„…Frühlingslüfte wieder wehen, ach wie viele Berge werden zwischen uns, Geliebte, stehen!“
Nun gut, es ist alles in allem doch eher ein wehmütiges als ein fröhliches Gedicht, das uns der österreichische Dichter Hermann von Gilm hier in unseren Titel gespült hat. Aber davon lassen wir uns die Frühlingslaune nicht vermiesen, wenn wir jetzt dann gleich aufbrechen, uns ein paar verbreitete Wildblumen anzuschauen. Nur wenig eignet sich so prächtig, in Kindern – und Erwachsenen – Neugier und Gefallen an der Natur zu wecken, wie die bunten Farbkleckse auf den Wiesen, an den Waldrändern und in den Wäldern, die nach dem kargen Winter plötzlich wieder aufschiessen. Doch in wie vielen Fällen wissen wir eigentlich noch, was wir da sehen? Kann gut sein, dass wir uns auf der nächsten Frühlingswanderung einen Ruf als Naturkennerin verdienen, wenn wir auch nur ein paar Blümchen benennen können. Und nur wenig eignet sich so prächtig, an der Natur auch übers weitere Jahr ein lebendiges Interesse zu behalten, wie eine solche frühe Ehrung dann verteidigen zu wollen. Zwinkersmiley.
Für einmal soll es heute also nicht darum gehen, auf gefährdete Pflanzen hinzuweisen oder für den Schwund der Biodiversität zu sensibilisieren. Sondern uns an der Vielfalt zu freuen, die uns bereits das Frühjahr in die Landschaft legt. Schuhe gebunden, und los:
(Foto: sunflair, pixabay)
Weithin bekannt ist gewiss das Schneeglöckchen. In tieferen Lagen dürfte es jetzt, Ende März, bereits verblüht sein; die meisten Galanthus blühen in Januar und Februar und zeigen das nahende Ende des Winters an. Ob seiner Fähigkeit, den Schnee zu durchstechen und ihn um sich abzuschmelzen, wird verschiedentlich angenommen, dass das Schneeglöckchen (gleich einzelnen anderen Pflanzen) mittels Stoffwechselprozessen in seiner Zwiebel selbst Wärme erzeugt. Doch für diese sogenannte Thermogenese konnte bislang kein wissenschaftlicher Nachweis bei ihm erbracht werden. Es liegt also näher, anzunehmen, dass es einfach über seine Oberfläche Sonnenwärme absorbiert und wieder an die Umgebung abgibt.
(Hans, pixabay)
Leicht mit dem Schneeglöckchen zu verwechseln, aber grösser und mit neckischen gelben bzw. grünen Blütenblatt-Spitzen versehen: Der Märzenbecher. Wie die meisten Blumen hat auch die Frühlings-Knotenblume (Leucojum vernum) viele regionale Namen, wovon aber viele dann gleich auf die Blütezeit im März hinweisen. Der Märzenbecher braucht nährstoffreiche Böden und bevorzugt Auen- und Laubmischwälder, in denen er so früh im Jahr auch noch genügend Sonne abkriegt. Die Ähnlichkeit mit dem Schneeglöckchen ist kein Zufall; wie dieses gehört er zu den Amaryllisgewächsen.
(Ralph, pexels)
Vom Krokus (Crocus) in Einzahl zu sprechen, täuscht über die immense Vielfalt von über zweihundert (wilden und gezüchteten) Arten hinweg, in denen sich dieses Schwertliliengewächs zeigt. In Violett, Blau, Gelb oder Weiss zählt auch diese Blumengattung überwiegend zu den Frühblühern und war als Wildpflanze über fast das gesamte eurasische Festland verbreitet. Den Rest der Welt eroberte sie als Zierpflanze. Aus Anpflanzungen und Verwilderungen solcher Zierbestände dürften dann auch die meisten Krokusse stammen, denen wir nächstens – nämlich im April – auf Fettwiesen und Weiden begegnen. Auch die begehrte Gewürzpflanze Safran ist ein Krokus.
(baumannideen, pixabay)
Am Waldrand und im Wald begegnen wir dem Buschwindröschen oder dem „Geisseblüemli“. Es bildet die wichtige Krautschicht im Wald, während die Bäume noch keine Blätter tragen. Die unschuldig weisse, oft leicht rosa angehauchte Blume sollte indessen keine Wildblumen-Feinschmeckerinnen zum Probieren anregen, denn die Anemone nemorosa ist für uns Menschen giftig. Als typischer und verbreiteter Frühjahrsgeophyt blüht das Buschwindröschen vom März bis in den Mai hinein.
(pezibear, pixabay)
In grosser Zahl auftretend dient uns das Scharbockskraut als frühjährlicher Zeiger von nährstoffreichen (oder überdüngten) Wiesen und Weiden. Wegen seiner glitzernden, wie lackiert wirkenden gelben Blütenblätter wird die Blume in der Schweiz manchmal auch „Glitzerli“ genannt, ebenfalls bekannt ist sie unter dem Namen Feigwurz (Ficaria verna bzw. Ranunculus ficaria). Als Hahnenfussgewächs ist das Scharbockskraut mit dem normalen Hahnenfuss verwandt – den wir vielleicht als Butterblume kennen, wobei dieser Name allerdings wieder für verschiedene gelbe Blüten Verwendung findet... Es ist kompliziert. Die Blüten des Scharbockskraut ziehen jedenfalls Wildbienen an, und auch Wildblumen-Gourmets dürfen jetzt – in Massen – zuschlagen: Die jungen Blätter des Krauts (noch vor der Blüte) enthalten viel Vitamin C, weshalb sie früher im Frühlingssalat als hilfreiches Mittel gegen den Scharbock (Skorbut) verzehrt wurden.
(David Jakab, pexels)
Nicht mehr besonders vorstellen müssen wir dann wahrscheinlich die Osterglocke oder Gelbe Narzisse (Narcissus pseudonarcissus). Wobei aber auch hier die regionale Namensgebung wieder für Verwirrung sorgen kann, denn gelegentlich wird sie wiederum als Märzenbecher angesprochen. (Eine Aussprache zur Namenseinigung wurde damals anberaumt, dann aber wegen akuten Vogelsangs verschoben.) Über ihre ungefähre Blütezeit gibt uns ihr Name Auskunft; ihre diesbezügliche Pünktlichkeit und allgemeine Schönheit verhalf ihr zu ihrer Symbolik der Auferstehung und des ewigen Lebens. Mit ihren leuchtend gelben, manchmal aber auch gemischt weissen Blütenblättern wuchs sie ursprünglich nur in Westeuropa auf sonnigen bis halbschattigen, nährstoffarmen Wiesen. Ihre grosse Beliebtheit und Verbreitung als Zierpflanze kann darüber hinwegtäuschen, dass sie als Wildpflanze gefährdet und streng geschützt ist.
Und nachdem wir es nun trotzdem nicht lassen konnten, auch noch einen Artenschutz-Hinweis einzuflechten: Genug gesagt. Wir wünschen eine blütenprächtige Frühlingswanderung!
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