Mitte Januar 2013 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen ausführlichen Bericht über die Risiken bestimmter Pestizide für die Bienen veröffentlicht und somit die Gefährlichkeit der Pflanzenschutzmittel bestätigt. Demnach konnte man davon ausgehen, dass die Insektizide am weltweiten Bienensterben mitverantwortlich sind. In ganz Europa begann eine heftige politische Debatte um ein mögliches Verbot der umstrittenen Mittel. Während dieser Diskussionen wurde die europäische Kommission offenbar mit Briefen von der European Crop Protection Association (Lobbyorganisation der Pflanzenschutzmittel- und Saatgutindustrie) sowie den grossen Herstellerkonzernen Syngenta und Bayer überschüttet, die aggressiv gegen das Verbot lobbyierten. Einige der fragwürdigen privaten Lobby-Schriften gelangten in England – ungewollt – an die Öffentlichkeit. In „unabhängigen Studien“ habe man herausgefunden, dass der „Verlust dieser Technologie“ für die Bauern Millionenverluste bedeuten würde und Europa ohne die drei Neonicotinoide deshalb „nicht überleben“ könne, betont z.B. Syngenta’s CEO Michael Mack in einem der Briefe. Überdies habe er die Sache mit „seinen Freunden“ Barack Obama und François Hollande besprochen... Weitere Beispiele können hier nachgelesen werden.
Offenbar liess sich die Kommission vom intensiven Lobbying aber wenig beeindrucken und sprach sich knapp für ein Pestizid-Verbot aus. Für eine Frist von zwei Jahren soll jetzt die Anwendung der Neonicotinoide bei Sonnenblumen, Raps, Mais und Baumwolle verboten werden. Bei Wintergetreide und einigen Pflanzen, die keine Bienen anziehen, bleiben die Mittel vorerst erlaubt. Das Verbot, welches Ende 2013 in Kraft treten soll, wird voraussichtlich auch in der Schweiz eingeführt, wie das Bundesamt für Landwirtschaft bekanntgab. Umweltorganisationen wie Greenpeace zeigen sich erfreut über diesen „ersten Schritt in die richtige Richtung“ (vgl. Medienmitteilung Greenpeace).
Das kommende Verbot könnte jedoch auch bewirken, dass die betroffenen Landwirte wohl auf andere Pestizide ausweichen. Dabei dürften auch wieder ältere, teilweise hochgiftige Sprühmittel zum Einsatz kommen. Ausserdem: Während die Neonicotinoide in Europa verboten werden, sind sie in allen anderen Erdregionen weiterhin im Umlauf. Syngenta & Co verkaufen nur einen minimen Teil der drei Mittel in Europa – der Rest wird exportiert.Längerfristig sollte eine Umstellung der gesamten Landwirtschaft – weg von blütenarmen Monokulturen und hin zur biologischen Kleinlandwirtschaft – anvisiert werden.
Fragwürdig ist auch, ob die zweijährige Probezeit ausreichen wird, um die schädliche Wirkung der Pestizide zu belegen. Denn „das Bienensterben ist multifaktoriell, und so muss es auch angegangen werden“, betont Marianne Künzle, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace Schweiz. Um die Bienen nachhaltig zu schützen, bräuchte es deshalb Massnahmen, die weit über das Verbot dreier Pestizide herausgehen. Längerfristig sollte eine Umstellung der gesamten Landwirtschaft – weg von blütenarmen Monokulturen und hin zur biologischen Kleinlandwirtschaft – anvisiert werden. Deshalb muss auf allen Ebenen gegen das Bienensterben vorgegangen werden, z.B. durch die Bekämpfung von Krankheiten und die Erhaltung der natürlichen Lebensräume der Tiere.
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Weiterführende Infos
Medienmitteilung, Bundesamt für Landwirtschaft, 29. Apr 2013
Pesticides against pollinators Private letters reveal Syngenta and Bayer’s furious lobbying against EU measures to save bees, 11. Apr 2013
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