Treibstoff des Lebens: Phosphor und Phosphate

Die sogenannte Anthocyan-Verfärbung ist ein typisches Zeichen von Phosphormangel Die sogenannte Anthocyan-Verfärbung ist ein typisches Zeichen von Phosphormangel

Phosphor ist essentiell für das irdische Leben; ohne Phosphor gibt’s nix zwischen die Zähne. Und auch keine Zähne. Umso beunruhigender, dass es indessen zu den kritischen Ressourcen zählt.

In unserer Reihe “Seltsames Verhalten unserer Ahnen“ (siehe hier) beschäftigen wir uns heute mit dem Hamburger Apotheker und Alchemisten Hennig Brand. Der besorgte sich im Jahre 1669 Fässer voll Urin, um den dann bis zur Trocknung einzudampfen. Den dabei losgetretenen Gestank wird er begeistert ertragen haben, denn seine Idee war, aus der goldgelben Flüssigkeit die alchemistische Ingredienz zur Herstellung von Gold (oder doch gerne gleich den Stein der Weisen) zu gewinnen. Das klappte zwar nicht, aber immerhin: Über verschiedene Verfahrensschritte der Reduktion und Destillation erhielt er eine weissliche Substanz, die im Dunkeln selbsttätig leuchtete. Er nannte sie Lichtträger, phosphorus, und entdeckte damit das erste chemische Element: Den Weissen Phosphor. Wir hingegen haben geradeaus gelogen. Wir verhandeln hier gar keine historischen Kuriositäten, sondern auch diese Woche wieder eine endliche und gefährdete Ressource:

Phosphor und Phosphate

Neben dem gefährlichen und höchst toxischen Weissen Phosphor kennen wir das Element noch in einigen gutmütigeren Varianten, namentlich als Roten, Schwarzen, Violetten und Hellroten Phosphor. (Der manchmal ebenfalls genannte Gelbe Phosphor ist nichts anderes als verunreinigter Weisser Phosphor.) Die genauen Unterschiede sollen uns hier nicht weiter kümmern; ein Link zu diesbezüglichen Informationen findet sich in unseren Quellen. Wir wollen stattdessen festhalten, dass das chemische Element mit dem Kürzel P für alle biologischen Organismen von essentieller Bedeutung ist. Phosphorverbindungen sind Bestandteil der DNA- und RNA-Moleküle, spielen eine unverzichtbare Rolle beim Energiestoffwechsel und im Fall der Wirbeltiere auch als Baustoff im Knochengerüst. Der Körper eines 70 kg schweren Menschen enthält etwa 700 gr Phosphor, davon 600 gr, also mehr als ein halbes Kilo, im Knochensystem und den Zähnen. Die Aufnahme von Phosphor erfolgt über die Nahrung; als durchschnittliche täglich benötigte Menge gelten 0.75 gr. Daraus dürfte sich verständlich machen, dass Phosphor neben Stickstoff, Kalium und Magnesium in keinem agrarischen Düngemittel fehlen darf - ganz gleich, ob in deren biologischen oder industriellen Erscheinungsformen. Knapp 90% des weltweit abgebauten Phosphors findet demnach - in der Form von Phosphaten - seine Verwendung in Düngern.

Phosphate sind schlicht die phosphorhaltigen chemischen Verbindungen (oder genauer: die Salze und Ester der Orthophosphorsäure H3PO4), in denen das Element in oxidierter Form vorliegt. Gewonnen werden sie im Bergbau aus Mineralen wie Apatit und Phosphorit; die dabei gewonnenen Rohphosphate können jedoch von der Pflanze nur schwer aufgenommen werden. Sie werden deshalb mittels Schwefel- bzw. Phosphorsäure zum Superphosphat umgebaut.

Reichlich vorhanden. Aber knapp.

Grundsätzlich sind Phosphate und Phosphor keine bedenklich seltenen Bestandteile der irdischen Böden und Gewässer. Nur sammeln sie sich selten in Konzentrationen, die einen Abbau auch ökonomisch und ökologisch tragbar machen. Fast 90% der abbaubaren Vorkommen lagern in nur sechs Ländern: China, Marokko, Algerien, Syrien, Jordanien und Südafrika. Gefördert werden Phosphate momentan hauptsächlich in China, Marokko, den USA und Russland sowie Tunesien. Über längere Zeit war zudem eine weitere Form des Phosphorabbaus ausschlaggebend. Die Pazifikinsel Nauru verfügte über gewaltige Schatzkammern an phosphorreichem Vogelkot. Nachdem diese Lagerstätten an wertvollem “Nauruit“ schliesslich verbraucht waren, verarmte der winzige Inselstaat - bis dahin der Staat mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen - völlig. Inzwischen geben auch die weiteren Abbaugebiete immer mehr Anlass zur Sorge. Auch Phosphor ist eine endliche Ressource. In einem vielbeachteten Fachartikel der “Global Environmental Change“ im Jahr 2009 schätzte eine Gruppe von Experten den Zeitpunkt des Peak Phosphorus auf das Jahr 2034.

Acht Jahre später verschob die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR diesen Zeitpunkt anlässlich einer optimistischeren Hochrechnung in eine unbestimmte, fernere Zukunft. Doch auch sie warnten, dass damit die Drohung einer Phosphat-Knappheit nicht einfach vom Tisch sei. Viele der möglichen und momentanen Abbaugebiete finden sich in instabilen Staaten - und alle ausserhalb Europas. Des Weiteren ist der Phosphatabbau mit all den üblichen ökologischen Zerstörungen des Bergbaus belastet, noch verstärkt dadurch, dass sich Phosphate meist mit radioaktiven Metallen wie Uran oder mit Cadmium vergesellschaftet finden. Eine wenigstens teilweise Abkehr von den aktuellen Fördermethoden ist damit lieber jetzt als später anzugehen.

Peak Phosphorus: Wie bezüglich aller gefährdeten endlichen Ressourcen werden auch beim Phosphor und den Phosphaten die ernsten Probleme nicht erst auftauchen, wenn die Reserven restlos erschöpft sind. Der Zeitpunkt, ab dem sich Nutzungskonflikte und wirtschaftliche wie auch ökologische Notlagen verschärfen, ergibt sich schon nach der Überschreitung des weltweiten Fördermaximums. Diesen sogenannten Peak (engl. Gipfel) möglichst genau zu bestimmen, ist eine mit vielen Unsicherheiten belastete, aber wichtige Aufgabe der Geowissenschaften und der Wirtschaftsstatistik. Zur Berechnung des Peak Phosphorus müssen die extrahierbaren Reserven ebenso abgeschätzt werden wie die Nachfrage- und Preisentwicklungen, Qualitätsbelange oder die Entwicklung der Extraktionstechnologien.

Gesunder Phosphor, ungesunder Phosphor

Wer uns bis hierher gefolgt ist, der oder dem ist im obigen wahrscheinlich einmal ein Gedanke durch den Kopf geschossen: „Phosphate… Da war doch mal was?“ Und ganz recht: Da war schon so einiges. Unsere Probleme mit Phosphaten haben eine lange Geschichte, wenn auch keine der Knappheit. Wir haben stattdessen mit einem Überfluss an Phosphaten zu kämpfen. Wie gesagt ist Phosphor ein wichtiger Nährstoff: Pflanzen lieben ihn. Gelangen Phosphate nun im Übermass in Gewässer, stossen sie den komplexen Prozess der Eutrophierung an. Dabei kommt es zu einer starken Vermehrung von Pflanzen und Phytoplankton, was wiederum die Vermehrung ihrer Konsumenten befördert. Wo indessen viel Leben ist, ist auch viel Tod, wovon dann wiederum jene Mikroorganismen profitieren, die die toten Organismen verzehren und dabei den im Wasser gelösten Sauerstoff verbrauchen. Der Sauerstoffgehalt im Gewässer - und davon am folgenschwersten in stehenden Gewässern - sinkt, was schliesslich die sauerstoffbedürftigen Mikroorganismen benachteiligt und die sauerstofflosen Abbauprozesse der reichlich vorhandenen Biomasse überhand nehmen lässt: Das Gewässer „kippt um“ und ist fürderhin eine meistenteils tote Zone. In diesem Prozess der Eutrophierung befanden sich unsere Schweizer Gewässer in den Siebziger- und Achtziger-Jahren des letzten Jahrhunderts: Sie stanken nach Schwefel und Methan, waren von Algen- und Schaumteppichen bedeckt und luden ganz insgesamt kaum mehr zum fröhlichen Baden ein. Sowohl der Baldegger- wie der Hallwilersee müssen in Folge davon bis heute künstlich „beatmet“ werden.

Die Phosphate gelangten über drei hauptsächliche Wege in unsere Gewässer: Über Fäkalien, über landwirtschaftliche Dünger und aus den eidgenössischen Waschmaschinen. Zumindest letzteres bedarf vielleicht der Erklärung. Phosphate sind nicht nur unverzichtbare Nährstoffe, sie eignen sich ausserdem als Wasserenthärter. Als solche waren sie Bestandteil aller verfügbaren Waschmittel. Bis die phosphathaltigen Textilwaschmittel im Jahr 1986 für die gesamte Schweiz verboten wurden, war es ein langer und erbitterter Kampf, ausgefochten über Horrorszenarien von Schweizerinnen und Schweizern in fleckiger Kleidung. Inzwischen gibt die Wasserqualität der Schweizer Flüsse und Seen all jenen Recht, die sich damit damals notfalls abfinden konnten. Zusammen mit dem gezielten Ausbau der Abwasserreinigung konnte dem Phosphateintrag in unsere Gewässer über dieses Verbot die Spitze gebrochen werden: Ganz entschärft ist die Situation damit noch nicht.

Trotz umfangreicher Massnahmen konnten der Hallwiler- und der Baldeggersee nicht nachhaltig stabilisiert werden, im Sempachersee stieg die Phosphorkonzentration gar an, und ebenso zeigen weiterhin viele Fliessgewässer überhöhte Phosphorwerte. Über landwirtschaftliche Dünger und insbesondere über die Nutztierhaltung gelangen weiterhin zu viele Phosphate in unsere Gewässer. Auch hier könnte also wieder über die Reduktion des Konsums von Tierprodukten - und somit der Tierhaltung - noch einiges an gesunder Umwelt gewonnen werden.

Phosphor aus Urin: Zurück in die Zukunft

Dieser Überfluss an Phosphaten, mit dem die reichen Industriestaaten zu kämpfen haben, weist dann aber auch gleich den Ausweg aus ihrer drohenden Verknappung. Die Idee eines Recyclings von Phosphor aus unseren Abwässern gewinnt an Boden, die Technologien ziehen nach: Die 2016 in Kraft getretene Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen VVEA sieht vor, ab 2026 Phosphor aus Abwässern und Klärschlamm zurückzugewinnen. Getragen ist dieser Entschluss nicht nur vom Umweltgedanken, sondern auch vom Unbehagen der Abhängigkeit: Wie die meisten europäischen Staaten importieren wir unsere zum Einsatz kommenden Phosphate zu 100%. Bis zu einem selbsttragenden Phosphor-Recycling sind allerdings noch ein paar Hürden zu nehmen. Phosphor bindet sich besonders gern an Schwermetalle, die wir nicht auf die Felder ausbringen möchten. Auch die Wettbewerbsfähigkeit von Recycling-Dünger ist vorderhand nicht gegeben, ein Markt dafür muss sich erst etablieren. Des Weiteren ist längst nicht jede Phosphatverbindung auch pflanzenverfügbar: Das Phosphor muss in eine lösliche, mineralische Form gebracht werden, damit die Pflanzen es verwerten können. Und schliesslich hat die biologische Landwirtschaft andere Ansprüche an ihre Dünger als die extensive oder intensive Landwirtschaft, die gleichermassen befriedigt sein wollen.

Dennoch führt uns das in schönstem Bogen zurück zum Alchemisten Hennig Brand, der ja auch 1669 sein Phosphorus schon aus Urin gewann. Da mag er an der Entdeckung des Steins der Weisen zwar gescheitert sein, aber sein Vorgehen barg doch immerhin schon damals den Keim des Weisen.

 

 

Quellen und weitere Informationen:
chemie.de: Das Element Phosphor
taz.de: Wenn der Phosphor ausgeht
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR: Phosphat
Christian Reinboth (scienceblogs): Wann spricht man vom „Umkippen“ eines Gewässers?
BAFU: Phosphor-Recycling

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