Gemäss dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) wurde in den letzten zwölf Jahren in der Schweiz im Durchschnitt jedes Jahr ein Wolf zum Abschuss freigegeben. Die meisten Tiere wurden im Wallis getötet, wo letztmals 2010 ein Wolf sterben musste. Seit einigen Monaten hält sich jetzt wieder mindestens ein Wolf im Goms auf. In den letzten Wochen hat er sich vermehrt den Siedlungsgebieten genähert und Schafe gerissen. Das Konzept Wolf des BAFU sieht vor, dass ein Wolf zum Abschuss freigegeben werden kann, sobald er innerhalb eines Monats trotz Herdenschutz mehr als 25 Schafe reisst. Der Walliser Wolf hat in kurzer Zeit 28 Schafe gerissen und sollte deshalb erlegt werden.
Nun hat das BAFU die beiden grössten Schafrisse genauer untersucht und kommt zum Schluss, dass sich die Tiere im einen Fall auf einer nicht fachgerecht eingezäunten Weide aufgehalten haben. Im anderen Fall seien die Schafe mehrere Tage auf einer nicht schützbaren Waldweide gewesen. Da die Schafe nicht ausreichend geschützt waren, hat das BAFU dem geplanten Abschuss nicht zugestimmt (vlg. Medienmitteilung BAFU, 14. Juni 2013). Das Bundesamt ist der Ansicht, dass im Wallis grundsätzlich sehr viele Schafe gerissen werden, da es im Vergleich zu anderen Kantonen mehr Mängel in der Beratung und Umsetzung des Herdenschutzes gäbe.
"Mit den bewährten Herdenschutzmassnahmen lassen sich ganz unterschiedlich strukturierte Alpen schützen, auch diejenigen im Goms."
David Gerke, Gruppe Wolf Schweiz
Im Goms ist man anderer Meinung: Viele Gommer wollen den Bundesbeschluss, das Tier am Leben zu lassen, nicht akzeptieren. Es wird bereits darüber gesprochen, Selbstjustiz auszuüben und den Wolf ohne Zustimmung des Bundes zu erlegen. Das Goms solle künftig zur „wolfsfreien Zone“ erklärt werden, liess ein Regierungsmitglied verlauten. Der politische Vorstoss „Motion Fournier“ verlangt, dass der Bundesrat ein Gesuch zur Anpassung der Berner Konvention einreicht, welche dem Wallis erlauben würde, den Wolfsschutz abzuwerten und Wölfe somit unter erleichterten Bedingungen abzuschiessen. Unter dieser Voraussetzung müsste in Zukunft sehr wahrscheinlich oft zur Flinte gegriffen werden, da sich im Goms immer wieder Wölfe ansiedeln. Auch dank der grossen Rothirsch-Bestände herrschen dort ideale Bedingungen für das Raubtier.
Die Schafhalter rechtfertigen ihre ablehnende Haltung dem Wolf gegenüber unter anderem damit, dass die Nutztiere im Goms „nicht schützbar“ seien. Obwohl die Situation dort anders sei als z.B. im Graubünden, seien Herdenschutzmassnahmen aber durchaus möglich, sagt der Präsident der Gruppe Wolf Schweiz und praktizierender Schafhirt: “Mit den bewährten Herdenschutzmassnahmen lassen sich ganz unterschiedlich strukturierte Alpen schützen, auch diejenigen im Goms. Die Herden im Goms sind verhältnismässig gross und das Gelände lässt eine Behirtung zu. Die Voraussetzungen für den Herdenschutz sind gegeben.“ Offensichtlich möchte man im Wallis einfach nicht darauf verzichten, die Schafe unbeschwert auf alle verfügbaren Weiden zu lassen, wo sie teils nicht einmal über Nacht geschützt sind!
Neben den Schafhaltern hat auch die Gomser Bevölkerung zunehmend Angst vor dem Wolf, da er den Dörfern immer näher kommt. Diese Angst ist jedoch unbegründet, da die scheuen Wölfe grundsätzlich keine Menschen angreifen!
Die Lage ist im Wallis nach dem Abschussverbot ist weiterhin sehr angespannt, insbesondere da nach dem ersten Wolf nun auch die Existenz eines zweiten Tiers im Goms durch Laboruntersuchungen genetisch bestätigt wurde. Die Verunsicherung in der Bevölkerung und die Sorgen der Schäfer dürften dadurch noch steigen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Tiere verhalten und wie letztlich über ihr Schicksal entschieden wird.
Anzumerken bleibt, dass die Schafhalter für jedes gerissene Tier eine ansehnliche Entschädigung bekommen – anders als wenn ein Schaf abstürzt – und dass sich die Anzahl der aufgetriebenen Schafe über die letzten Jahre mehr als verdoppelt hat.
Weiterführende Infos:
Gruppe Wolf Schweiz
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