Fracking – Gespaltene Geister über die neue Gasfördertechnologie

06 Mai 2013

Die neue Öl- und Gasfördertechnologie „Fracking“ – in den USA ein grosser Trend – hält vermehrt auch in Europa Einzug. Während die einen sich davon grosse Öl- und Gasreserven für die Zukunft erhoffen, relativieren die anderen deren Erfolg und machen auf die vielen Umweltrisiken aufmerksam...

Die USA fördert mittlerweile rund die Hälfte ihres Erdgases per Hydraulic Fractioning (Hydraulisches Aufbrechen) oder kurz: „Fracking“. Bei dieser neuen Fördermethode wird aussergewöhnlich tief liegendes Erdgas oder -öl gewonnen, indem ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in den Boden gepumpt wird und dadurch das Tiefengestein aufbricht. Durch die Risse wird Gas oder Öl freigesetzt, welches anschliessend an die Oberfläche gepumpt wird.

Das „Fracking“ hat in den USA einen regelrechten Gas-Boom ausgelöst. Tausende Unternehmen und Arbeitskräfte sind in den letzten Jahren in die Fördergebiete „gepilgert“, um dort grosse Geschäfte zu machen. Die US-amerikanische Industrie und Politik sind begeistert vom „Fracking-Wunder“ und erhoffen sich dadurch die komplette Unabhängigkeit von Gas und Öl-Importen. Tatsächlich wird in den USA bereits erheblich mehr Gas produziert als noch vor einigen Jahren; längerfristig will der Staat zum grössten Gasproduzenten weltweit aufsteigen.

Doch eben so euphorisch wie viele diese neue Technologie bejubeln, stehen ihr andere kritisch gegenüber. Besonders seit auch in Deutschland und der Schweiz über mögliche Bohrungen diskutiert wird, ist die Thematik höchst umstritten. Obwohl in den Schlagzeilen teilweise von übertriebener „Angst“ gesprochen wird, kommt die Skepsis nicht von ungefähr. Verschiedenste Dokumentationen zeigen, dass das Fracking zu erheblichen Umweltschäden führt. So hat in US- Fördergebieten der Chemiecocktail, welcher bei diesem Verfahren in den Boden gelangt, das Grundwasser stark verseucht. Trinkwasserproben der betroffenen Gebiete zeigen u.a. gefährlich hohe Chlorid-, Methan- und sogar Uranwerte. Der Zusammenhang zwischen dem Fracking und den Chemikalien liegt auf der Hand – obwohl die Förderunternehmen die Zusammensetzung des verwendeten Chemiecocktails absurderweise nicht bekannt geben müssen.

In den USA werden pro Fracking-Bohrung zwischen 11 und 18 Millionen Liter Wasser verbraucht.

In der politischen Diskussion um die Frage, ob Fracking auch in Europa zum Einsatz kommt, wird das Umweltrisiko ernst genommen. Dennoch spielen die Industrie und einige Geologen die Gefahren immer wieder herunter: In den USA sei teilweise übereilig und unseriös gebohrt worden. Bei einer korrekten Anwendung der Technologie seien Wasserverschmutzungen aber unwahrscheinlich. Doch auch ein kleines Risiko kann in so dicht besiedelten Gebieten wie Deutschland oder der Schweiz nicht einfach so hingenommen werden. Zudem verbraucht das Fracking in jedem Fall riesige Mengen Wasser und verursacht enorme Kosten. In den USA beläuft sich der Wasserverbrauch offenbar auf 11 bis 18 Millionen Liter Wasser pro Bohrung. Selbst wenn das mit Chemikalien verseuchte Wasser dem Boden nach dem Fracking – zumindest im Idealfall – teilweise wieder entzogen und gereinigt wird, ist das Verfahren angesichts der starken Giftstoffe nicht nur sehr gefährlich, sondern auch äusserst aufwändig und kostspielig. Vielerorts haben die angestiegenen Erdöl- und Gaspreise dazu geführt, den Umstieg auf erneuerbare Energien zu fördern. Andererseits sind die höheren Preise dafür verantwortlich, dass die neuen Gewinnungsmethoden wie Fracking oder der Abbau der Ölsande überhaupt finanziell erfolgsversprechend wurden.

Abgesehen von den ökologischen Risiken, kommen vermehrt auch weitere Bedenken auf bezüglich der angeblich vielversprechenden Gasgewinnung. So kommt eine neue Studie der Energy Watch Group zum Schluss, dass das Fracking-Potenzial wohl weitaus kleiner ist, als angenommen. Obwohl es viele Vorkommen gäbe, würden die Fracking-Quellen ihr Fördermaximum wesentlich schneller erreichen, als konventionelle Quellen. Für die immer schneller erschöpften Quellen heisst dies, dass immer schneller und immer mehr neue Felder erschlossen werden müssen. Dadurch wird der Ertrag immer kleiner und der finanzielle Aufwand immer grösser. Die ohnehin teure Methode dürfte sich so längerfristig kaum lohnen – insbesondere wenn dabei auch noch umfassende Umweltstandards eingehalten werden sollen... (was in den USA offensichtlich nicht zutrifft).

Trotz Fracking und Ölsanden wird der Kohle-, Öl- und Gaspeak – und damit das Ende der billigen fossilen Energieträger im Überfluss – nicht weiter hinausgezögert. Anstatt zur Lösung des Energieproblems beizutragen, lenkt der Fracking-Boom nur von der Notwendigkeit der Energiewende ab. Gemäss einigen Finanzexperten birgt der Boom zudem grosse ökonomische Gefahren: Sollten sich irgendwann die Erwartungen an das Fracking als übersteigert erweisen, platze die nächste Spekulationsblase...

Durch die aufwändige Förderung der wahrscheinlich letzten, tief verborgenen Gas- und Ölvorräte des Planeten werden also vor allem Risiken geschaffen. Das Problem der künftigen Energieversorgung wird damit nicht gelöst. Fracking hin oder her – in der Zukunft geht wohl kein Weg am Energiesparen und am konsequenten Einsatz erneuerbarer Energien vorbei.

Weiterführende Infos
European Geosciences Union: General Assembly 2013 Great Debate: Shale Gas: to frack or not to frack?, Apr 2013 (En)
Galileo Extrem Fracking USA, 29. Apr 2013
Studie der "Energy Watch Group" (En), März 2013
ARD Fracking wird gewaltig überschätzt, 25. März 2013
Zeit Online Amerika im Gasrausch, Wie gross sind die Vorräte wirklich?, 14. Feb 2013
Kein Schiefergas in der Schweiz? 30. Jan 2013
ARTE Dokumentarfilm "Gasfieber", 29. Jan 2013

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