Bereits in der Jungsteinzeit begannen die Menschen, Tiere zu domestizieren und zu züchten. Im Laufe der Zeit wurde die Nutztierhaltung optimiert. Aber auch damals, wie heute gibt es Kontroversen, was die Haltung und die Zuchtschwerpunkte anbelangt. So beschrieb der römische Geschichtsschreiber Tacitus (ca. 55 bis 115 n.Chr.) in seiner Schrift „Germania“ die Nutztierhaltung der Germanen folgendermassen:
„Vieh läuft frei herum, doch ist es meistens unansehnlich. Selbst an den Rindern vermisst man den stattlichen Wuchs und das mächtige Gehörn. Denn nicht an dem Aussehen der Tiere haben die Germanen ihre Freude, sondern nur an der Menge. Viehreichtum ist ihr einziger und liebster Besitz.“
Ob sich daran bis heute viel geändert hat? Heutzutage kommt es wohl nicht mehr nur auf eine grosse Tieranzahl an, sondern vielmehr auf eine grosse Produktionsleistung jedes einzelnen Hochleistungs-Nutztieres: Kühe mit Eutern, die wegen ihrer Grösse, den Gang der Tiere behindern, Mastrinder, –schweine, -hühner oder –gänse mit derart extremem Muskelwachstum, dass ihre Knochen das Gewicht nicht tragen können und es zu schmerzhaften Missbildungen kommt. Dass diese Zuchtprioritäten nicht nur Nachteile für die Tiere, sondern auch eine globale ökologische Tragweite haben, ist mittlerweile bekannt.
Die Hälfte der heute noch lebenden Schweizer Rassen sind bedroht ProSpecieRara.
Unabhängig davon haben sich durch die jahrhundertelange Züchtung sogenannte Landrassen entwickelt, welche optimal an die jeweiligen geografischen und klimatischen Bedingungen angepasst waren und es immer noch sind. Diese Rassen sind im Vergleich zu den heutigen Hochleistungstieren viel robuster und widerstandsfähiger. Das wegen seiner Wolle gern gehaltene Merinoschaf hat zum Beispiel Schwierigkeiten mit starker Nässe. Auf Grund der Wollstruktur perlt Regenwasser nicht ab, sondern dringt bis auf die Haut. Robuste „alte“ Schafrassen dagegen, wie das Braune Bergschaf, sind schlicht- bzw. mischwollig, und das Wasser gelangt nicht durch diesen „Filz“ hindurch. Doch diese Wolle ist aufwendiger zu verarbeiten, und der Wollpreis ist derart tief, dass sich der Reinigungsaufwand anscheinend nicht lohnt.
Nicht nur, dass Kulturrassen widerstandsfähiger sind und weniger krankheitsanfällig, sie haben noch viele weitere Vorteile: es wird kein importiertes Kraftfutter für die Fütterung benötigt, Beweidung führt nicht zu grossen Trittschäden und damit zur Bodenerosion. Zudem können sie gezielt in der Landschaftspflege eingesetzt werden, da ihr Frassverhalten an die jeweilige Flora angepasst ist und damit ökologisch wertvolle Landschaften erhalten bleiben. So werden beispielsweise Trockenweiden, welche auf Grund des Reliefs nicht gemäht werden können, mit Schafen beweidet.
Mit Pferderassen, welche gezielt auf eine gedrungenere Körpergrösse und viel Kraft gezüchtet wurden, wie das Schwarzwälder Kaltblut oder das Schweizer Freiberger Pferd, hat man überwiegend zum Holzrücken in den Wäldern eingesetzt. Heute werden, wie auch in der Feldarbeit, die Arbeitskraft der Tiere durch Maschinen ersetzt. Dennoch setzt man, in teils schwer erreichbaren oder ökologisch hochwertigen Waldgebieten, immer noch Pferde zum Holzrücken ein. Der Vorteil ist, dass hierfür keine Wegschneisen geöffnet werden müssen und der Boden aufgrund des geringeren Gewichtes der Tiere nicht verdichtet wird.
Um den Erhalt der „alten“ Landrassen sind Organisationen, wie ProSpecieRara oder die GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrasen e.V.) in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Züchtern bemüht. Durch extensive Weideformen und Genügsamkeit im Hinblick auf die Produktionsmengen, werden diese Rassen erhalten und so auch die Landschaft geschützt und die Biodiversität gestärkt.
Weiterführende Informationen:
Bundesamt für Umwelt: „Schafe in Trockenweiden“ (pdf)
ProSpecieRara: Jeden Monat stirbt eine Nutztierrasse aus
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