Tag des Wolfes – „Rotkäppchen lügt“

30 Apr 2013

Der deutsche Naturschutzbund NABU hat den 30. April zum „Tag des Wolfes“ erklärt. Unter dem Motto „Rotkäppchen lügt“ werden heute in ganz Deutschland Aufklärungskampagnen gestartet, die mit dem Märchen vom „bösen Wolf“ aufräumen sollen. Auch in der Schweiz hat das Wildtier leider (noch) mit vielen Vorurteilen zu kämpfen...

Im 19. Jahrhundert wurde der Wolf in Mittel- und Westeuropa als gefährliches Raubtier gejagt und schliesslich komplett ausgerottet. Seit der Berner Konvention vom September 1979 steht er jedoch in ganz Europa unter strengem Schutz. Seither beobachtet man eine erneute natürliche Ausbreitung der Tiere im Alpenraum; so haben sich z.B. in Frankreich und Norditalien in den letzten Jahren bereits mehrere Wolfsrudel entstanden. Immer wieder kamen einzelne Tiere von dort aus in die Schweiz. Im Herbst 2012 wurde im ostschweizer Calandamassiv schliesslich eine erste Wolfsfamilie beobachtet, aus der mittlerweile ein achtköpfiges Rudel geworden ist.

Im Winter wurden die Tiere des Rudels regelmässig in Siedlungsnähe gesichtet – jedoch ohne jegliche Zwischenfälle. Dank der eingeleiteten Schutzmassnahmen, insbesondere durch Schutzhunde und -zäune, wurden bisher keine Nutztiere gerissen. Dennoch zeigen sich in der Bevölkerung grosse Verunsicherungen und Ängste über die Wolfspopulation am Calandamassiv, die sich mit aller Wahrscheinlichkeit weiter vergrössern und ausbreiten wird. Die scheuen Tiere stellen jedoch entgegen aller Vorstellungen keinerlei Gefahr für den Menschen dar und machen sich bei Begegnungen in der Regel rasch aus dem Staub. Laut verschiedensten Quellen sind weder in Kanada, Osteuropa, Frankreich oder Italien Fälle über Attacken des Wolfes auf den Menschen bekannt. Diese Regionen zeigen zudem, dass das Zusammenleben mit dem Wolf bestens funktionieren kann. Beispielsweise im Piemont und in den französischen Alpen – ähnlich dicht besiedelte Regionen wie die Schweiz – leben mittlerweile jeweils rund fünfzehn Wolfsrudel.

Auch das Problem der gerissenen Schafe, Rinder und Ziegen wird gern überschätzt. Obwohl die Wölfe immer wieder Nutztiere reissen, bilden diese eine grosse Ausnahme auf ihrem Speiseplan: dieser besteht zu rund 99 Prozent aus Wildtieren, grösstenteils aus Rehen und Hirschen. Falls dennoch Nutztieren erlegt werden, wird den Landwirten in der Schweiz der ökonomische Schaden zurückerstattet: So erhält ein Schafhalter pro gerissenes Schaf, je nach Rasse, Alter und Zuchtwert des Tieres zwischen 150 und 1`600 Franken. Ein Wert, der sich für die Halter als profitabel erweist, da er den Wert des Schaffleisches in der Regel übertrifft. Die meisten Schafe sterben überdies weiterhin nicht durch den Wolf, sondern an Krankheiten, Abstürzen oder Steinschlägen. Durch geeignete Schutzmassnahmen, wie Schutzhunde, können die Wolfsrisse zusätzlich reduziert werden.

Der Speiseplan von Wölfen besteht zu rund 99 Prozent aus Wildtieren.

Die Fakten zeigen, dass der Wolf nur im Märchen böse ist – für die realen „Probleme“ mit dem Tier existieren zahlreiche Lösungswege. Das „gefährliche Raubtier“ wird als ein mit der Zivilisation unvereinbares Wesen betrachtet, obwohl dazu kein konkreter Anlass besteht. Die Verunsicherung zeigt sich, indem immer wieder die Frage gestellt wird, „wie viel Wolf“ die Schweiz denn vertrage. Als die ersten einzelnen Tiere einwanderten, schien ein Rudel „unvorstellbar“. Jetzt, wo das Rudel da ist, fürchtet man sich vor einer weiteren Ausbreitung der Tiere. Diese wird aber so oder so eintreffen: Schätzungen von Experten zufolge, könnten 2020 bereits rund 200 Wölfe in der Schweiz leben. Statt immer wieder Tiere abzuschiessen, sollte man sich mit den Tieren anfreunden und nachhaltige Anpassungen vornehmen – schliesslich waren die Wölfe vor uns da.

Weiterführende Infos
http://chwolf.org
WWF-Tierportrait Wolf

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