Ungleichheiten bedrohen Lebensgrundlage senegalesischer Fischer Empfehlung

Eine Gasbohrinsel blockiert die einheimische Fischerei Eine Gasbohrinsel blockiert die einheimische Fischerei

Wenn Geld die Kontrolle übernimmt: Eine internationale Gasbohrinsel vor der senegalesischen Küstenstadt Saint-Louis bedroht die Lebensgrundlage Tausender Fischer. Um das Überleben ihrer Familie zu sichern, wenden sich etliche Frauen der Prostitution zu.

Jedes Land kommt mit seinen eigenen Meinungen und Vorurteilen. Sobald man im Ausland seine Herkunft verrät, wird man als Schweizer oft automatisch als reich abgestempelt. Doch auch in unserem Land gibt es Ungleichheiten: Je länger, je mehr konzentriert sich das Landesvermögen bei den Allerreichsten, während die Armut zunimmt. Obwohl dies in der Statistik noch nicht so deutlich aufscheint, verspüren wohltätige Organisationen vermehrt Zulauf. In der Schweiz gelten mittlerweile rund 8.5 Prozent der Bevölkerung als arm, während das reichste Bevölkerungsprozent 2018 über 44 Prozent des gesamtschweizerischen Vermögens verfügte. Gründe dafür sind steigende Lebensmittelpreise und teurere Krankenkassenprämien. Aufgrund der sich anbahnenden Energiekrise werden auch die Mietnebenkosten immer teurer. Zudem müssen Millionäre heute über 30'000 Franken weniger Steuern bezahlen als noch im Jahr 2000. Je mehr Geld bereits vorhanden ist, desto mehr fliesst auf die Konten. Damit steigen der Einfluss auf die Politik: Eine Macht, unter der die kleinen Mitspieler nur allzu oft leiden.

„Zoomen“ wir etwas in die weite Welt hinaus, lässt sich aber alles sogleich wieder relativieren. Im internationalen Vergleich und selbst verglichen mit Europa geht es uns noch immer sehr gut. Im Grossen und Ganzen muss man den etwas spöttischen Kommentaren in der Fremde also schon Recht geben. Eine Gemeinsamkeit aber bleibt der Schweiz im internationalen Vergleich: Zu einseitige Machtverteilung kann durchaus problematisch sein.

Der Kampf um Ressourcen

Die Bewohner der senegalesischen Küstenstadt Saint-Louis hatten Hoffnung. Covid-19 und der Klimawandel hatten ihnen in den vergangenen Jahren zugesetzt. Zusätzlich hatten internationale Industriefischereien – viele von ihnen illegal am Werk – riesige Mengen an Fisch geraubt, denen die einheimischen Männer mit ihren kleinen, hölzernen Fischerbooten nichts entgegenzusetzen vermochten.
Als die globalen Gas- und Ölgiganten BP und Kosmos Energy, in Partnerschaft mit staatlichen Ölgesellschaften aus Senegal und Mauretanien, den Bau einer Gasbohrinsel ankündigten, versprachen sie einen Wirtschaftsaufschwung mitsamt tausenden neuen Arbeitsplätzen – aber es sollte anders kommen…
Insgesamt sind die Erdgasvorkommen vor der Küste von Saint-Louis und dem benachbarten Mauretanien mit rund 425 Milliarden Kubikmetern riesig. Für die Bohrung selbst wird viel Platz benötigt, was durch das Errichten einer Sperrzone erzielt wurde. Die Fischer waren ob der sich immer weiter vergrössernden Sperrzone auf die jetzige Grösse von etwa 300 Fussballfeldern bald nicht mehr in der Lage, die Fischgewässer zu erreichen – für die 250'000 Einwohner, die zu 90 Prozent vom Fischfang abhängen, war das verheerend. Von den Millionen Menschen in der Region, die auf die Proteine des Fisches angewiesen sind, noch gar nicht zu reden.
Vorteile hat die Gasbohrinsel bis jetzt keine gebracht – im Gegenteil: Die Marktverkäufe verringern sich immer mehr, Männer und Söhne verbringen nunmehr Wochen auf See. Manche fischen illegal in Gebieten, wo der Fischfang noch lohnend ist, manche von ihnen kommen nicht mehr zurück. Insgesamt bleibt kaum genug Geld, um die Miete zu bezahlen, für die Ernährung der Familie zu sorgen und die Kinder zur Schule zu schicken. Für die involvierten Unternehmen mag es nur ein Projekt von vielen sein. Für die Menschen vor Ort aber bedeutet es ihr ganzes Leben.

Leere Versprechungen

Die senegalesischen Beamten und Verantwortlichen der Gasunternehmung lassen verlauten, dass Geduld gefragt sei, bis die Vorteile des Geschäftes ersichtlich werden. So soll ein nachhaltiges Riffprojekt geplant sein. 47 senegalesische Techniker sollen mit einem mehrjährigen Ausbildungsprogramms einer schottischen Universität unterstützt werden, um anschliessend im eigenen Land Leader-Positionen einzunehmen und weitere Arbeitsplätze schaffen zu können. Doch selbst wenn dies genauso passiert, sind Einheimische für die vielen anderen Arbeitsplätze meist nicht genügend qualifiziert. So wird befürchtet, dass hauptsächlich internationale Experten die Stellen besetzen werden.
Während die Verantwortlichen also die Bewohner von Saint-Louis vertrösten, haben diese nicht den Luxus, einfach abzuwarten und zu hoffen. Ihnen wurde ihre Lebensgrundlage genommen, ohne durch eine nützliche Alternative ersetzt zu werden. Diese Verzweiflung treibt nun Frauen in die heimliche Prostitution, denn oft sehen sie keinen anderen Ausweg. Andere Arbeit ist schwer zu finden und wird ausserdem auch weniger gut bezahlt. Für die Prostitution aber lassen sich genügend wohlhabende Männer finden, unter anderem Regierungsbeamte und Wirtschaftsführer.

Noch viel zu tun

Eines der Ziele der Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung ist, die Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten zu verringern. Es wird anerkannt, dass globale Ungleichheiten nach wie vor sehr gross sind und gewaltige Hindernisse in der sozialen, kulturellen und wirtschaftspolitischen Entwicklung überwunden werden müssen. Unter anderem soll ein Mitspracherecht der Entwicklungsländer in der Entscheidungsfindung internationaler Wirtschafts- und Finanzinstitutionen sichergestellt werden und die Chancengleichheit für alle gewährleistet werden können. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Umwelt: Die Verringerung der Ungleichheit – so zeigt sich immer wieder – bringt auch ökologische Verbesserungen mit sich. Wenn man dieses Beispiel betrachtet, das sich zurzeit vor der Küste Senegals abspielt, scheint die Einhaltung dieses Versprechens allerdings noch weit weg.


Quellen und weitere Informationen:
Republik: Dene wos guet geit
Euronews: Communities can fall apart
EDA: Ziel 10 (Agenda 2030)

 

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