Biodiversität kehrt in Steinbrüche zurück

Pflanzen finden selbst in kargen Landschaften ein Plätzchen Pflanzen finden selbst in kargen Landschaften ein Plätzchen

Karges, totes Ödland bleibt nach dem Tagebau zurück. Von der ursprünglichen belebten Landschaft ist oft nichts mehr zu erkennen. Um Bergbaufolgelandschaften zu einem naturnahen Zustand zurückzuführen, werden sie in der Schweiz renaturiert.

Die Gewinnung von Bodenschätzen stellt vor allem im Tagebauverfahren einen der extremsten Eingriffe in die Landschaft dar, denn es werden unter den deckenden Erdschichten Felsen ausgehoben, die zuvor Millionen Jahre lang unberührt lagen. Nach Beseitigung der vorhandenen Vegetationsdecke ist die Bodeneigenschaft grundlegend verändert und die ursprüngliche Landschaft vollständig zerstört. Vielerorts werden deshalb Bergbaufolgelandschaften renaturiert — jedoch nicht ohne Schwierigkeiten und grossen Aufwand.
Nachdem wir im letzten Teil der Artikelserie Berge die destruktiven Abbaumethoden in den Kohleminen der Appalachen durchleuchtet haben, ziehen wir in diesem Beitrag einen Vergleich zur Renaturierung von ehemaligen Steinbrüchen hierzulande.


Zurückgeben, was genommen wurde

In der Vergangenheit wurden erschöpfte Bergbaugebiete der natürlichen Sukzession überlassen, was aber meist nur Ödland hervorbrachte. Neuere Bergbaufolgelandschaften sollen für die Nutzung in der Land- und Forstwirtschaft, sowie als Erholungs- oder Naturschutzgebiete renaturiert werden. Vom Sanierungsbeginn bis zu einem stabilen Endzustand durchlaufen sie mehrere Entwicklungsphasen, die sehr lange Zeiträume und sehr hohe finanzielle Mittel in Anspruch nehmen. Die gesellschaftlichen Kosten, die für die Wiederherstellung von naturnahen Gebieten in Bergbaufolgelandschaften anfallen, werden deshalb oft als Ewigkeitslasten bezeichnet.


Einheimische Pflanzen sollen im Steinbruch Rotzloch wachsen

Der Gesteinsabbau hat in Nidwalden eine lange Tradition und wurde bereits seit 1900 industriell betrieben. Beispiele dafür sind die Hartsteinbrüche Rotzloch in Stansstad und Zingel in Kehrsiten. Beiden zählten mit einem Anteil von rund 25% der schweizerischen Bahnschotter-Produktion zu den bedeutendsten inländischen Lieferanten. Das Rotzloch ist eines der ältesten Industriestandorte im Kanton Nidwalden — der Steinbruch begann seinen Betrieb bereits in den 1930er-Jahren. Da seit Ende 2015 das bewilligte Abbauvolumen erschöpft war, werden seither rund 50% des alten Steinbruchs aufgefüllt und zu renaturiert. Dazu wurde im Rotzloch eine Inertstoffdeponie eingerichtet, die abschliessend mit einheimischen Pflanzenarten bepflanzt wird.
In unmittelbarer Nachbarschaft wurde als Ersatz 2008 der Steinbruch Rüti eröffnet, wo das Bergwerkunternehmen Steinag Rozloch AG heute Hartstein fördert. Damit ist die Versorgung des Werks Stansstad mit Gesteinsmaterial bis 2040 gesichert. Die Genehmigung für den neuen Steinbruch erfolgte — sehr zum Unmut von Umweltschutzorganisationen — ohne Auflagen für eine anschliessende Renaturierung des Gebiets. Da die Betreiber das bewilligte Aushubvolumen bedeutend erweitern wollten, konnten die Umweltverbände damit die Verpflichtung zur Auffüllung der Grube und Renaturierung der neuen Oberfläche erreichen. Ende 2020 wurde schliesslich eine Vereinbarung mit den Umweltverbänden getroffen, welche die Steinag dazu verpflichtet, den Steinbruch Rüti wieder aufzufüllen und zu renaturieren. Das erstreckt sich allerdings über die nächsten 90 Jahre.


Amphibienparadies im Steinbruch Mellikon

Der Steinbruch in Mellikon zeigt sich heute von einer ganz anderen Seite als vor rund 20 Jahren. Als die Steinbruch Mellikon AG Anfang dieses Jahrtausends die Bewilligung für den Abbau von Kalkstein am Felssporn oberhalb von Mellikon erhielt, führte dies zu lauten Protesten seitens der Bevölkerung und Naturschützer. Als Folge wurde 2005 eine Begleitkommission eingesetzt, die den Abbau und die Renaturierung des Areals überwacht. Heute ist das Gelände ein Paradies für Amphibien: In den letzten acht Jahren wurde die Anzahl der Weiher und Tümpel verdreifacht. Vom Aussterben bedrohte Arten wie die Gelbbauchunke, die Kreuzkröte und die Geburtshelferkröte fühlen sich im Steinbruch so wohl, dass dort bereits eine grosse Population heimisch ist.


Das Musital erhält seinen Wald zurück

Der Kalk- und Mergel-Steinbruch Musital in Aargau ist aussergewöhnlich jung. Nach nur 25 Jahren Abbau von Zementstein durch die Holcim Schweiz AG wurde er 1997 wieder stillgelegt. Das Musital ist ein seltener Fall, denn hier spielten Überlegungen der Rekultivierung und Renaturierung bereits seit Beginn der Abbauarbeiten eine wichtige Rolle. Normalerweise gibt es eine geordnete Rekultivierungsplanung von Anfang an nur in den seltensten Fällen. Geplant wurde, mehr als die Hälfte der rund 23ha grossen Abbaufläche wieder zu bewalden. Kein einfaches Unterfangen, denn der Boden liess sich nach dem Abbau des Gesteins nur schwer wieder revitalisieren. Der Plan wurde dennoch im Jahr 2000 mit der Bepflanzung von 4600 Sträucher und 23’000 Nadel- und Laubbäumen in die Tat umgesetzt. Ebenfalls revitalisiert werden musste der Musitalbach, welcher durch die Bergbauarbeiten zugeschüttet worden war. Beachtliche 65’000 Kubikmeter an Erdmasse mussten weggeschafft werden, um den Bach wieder freizulegen. Doch diese Mühen haben sich ausgezahlt: Heute erblühen die weiten Wiesen mit seltenen Blumenarten, zahlreiche Insektenarten finden dort einen neuen Lebensraum, Vögel nisten in den gepflanzten Bäumen und Amphibien sind in den Musitalbach zurückgekehrt.

 

Quellen und weitere Informationen: 
Abbaukonzept Nidwalden: Steinbruch Rotzloch und Rüti
Holcim AG: Abbaugebiete im Einklang mit Natur und Landschaft

 

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