Mit rund einer Billion Menschen, die auf das Protein von Meeresfrüchten angewiesen sind, und 500 Millionen, die traditionelle Fischerei betreiben, ist ein doch wesentlicher Anteil der Menschheit direkt auf gesunde Meeresökosysteme angewiesen. Indirekt sind wir es alle, zumal das Meer entscheidend dazu beiträgt, unser Klima zu regulieren, und einen Grossteil unseres lebensnotwendigen Sauerstoffs produziert.
Die Überfischung in Zahlen
Problematisch ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass immer mehr gefischt wird, in immer grössere Tiefen und immer weiter weg von den Küsten. Die weltweite Meeresfrüchteproduktion hat sich in den letzten 50 Jahren vervierfacht und damit diese Ressource an ihr Limit gebracht. Weitere Teile des Problems der Überfischung sind auch der Beifang von Arten, die versehentlich im Netz landen und oft nicht einmal verwertet werden, der Lebensraum- und Beuteverlust sowie eine Reihe anderer menschlicher Einflüsse. Unter anderem hat dies zum Aussterben von über 70 Prozent der Haipopulationen geführt. Schätzungen zufolge könnten die Ozeane bereits im Jahr 2048 praktisch leergefischt sein. Im Allgemeinen fischen die Kleinfischer zwar selektiver und nachhaltiger als die grossen Industrieschiffe, allerdings macht ihre schiere Anzahl an den Küsten rund 90 Prozent der globalen Fischerei aus.
Die Anfänge des Gemeinschaftsbasierten Meeresschutzes
Blue Ventures ist eine Meeresschutzorganisation, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Fischergemeinden in ländlichen Orten werden beim Wiederaufbau der Fischerei und der Schaffung von dauerhaftem Einkommen unterstützt. Vor gut 20 Jahren nahm die Geschichte ihren Anfang. Der Direktor der Organisation, Alasdair Harris, arbeitete in einer abgelegenen Küstengemeinde in Madagaskar. Um mit dem schwindenden Fischfang zurechtzukommen, schlug er vor, die Korallenriffe für alle Formen des Fischfangs komplett abzusperren, sodass sich die Bestände erholen konnten. Dies jedenfalls war, was die Wissenschaft voraussagte: Nach etwa fünf Jahren sollten sich die Fischpopulationen in diesen Zufluchtsorten wieder regeneriert haben. Natürlich kam dies bei den Fischern überhaupt nicht gut an. Immerhin bildet der Fischfang ihre Lebensgrundlage und damit der einzige Schutz gegen Armut, Hunger und Zwangsmigration. Eine solche Einschränkung war also keine Lösung.
Als man schliesslich damit begann, den Gemeinschaften zuzuhören, verstand man, dass besonders die Tintenfische ein fundamentales Nahrungsmittel der Einwohner bilden. Die Tiere wachsen sehr schnell und sind imstande, ihr Gewicht alle ein bis zwei Monate zu verdoppeln. Man kam also zum Schluss, dass der Schutz eines nur kleinen Bereichs des Fischfanggebiets für ein paar Monate ausreichen könnte, um einen Unterschied zu machen. Tatsächlich: Als das Riff sechs Monate später wieder für den Fischfang geöffnet wurde, stiegen die Fänge im Vergleich zu vorher sprunghaft an. Es waren mehr und grössere Tintenfische vorhanden, als irgendjemand seit Jahren gesehen hatte. Vom Erfolg überzeugt führten auch benachbarte Dörfer befristete Fischereisperren ein und das Modell verbreitete sich über Hunderte von Kilometern entlang der Küstenlinie. Indem also für eine kurze Zeit weniger gefangen wurde, konnten die Gemeinden ihr Einkommen innerhalb weniger Monate verdoppeln. Der Wandel der sich daraufhin vollzog, war aber noch tiefgreifender.
Gesellschaftspolitische Auswirkungen
Die steigenden Fänge führten dazu, dass sich Verantwortliche aus der Region mit über 20 Nachbargemeinden zusammenschlossen. Entlang der Küste wurde ein riesiges Naturschutzgebiet eingerichtet, das unter anderem das Fischen mit Gift untersagte. Rund um bedrohte Korallenriffe und Mangroven wurden dauerhafte Zufluchtsorte für eine Vielzahl von Arten geschaffen. Schliesslich konnten sich die beteiligten Fischergemeinden innerhalb von fünf Jahren rechtlich die Verwaltung von 200 Quadratmeilen Meeresfläche sichern und so die besonders zerstörerischen Industrietrawler aus den Gewässern verbannen.
Diese Erfolge lösten eine Revolution aus. Sie zeigen, dass der Meeresschutz weit über den Schutz der Natur hinausgehen kann, indem der soziale Wandel entlang ganzer Küsten angetrieben wird. Die Zusammenarbeit der Gemeinden führt zu einer grösseren Widerstandsfähigkeit gegenüber den grösseren Gewalten.
Ausgelöst wurde dadurch aber auch ein Wandel bei Naturschützern und Entscheidungsträgern. Vermehrt sollte von da an die lokale Ernährungs- und Arbeitsplatzsicherheit im Vordergrund stehen und der Schutz des Ozeans weniger an abstrakten wissenschaftlichen Daten ausgerichtet werden.
Steter Tropfen höhlt den Stein
Das Bekämpfen der Überfischung ist natürlich nur Teil des Problems. Unsere Ozeane haben auch mit der Erwärmung, Versauerung und Verschmutzung zu kämpfen. Allerdings ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – und allemal besser als aufzugeben. Die Erfolge geben den Massnahmen recht. Erst wenn die Realität und die Probleme der Gemeinschaften verstanden werden können, können Lösungen geschaffen werden, die Fischerfamilien und den Meeresschutz zugleich unterstützen.
Blue Ventures arbeitet heute in 14 Ländern von Belize, zu Guinea-Bissau, Indien, Thailand und den Philippinen mit traditionellen Fischergemeinden an gemeinschaftsbasierten Lösungen im Meeresschutz.
Quellen und weitere Informationen:
Blue Ventures
Earth.org: 11 Overfishing Statistics and Facts you should know about
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