Gemäss Maria Damanaki von der europäischen Fischereikommission überfischt Europa rund 80% seiner Fischbestände . Die Fischpopulationen im Nordostatlantik, im Mittelmeer und in der Nordsee sind seit Jahren stark rückläufig – deshalb weicht die europäische Fischereiflotte zunehmend auf aussereuropäische Regionen aus. Nur jeder zweite Fisch, der in Europa über den Ladentisch geht, stammt inzwischen noch aus europäischen Gewässern. Dadurch geraten nicht nur die europäischen, sondern auch internationale Fischbestände – z.B. vor der Küste Westafrikas – immer stärker unter Druck. Zudem machen die europäischen Fangschiffe den kleinen Fischern vor Ort Konkurrenz, die seit Jahren von diesem Geschäft leben!
Die masslose Überfischung gründet unter anderem auf den hohen Fangquoten, die meist weit über jeglichen Expertenempfehlungen liegen. Daneben sind aber auch die hohen Beifang- und Rückwurfquoten für die grosse Ausbeutung verantwortlich. Gemäss einer Studie des WWF wird mindestens 40% des weltweiten Fangs (gemessen an der Masse) als „Rückwurf“ wieder ins Meer geworfen; bei gewissen Fischarten- und Methoden liegt die Rückwurfquote sogar bei deutlich über 80%... Weil die Kontrolle auf offener See schwierig ist, geht man zudem von hohen Dunkelziffern aus. Der "Beifang" besteht aus tausenden Fischen, Delfinen, Haien, Schildkröten, Vögeln und Walen, die durch rabiate Fangmethoden „unabsichtlich“ gefangen und anschliessend tot wieder ins Meer geworfen werden oder dort an ihren Verletzungen verenden. Besonders gefährlich sind riesige Schleppnetze mit engen Maschen, die am Meeresboden gleitend alles auf ihrem Weg mitnehmen und so ganze Meeresgebiete "leerfischen". Die Methode wird z.B. bei der Krabbenfischerei in der Nordsee angewendet, wodurch pro Kilogramm gefischter Krabbe unglaubliche 9 Kilogramm Beifang anfallen! Neben unangepassten Fangmethoden beruht der Rückwurf auch auf unsinnigen Fangquoten und den Überkapazitäten der grossen Schiffe. Viele Fischarten dürfen nicht oder nur in begrenztem Masse gefischt werden, gelangen aber trotzdem in die riesigen Netze der grossen Fangschiffe. Aufgrund der Quoten können sie – ebenso wie kleine, wirtschaftlich nicht rentable Fische – nicht verwertet werden und landen als "Abfall" im Meer.
"Wir steuern auf eine ökologische, ökonomische und humanitäre Krise zu, wenn die weltweite Fischerei nicht auf nachhaltige und zielgenauere Fangmethoden umstellt."
Karoline Schacht, WWF-Fischereiexpertin
Endlich soll diese „katastrophale Fischereipolitik“ Europas nun reformiert werden (vgl. EU-Fischereikommission). Bereits im Februar stimmte das EU-Parlament eindeutig für eine ehrgeizige Reform. Die Vorlage sieht vor, den Rückwurf komplett zu verbieten, die Fangquoten zu reduzieren und die Überkapazitäten abzubauen, sprich die grössten Schiffe auszumustern. Zudem sollen die Regelungen auch für die aussereuropäischen Fanggebiete gelten, die zurzeit von EU-Flotten unkontrolliert und ohne jegliche Vorgaben ausbeutet werden. Jetzt stellen sich jedoch die Fischereistaaten Spanien, Frankreich, Portugal, Griechenland und Belgien den Verhandlungen um eine nachhaltige Reform in den Weg. Am eben beendeten Ministertreffen erreichten sie, das Rückwurfverbot aufzuweichen, indem nur schrittweise eine Quote von 5% erzielt werden soll und für bestimmte Flotten Ausnahmeregelungen gelten. Dadurch würden grosse Schlupflöcher entstehen, die kaum überprüfbar seien, bedauern Umweltverbände. Die Minister wollten sich zudem auf kein konkretes Datum für die Wiederherstellung der bedrohten Bestände einigen. Ohne drastische Sofortmassnahmen kann die Ausbeutung der Gewässer aber kaum noch gebremst werden, da die Bestände teilweise bereits kurz vor ihrem Ende stehen und ganze Ökosysteme zu kollabieren drohen...
Unter diesen Einschränkungen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten schliesslich doch auf die neuen Regeln für den Fischfang geeinigt. Der Vorlage muss jetzt noch das Europäische Parlament zustimmen. Es liegt an der Durchsetzungskraft der EU-Parlamentarier, ob und unter welchen Bedingungen die nachhaltige Fischerei schliesslich rechtlich verankert wird.
Sollten die Meere weiterhin im heutigen Masse ausgebeutet werden, droht nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische und humanitäre Katastrophe: Für Millionen Menschen weltweit ist die Fischerei heute die wichtigste Lebensgrundlage. Die Profitgier und die Uneinsichtigkeit der Betroffenen werden dazu führen, dass in nicht allzu ferner Zeit nicht mehr über Fangquoten verhandelt werden muss, da die Bestände ausgerottet sein werden! Mit Selbstbeschränkung und Nachhaltigkeit liessen sich die Probleme lösen.
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