Zu viel Plastikmüll wird verbrannt

12 Apr 2013

Die Schweizer rühmen sich gern für ihr gutes Recycling-System. Doch abgesehen vom PET landen viele Tonnen Plastikmüll hierzulande immer noch in Verbrennungsanlagen, obwohl sie theoretisch reziklierbar wären. Nun will die Migros als erster Grosshändler alle Arten von Plastikflaschen zurückzunehmen.

Gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) werden in der Schweiz jährlich rund eine Million Tonnen Kunststoffe verbraucht. Ein Viertel davon wird als Verpackungsmaterial genutzt, ein Drittel als Baukunststoff. Das verbrauchte Material wird zu über 80 Prozent in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) verbrannt und meist als Fernwärme genutzt. Die entstehenden Reststoffe und Filterstäube werden deponiert. Weniger als 10% finden in Zementwerken als Ersatzbrennstoffe Verwendung. Ebenfalls nur 10% der Abfälle werden in der Schweiz zurzeit stofflich rezikliert, d.h. zu Plastikgranulat verarbeitet.

Beispiele aus unseren Nachbarländern Österreich und Deutschland zeigen jedoch, dass in dieser direkten Weiterverarbeitung ein grosses ökologisches und ökonomisches Potenzial steckt. In beiden Ländern werden die Plastikabfälle vom Restmüll getrennt gesammelt und anschliessend in modernen Sortieranlagen in die verschiedenen Kunststoffarten (z.B. Polyethylen PE, Polyvinylchlorid PVC oder Polyethylenterephthalat PET) aufgeteilt. Die weitgehend maschinellen, hoch entwickelten Trennungsverfahren ermöglichen die Herstellung von hochwertigen Kunststoffgranulaten, welche für die Produktion von Plastikflaschen, -säcken und weiteren Produkte verwendet werden. Die so entstehenden PE-Kunststoffe sind in der Industrie so beliebt, dass der Müll sogar von ausländischen – unter anderem auch Schweizer – Recyclingfirmen aufgekauft wird.

Über 80 Prozent des Schweizer Kunststoffmülls landet zurzeit in den Kehrichtverbrennungsanlagen.

Um die bessere Verwertung von Plastik in der Schweiz voranzutreiben, hat das BAFU vor einigen Jahren eine gross angelegte Studie in Auftrag gegeben (vgl. Projekt Kunststoff-Verwertung Schweiz – Modulbericht 1 und 2; Module 3 und 4 sind noch in Arbeit). Das Projekt untersucht, ob sich Gemischt-Sammlungen für bestimmte Kunststoffarten wirtschaftlich und ökologisch rechtfertigen. Bereits 2011 kam man zum Schluss, dass es eindeutig umweltschonender wäre, Plastik künftig zu reziklieren, statt zu verbrennen (vgl. BAFU). Dennoch wurde seither wenig unternommen. Einzelne Gemeinden, wie z.B. die Stadt Bern haben Pilotprojekte gestartet und sammeln den Plastik teilweise bereits seit einigen Jahren. Offenbar besteht jedoch vielfach das Problem, dass es für die Plastikabfälle aktuell noch zu wenig Verwertungsmöglichkeiten gibt. Zudem sei das deponierte Plastikgemisch in öffentlichen Sammelstellen meist von sehr schlechter, unreiner Qualität (vgl. der Bund, Nov 2011). Welche Formen des Plastikrecycling in der Schweiz wirtschaftlich und logistisch am sinnvollsten sind sollen die Module 3 und 4 der BAFU-Studie bald aufzeigen.

In der Zwischenzeit zeigt sich auch der Detailhandel zunehmend interessiert am Plastikrecycling. Die Migros hat eben als erster Grosshändler angekündigt, bis Ende 2013 alle Plastikflaschen zurückzunehmen und zu reziklieren. Ein Pilotprojekt in der Region Luzern läuft bereits erfolgreich. Die Plastikflaschen und andere Hohlkörper bestehen meist aus wertvollen Polyethylen und lassen sich bestens weiterverarbeiten. Nach Marktschätzungen landen jährlich rund 15‘000 Tonnen solcher Kunststoff-Hohlkörper im Abfall. Die Migros rechnet damit, durch ihre Sammlung jährlich rund 2000 Tonnen davon vor der Verbrennung zu bewahren. Ob und wann sich das Kunststoffrecycling auf die ganze Schweiz ausdehnt, ist zurzeit noch ungewiss. Die Logistik verschiedener Detailhändler wie Coop oder Denner sei zurzeit ungeeignet für ein effizientes Plastikflaschen-Recyclingsystem; die Migros verfüge dagegen bereits über viele der benötigten Infrastrukturen. Währenddessen erwägt das BAFU bereits, für gewisse Plastiksorten ein obligatorisches Recycling einzuführen. Die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (IG DHS), zu der u.a. die Migros, Coop und Denner zählen, ist davon jedoch wenig begeistert: Ein allgemeines Plastikrecycling sei momentan „zu aufwändig und zu teuer“ und deshalb „undenkbar“…!

Medienmitteilung Migros, 6. Aug 2012
BAFU Infoseite zum Thema Kunstoffe
Projekt Kunststoff-Verwertung Schweiz Module 1 und 2, BAFU 2011
Swiss Recycling Wissen: Studien und Artikel zur Separatsammlung

Srf Radio Espresso – Plastikflaschen-Recycling: Nur bei der Migros, 9. Apr 2013
Srf Radio Espresso – Detailhandel will Kunststoffrecycling ausbauen, Apr 2011
Srf Radio Espresso – In Österreich ist Plastik-Recycling Standard, Apr 2011
Srf Video Einstein – Schweizer sind keine Recycling Weltmeister mehr, März 2012

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