Im Kampf gegen Treibhausgasemissionen wie CO2 wird zunehmend auf den Ausbau der Elektromobilität gesetzt. Neben der fragwürdigen Stromerzeugung für den Antrieb elektrischer Autos steht noch eine weitere Komponente stark in der Kritik: Die Rohstoffe, die zur Herstellung von Batterien nötig sind.
Die Kehrseite der Energiewende
Lithium, der mit Abstand wichtigste Rohstoff für Batterien, wird grösstenteils in Chile, Argentinien, Bolivien und Australien unter grossem Aufwand und unter gravierenden Umwelt- und Gesundheitsrisiken abgebaut. Der Abbau des seltenen Rohstoffs, der in der Erdkruste nur einen Anteil von etwa 0,006 Prozent hat, ist immer wieder in den Schlagzeilen. Denn um an die unterirdisch gelegenen Lithium-Vorkommen zu gelangen, wird das Material meist durch Sprengung der Landschaft freigelegt. Zudem kommt es beim Abbau zur Verschmutzung der Luft und der nahegelegenen Gewässer. In Südamerika beispielsweise wird das Lithium aus unterirdischen Wasserläufen herausgelöst. Einige Millionen Kubikmeter salz- und lithiumhaltige Lösung werden dafür in riesige Becken geleitet und mit Frischwasser angereichert. Danach lässt man das Wasser verdunsten; übrig bleibt eine Mischung aus Magnesium und 5 Prozent Lithium. Dieses Verfahren verschlingt gigantische Wassermengen: Für die Herstellung von einer Tonne Lithiumsalz werden zwei Millionen Liter Wasser benötigt — und das in einer der trockensten Gegenden der Erde. In Chile formieren sich deswegen immer wieder örtliche Bürgerwiderstände.
Die Umweltbilanz von Elektroautos verschlechtert sich zusätzlich, weil der Rohstoff zur Verwendung in Batterien zunächst zu Lithium-Hydroxid weiterverarbeitet werden muss. Das geschieht überwiegend in China, was lange Transportwege erfordert. Damit ist das Lithium ein Hauptgrund dafür, dass E-Fahrzeuge bereits einen grossen CO2-Rucksack mit sich tragen, bevor sie überhaupt einen Kilometer gefahren sind. Bald könnte sich das aber ändern, denn es gibt grosse Vorkommen des begehrten Rohstoffs in den Tiefengewässern des Oberrheingrabens — einer Region im Südwesten Deutschlands —, die nun „kostengünstig und umweltschonend“ angezapft werden sollen.
Lithium für 400 Millionen E-Fahrzeuge aus dem Oberrheingraben
Nach Angaben des Unternehmens Vulcan Energy Resources befindet sich im Oberrheingraben das grösste Lithium-Vorkommen Europas. Die etwa 300 Kilometer lange und bis zu 40 Kilometer breite Tiefebene, die sich in Südwest-Deutschland und Ost-Frankreich zwischen Frankfurt/Main und Basel erstreckt, verfügt über salzhaltiges Tiefengrundwasser, das zehntausende Tonnen Lithium in sich tragen soll. Diese vorhandene Menge würde für 400 Millionen E-Fahrzeuge reichen.
Laut des Unternehmens, das sich die Lizenz für den Abbau in diesem Gebiet gesichert hat, soll der Abbau auf eine „saubere und klimaschonende Art und Weise“ erfolgen.
Förderung über Geothermie-Anlagen
Die Förderung soll über bestehende tiefengeothermische Anlagen erfolgen. Bei der Tiefengeothermie wird heisses Thermalwasser aus grossen Tiefen nach oben gepumpt. Dort entzieht man ihm Wärme und nutzt sie als Heizwärme oder zur Stromerzeugung. Dabei kann zusätzlich die Extraktion des kostbaren Lithiums erfolgen — in einer Extraktionsanlage, die mit dem geothermisch erzeugten Strom angetrieben werden soll. Das abgekühlte Wasser fliesst wieder in den Untergrund. Dieses Verfahren wurde von Wissenschaftlern am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt.
Gegenüber den traditionellen Methoden der Lithiumgewinnung aus den südamerikanischen Salzseen und den australischen Festgesteinen biete das neue Verfahren laut KIT einige entscheidende Vorteile: Genutzt werde die bestehende Infrastruktur von Geothermie-Anlagen, durch die pro Jahr bis zu zwei Milliarden Liter Thermalwasser strömen. Im Gegensatz zum klassischen Bergbau fiele deshalb kaum Abraum an und der Flächenverbrauch sei minimal. Weil das Thermalwasser nach Gebrauch wieder in den Untergrund zurückgeleitet werde, würden keine schädlichen Stoffe freigesetzt und auch die geothermische Strom- und Wärmeproduktion werde nicht gestört. „Wir exportieren viele Umweltprobleme in Drittländer, um unseren Lebensstandard aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Mit diesem Verfahren können wir unserer Verantwortung gerecht werden und wichtige Rohstoffe für moderne Technologien umweltverträglich vor der eigenen Haustür gewinnen“, sagt Dr. Florencia Saravia von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). „Darüber hinaus können wir regionale Wertschöpfungsketten aufbauen, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig geopolitische Abhängigkeiten reduzieren.“
Erste Pilotanlagen bis zum Jahresende
Im Geothermie-Kraftwerk in Insheim sollen zuerst einmal jährlich etwa 1’200 Tonnen Lithiumkarbonat gefördert werden. Das entspricht rund 0,3 Prozent der globalen Produktion, die im Jahr 2019 bei 86’000 Tonnen Lithium lag. Eine deutsche Produktion von geothermalem Lithium kann Europas Bedarf zwar nicht abdecken, aber immerhin ergänzen und somit die bisherige vollständige Importabhängigkeit etwas verringern.
Bis Elektroauto-Batterien flächendeckend mit europäischem Lithium ausgerüstet werden, wird es auch noch eine Weile dauern. Dem „Handelsblatt“ zufolge soll zum Jahresende die erste Pilotanlage ihre Arbeit aufnehmen; erst in drei Jahren soll die Produktion in grossem Stil starten. Und das auch nur, wenn bis dahin die nötigen finanziellen Mittel — es läuft wohl auf eine Milliardensumme hinaus — zur Verfügung stehen.
Quellen und weitere Informationen:
UNCTAD (2020): Commodities at a glance: Special issue on strategic battery raw materials
KIT (2020): Neues Verfahren ermöglicht Lithiumabbau in Deutschland
Vulcan Energy: Europas neuer Bedarf an Lithium
Handelsblatt (26.03.2021): Unter dem Rhein liegt Europas größtes Lithium-Vorkommen
Edison Media: Lithium: Abbau und Gewinnung — Umweltgefahren der Lithiumförderung
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