen ASTRA spezielle Strassenabwasser-Behandlungsanlagen, kurz SABA. Diese Vorschrift gilt aber bislang nur für stark befahrene Strassen. Nach Schweizer Definition muss eine Strasse ein tägliches Verkehrsaufkommen von mindestens 14`000 Fahrzeugen haben, um verschmutzt zu sein und folglich eine Filteranlage zu benötigen. Das System von SABAs reinigt das Schweizer Strassenabwasser noch nicht flächendeckend.
Individuell: Starke Beschleunigungen, gewagte Bremsmanöver oder schnelle Kurven ergeben eine hohe Belastung für den Pneu, sprich einen hohen Reifenabrieb. Nicht nur beim Fahrstil, sondern auch beim Kauf der Reifen kann individuell Einfluss genommen werden, indem ein Pneu mit möglichst geringem Abrieb gewählt wird.
Alternative: Eine umfassendere Lösung wäre der Verzicht oder zumindest die Verminderung des Autoverkehrs. Mit der Petition "Hurra ! Ab 2020 gibt es (hoffentlich) einen Sonntag im Jahr autofrei!" rückt diese Möglichkeit ein Stück näher.
Quellen und weitere Informationen:
Empa: Mikrogummi
Umweltperspektiven: Mikrogummi schlägt Mikroplastik
ASTRA: Strassenabwasser Behandlungsanlagen
SRF: 12`000 Tonnen Pneu Teilchen auf Schweizer Strassen
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