Land Grabbing - Aktuelle Fälle - Lichtblicke

Symbolbild Symbolbild

Es sind vorwiegend die Länder auf der Südhalbkugel unserer Erde die durch Land Grabbing negativ beeinflusst werden. Aber auch in Osteuropa werden riesige Felder von ausländischen Firmen kontrolliert. Eine aktuelle Auflistung grosser Fälle und einiger Lichtblicke…

Osteuropa (3.7.2014)

Ungarn und Rumänien mussten nach dem EU-Beitritt den Landmarkt liberalisieren. Die Produkte der Kleinbauern sind häufig nicht konkurrenzfähig mit der subventionierten EU-Ware und so bleibt den Bauern vermeintlich nur der Verkauf ihres Landes. Meist müssen sie danach allerdings als noch schlechter bezahlte Erntehelfer auf fremden Plantagen ihr Überleben bestreiten. Schon vor der Öffnung des Marktes waren 700‘000 ha in der Hand von transnationalen Unternehmen. In Ungarn sind es beispielsweise 200 österreichische Betriebe, die 200‘000 ha Land bewirtschaften. In Serbien beträgt nur schon die von den Vertragspartnern eines einzelnen Österreichischen Unternehmens verwaltete Fläche 100‘000 ha. Dort werden vorwiegend Zucker, Mais, Weizen und Sonnenblumensaatgut produziert.

Serbien – nach Kritik nun Gegentrend (7.8.15)

Grosse Teile des Serbischen landwirtschaftlich nutzbaren Landes sind zurzeit nicht kultiviert. Um der widerrechtlichen Aneignung von Staatsland entgegenzuwirken, wird Serbien je bis zu 30 ha seines staatlichen Landes an interessierte Kleinbauern verkaufen. Dies teilte der Serbische Minister für Landwirtschaft und Umweltschutz Snezana Bogosavlijevic Boskovic anfangs August 2015 mit. Ins Gesetz wird zudem eine Möglichkeit aufgenommen, für fünf Jahre gratis Land zu pachten - mit der Option, diese Zeit auf 20 Jahre zu erweitern. Widerrechtliche Aneignungen werden in Zukunft gebüsst.

Kolumbien – negative Auswirkungen sichtbar (11.8.2015)

Kolumbien ist eines der typischen von Land Grabbing betroffenen Länder: Auf der südlichen Erdhalbkugel gelegen, seit Jahrzehnten geplagt von schwelenden bewaffnete Konflikte, die in über 5 Millionen Binnenvertriebenen resultierten. 2012 lebte noch immer ¼ der Bevölkerung unter dem Existenzminimum, das durchschnittliche Bruttosozialprodukt ist sehr tief (um 2000 US$) und die Bodenschätze sehr zahl- und umfangreich (Kohle, Erdöl, Nickel, Smaragde). Kolumbien ist der weltweit viertgrösste Palmöl-Produzent. Ölpalm-Plantagen haben einen verheerenden Effekt auf das Land und die Rechte der Landwirte und der Eingeborenen. Die Regierung ignoriert die Umweltzerstörung (Wasser, Flora und Fauna, Wälder) und die Firmen gehen straffrei aus.

Ein erschreckendes Beispiel: 1997 fand in Mapiripan eins der grössten Massaker in der Geschichte Kolumbiens statt. 2008 kam die italienische Firma Poligrow dorthin und machte Studien zur Pflanzung von Palmölplantagen. Paramilitärs bedrohten daraufhin die Ureinwohner, wo sich die Pläne der Firma mit dem Land der Ureinwohner kreuzten. Schon 2010 wurden die ersten Ölpalmen gepflanzt. Poligrow verbietet den Einheimischen seither den Zugang zu heiligen Stätten und traditionellen Jagd- sowie Fischgründen.

Schon heute kann man einen negativen Effekt auf den Wasserhaushalt der Region erkennen. In Mapiripan wachsen normalerweise Palmen der Art Mauritia flexuosa, die ‘Morichales‘ genannt werden. Wo sie wurzeln, befördern sie das unterirdische Wasser aus dem Grund, welches dann als Bächlein oberirdisch fliesst. Menschen und Tiere sind auf diese Wasserquellen angewiesen. Die Ölpalmen, im Gegensatz zu den Morichales, verbrauchen das Wasser direkt für sich, die Bächlein trocknen aus.

Australien – keine oder nur leise Bedenken (23.6.2015 & 10.8.2015)

In Australien bietet eine Familie über 100‘000 km2 Land mit unzähligen Rinderfarmen zum Verkauf an. Das entspricht gut zweieinhalb Mal der Fläche der Schweiz. Mehr als die Hälfte der Bieter sind Australier, aber auch die Schweiz ist scheinbar unter den letzten 30 Bietern vertreten. Die Familie erhofft sich um die 325 Mio. $. Nicht alle sind ob des Verkaufs an einen potentiell ausländischen Käufer erfreut. Der Manager der den Verkauf für die Familie bearbeitet, meinte jedoch, Hysterie sei nicht angebracht, da alle Verwaltungen (Australien und die betroffenen Teilstaaten) sowie der Überprüfungsausschuss für ausländisches Investment involviert seien.

Ausserdem begab sich der Australische Premier Tony Abbott (Liberal Party of Australia) nach Kanada, um für Investitionen in Australische Mandelfelder zu werben. In der Folge investiert nun Kanadas Lehrerpensionskasse 115 Millionen Australische Dollar in Mandelfelder in Australischen Staat Victoria. Der Schweizer Fond Adveq Real Assets hat gemeinsam mit einem Amerikanischen und einem Dänischen Fonds 18‘000 ha Mandelhaine für 211 Mio. AUS$ gekauft.

Kanada – Provinzen handeln (10.8.2015)

Die Preise für Rohstoffe weltweit werden nicht günstiger und Kanada hat riesige natürliche Ressourcen. Mehr und mehr grosse Investoren kommen deshalb auf die Idee, ihr Geld dort anzulegen - auch inländische. Das Canada Pension Plan Investment Board - der Vorstand einer Pensionskasse - hat 1‘150 ha Farmland in Saskatchewan (Zentralkanada) gekauft. Die Bodenpreise steigen. Die Provinzregierung möchte nun die Regeln ändern, um den Kleinbauern den Kauf von Land zu erleichtern. Schliesslich kauft die Pensionskasse das Land mit den Geldern der Arbeiter, da sollten sie die Kleinbauern nicht konkurrenzieren. Was fehlt, ist eine sinnvolle Übersicht darüber, was im Land gerade passiert. Grosse Einkäufe stehen im Zentrum des öffentlichen Interesses, aber die vielen Kleinanleger, die selber keine Landwirtschaft betreiben, sind in keinem landesweiten Register aufgeführt. Die Canadian Federation of Agriculture (Kanadischer Landwirtschaftsverband) packt das Problem nun an – wird aber wohl noch ein Weilchen für die Lösung brauchen.

Vergleich mit der Schweiz:
Gesamtfläche 41‘285 km2 davon 23.9 % Landwirtschaftsflächen und 13 % Alpwirtschaftliche Nutzflächen. Die Fläche der Landwirtschaft beträgt also 1‘052‘000 ha! 70.9 % davon ist Grünfläche, 13.8 % Getreide, 6.4 % übrige offene Acker, 3 % Kartoffel, Zucker und Futterrüben, 2.4 % Ölsaaten, 2.2 % Dauerkulturen, 1.2 % Übrige. Die Obstbaufläche ist rückläufig und beträgt heute rund 30‘000 ha. Die Zahl der Betriebe nimmt stetig ab und liegt momentan bei 57‘600. Ein Betrieb hat durchschnittlich 18.3 ha Nutzfläche; die allermeisten sind Familienbetriebe. In Tal- und Hügelregionen gibt es je um die 1300 Biobetriebe, in Bergregionen über 3000.

Weitere Informationen:
Topaktueller Film Mapiripan: Between Water and Oil Palm
Original Artikel Osteuropa
Original Artikel Serbien (english)
Original Artikel Kolumbien (english)
Original Artikel Australien 1 (english)
Original Artikel Australien 2 (english)
Original Artikel Kanada (english)
Zahl der Flüchtlinge UNHCR
Weltkarte Land Grabbing Agrarbericht

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail redaktion@umweltnetz-schweiz.ch

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.