Mit Schneekanonen auf den Klimawandel schiessen

Tonnenweise Wasser für stets weisse Pisten. Tonnenweise Wasser für stets weisse Pisten.

Über ein Drittel aller Schweizer Pisten wird künstlich beschneit; Tendenz steigend. Gestiegene Ansprüche der Schneesportler, aber auch wirtschaftliche Überlegungen der Bergbahnen tragen zur Aufrüstung in Wintersportdestinationen bei, mit weitreichenden Folgen für die Umwelt und die menschliche Existenz.

„Talabfahrten geschlossen infolge Schneemangel“ – das lesen Schneesportler ungern, egal in welchem Wintermonat, unabhängig von den Temperaturen. Die Ansprüche der Schneesportler steigen, alle Pisten sollen die ganze Saison befahrbar bleiben. Damit die Touristen nicht in schneereichere Gebiete abwandern, rüsten die Wintersportdestinationen auf; sie beschneien ihre Pisten mit Schneekanonen, um ihre Gäste nicht zu verlieren. In den letzten Jahren wurde die künstliche Beschneiung im ganzen Alpenbogen massiv ausgebaut; so auch in der Schweiz, wo mittlerweile 36 Prozent der 22‘300 Hektaren Pisten künstlich beschneit werden. Ein Ende der Aufrüstung ist nicht absehbar.
Ursprünglich diente Kunstschnee dazu, Stellen zu beschneien, die früh ausapern oder viel befahren werden. Inzwischen werden riesige Flächen künstlich beschneit. Der Wunsch nach stets weissen Pisten kann nur durch künstliche Beschneiung erfüllt werden, denn immer häufiger reicht der natürliche Niederschlag nicht aus. Das hat einen enormen Bedarf an Energie und Wasser zur Folge. Bedenklich ist, dass sich die Anlagen zur künstlichen Beschneiung in immer höhere, ökologisch empfindliche Lagen hoch ziehen. Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA schreibt dazu in einem Bericht: „Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung mutet die Aufrüstung mit Schneekanonen absurd an: Mit dem Argument der abnehmenden Schneesicherheit wird die künstliche Beschneiung gefördert. Schneemangel, verursacht vor allem durch Energieverschwendung, wird durch weitere Energieverschwendung kompensiert – ein Teufelskreis.“

Enormer Ressourcenverbrauch

Eine Studie des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung in Davos (SLF) hat gezeigt, dass das Einschneien eines grossen Skigebiets mit rund 550‘000 kWh Strom zu Buche schlägt. Dies liegt in der Grössenordnung des Betriebes einer offenen Kunsteisbahn in Zürich, die rund 800‘000 kWh pro Jahr verbraucht. So ist denn auch der Energiebedarf für die Beschneiung des Skigebiets Davos mit 0.6% des Gesamtenergieverbrauchs der Gemeinde vernachlässigbar. Der Wasserbedarf hingegen wiegt verhältnismässig schwer: Dieser macht bis zu 30 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs der Gemeinde aus. Die Grundbeschneiung, das heisst eine Schneehöhe von 30 Zentimetern, benötigt für eine Hektare Piste eine Million Liter Wasser! Bei der Nachbeschneiung wird noch deutlich mehr Wasser pro Hektare eingesetzt. Die Studie errechnete einen Wasserbedarf von rund vier Millionen Litern Wasser für die Beschneiung einer Piste von der Grösse einer Hektare für eine ganze Saison. Der enorme Wasserbedarf liegt in der mangelnden Effizienz der Beschneiungstechnik. Einerseits verdunsten grosse Mengen Wasser aus Reservoirs und Speicherseen, die eisfrei gehalten werden, damit das Wasser für die Beschneiung daraus gepumpt werden kann. Andererseits verdunstet ein Drittel während des Beschneiungsvorgangs. So geht ein grosser Teil des Wassers verloren bevor es überhaupt in Form von Schnee auf der Piste liegen bleibt.
Dass es durch den hohen Wasserbedarf für die Beschneiung der Skigebiete zu Wasserknappheit kommt, ist nahe liegend. Das ist besonders gravierend, da die Berggebiete die Quelle von zwei Dritteln der weltweiten Süsswasserressourcen sind. In den Französischen Alpen führen in den Wintermonaten manche Flüsse bereits 70 Prozent weniger Wasser als vor der Installation der ersten Schneekanonen. „Die Wasserspeicher, die bis in die Gipfelregionen gebaut werden, verändern den Wasserhaushalt ganzer Regionen“, erklärt Carmen de Jong, ehemalige wissenschaftliche Leiterin des Hochgebirgs-Institutes der Universität Savoyen gegenüber dem Alpenmagazin. Im Hitzesommer 2003 hätten Bauern Wasser mit Traktoren auf die Alpen bringen müssen, um das Vieh vor dem Verdursten zu bewahren, berichtet sie weiter und folgert: „Wasser-Konflikte zwischen Wintertourismus und Landwirtschaft sind vorprogrammiert.“ Das Wasser für die Beschneiung wird Bächen, Flüssen, Quellen und sogar der Trinkwasserversorgung entzogen und dies ausgerechnet in einer Jahreszeit, in der das meiste freie Wasser in der Natur in Eis und Schnee gebunden ist, und die Gewässer ohnehin Niedrigstwasser führen. Das ist nicht nur ökologisch problematisch, sondern auch aus der Sicht der Kraftwerke: Wasser, das eigentlich für die Stromerzeugung zur Verfügung stehen sollte, wird in Schnee umgewandelt.

Die künstliche Beschneiung stört die Tier- und Pflanzenwelt

Eigens für die künstliche Beschneiung werden Speicherteiche errichtet, um noch mehr Wasser für das Beschneien aufzufangen. Zu diesem Zweck geeignete Standorte sollten relativ flach sein oder in Senken liegen. Gerade dort befinden sich Feuchtgebiete, die durch den Bedarf an Speicherteichen zu verschwinden drohen. Speicherteiche bieten auf den ersten Blick gute Überwinterungsmöglichkeiten für Amphibien. Die starken Wasserstandsschwankungen, die durch die Entnahme von Wasser für die Herstellung von Kunstschnee verursacht werden, machen diese Teiche zu Amphibienfallen. Der Betrieb von Schneekanonen ist mit hohen Lärmemissionen verbunden, die mit einem fahrenden Lastwagen vergleichbar sind. Viele Tiere meiden Gebiete, in denen Schneekanonen laufen: Wald-, Raufuss- und Sperlingskäuze haben oberhalb von 1500 Metern über Meer ihre angestammten Gebiete verlassen, aber auch Hasen, Gämsen, Rehe und Hirsche meiden die Nähe laufender Anlagen, die oft auch eine störende Lichtquelle darstellen.
Kunstschnee enthält bis zu acht Mal mehr Nährstoffe als natürlicher Schnee. Schmilzt dieser Schnee, so düngt er die alpinen Weiden und Wiesen. Es besteht vereinzelt sogar die Gefahr der Ausbringung von Schadstoffen und Krankheitserregern, wenn das Wasser aus belasteten Gewässern entnommen wird. Im savoyischen Peisey-Nancroix suchte im Jahr 2005 eine Durchfallepidemie das ganze Seitental heim. Die Armee hat folglich Trinkwasser in Flaschen verteilt. Die Ursache für die Durchfallepidemie wurde der betroffenen Bevölkerung nicht mitgeteilt. Carmen de Jong äussert gegenüber der WOZ die Vermutung, mit Krankheitserregern verseuchtes Schmelzwasser von Kunstschneepisten habe damals das Trinkwasser kontaminiert.

„Wasser-Konflikte zwischen Wintertourismus und Landwirtschaft sind vorprogrammiert.“
Carmen de Jong, Hydrologin

Kunstschnee ist fünf bis 30 Prozent dichter als natürlicher Schnee. Es dauert somit im Frühling länger bis die Pisten ausapern (siehe auch Wintersportserie Teil 2). Auf Vorrat angelegte Kunstschneehaufen füllen kleine Tälchen und Wäldchen. Bei Schneemangel werden die angehäuften Schneemassen auf dem Gelände verteilt. Sind die Vorräte aufgebraucht, oder konnte nicht beschneit werden wegen zu warmen Temperaturen (die künstliche Beschneiung funktioniert nur bis zwei Grad Umgebungstemperatur), so werden Schneereste im ganzen Gebiet zusammen gekratzt und ausapernde Pisten werden bis zuletzt befahren. Die Kanten der Ski und Snowboards und die Raupen der Pistenfahrzeuge beschädigen dabei die Böden und die Vegetation, der Kunstschnee kann hierbei Abhilfe schaffen, indem er durch eine vollständige Bedeckung diese schont.

Die Zeichen stehen auf Aufrüstung

Die künstliche Beschneiung wird weiter vorangetrieben trotz ihres immensen Wasserbedarfs. Effizientere Schneekanonen könnten zwar den Stromverbrauch senken. Doch werden der Ausbau und die flächendeckende Dauerbeschneiung trotz Sparmassnahmen zu einem Anstieg des Ressourcenbedarfs führen. Der Bund Naturschutz in Bayern folgert in einer Studie zu Schneekanonen: „Durch den Klimawandel werden die Zeitfenster zur Schneeerzeugung immer kleiner: Das heisst, es muss in immer kürzerer Zeit immer mehr Schnee gemacht werden. Damit wird nicht nur im Grundlastbereich der Kraftwerke beschneit, sondern auch im Spitzenlastbereich. Das ist noch teurer und noch unökologischer.“ Prophezeit wird für den Zeitraum von 2030 bis 2050, dass nur noch Gebiete oberhalb von 1600 Metern über Meer schneesicher sein werden und der Weltklimarat rechnet in seinem zweiten Weltklimabericht bei einer Erwärmung um zwei Grad Celsius und gleich bleibender Niederschlagsmenge mit 50 zusätzlichen Tagen ohne Schnee. Die Wintersportgebiete werden mit einer Expansion nach oben reagieren, was den Druck durch den Ausbau im sensiblen Hochgebirge steigern wird. Schon 1996 folgerten Doering & Hamberger: „Vor diesem Hintergrund [dem Klimawandel] mutet die Aufrüstungswelle mit Schneekanonen geradezu absurd an. […] Die künstliche Beschneiung fördert die Illusion von weitgehender Machbarkeit. Schneereiche Winter, die vor allem durch Energieverschwendung immer seltener werden, sollen für eine Übergangszeit durch weitere Energieverschwendung zurückgekauft werden.“

Weitere Informationen:
Wie funktioniert eine Schneekanone? (Infografik von strom online)

                                                   

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