Eine Studie zeigt: Bis zu 3,7 Milliarden Vögel und 20,7 Milliarden Säugetiere werden jährlich in den Vereinigten Staaten zu Opfern von Katzen. Streunende und verwilderte Katzen sind für die meisten Tötungen verantwortlich, doch Hauskatzen sind nicht unschuldig: Sie erlegen etwa ein Drittel der getöteten Kleintiere. Gemäss Peter Marra, Direktor der Georgetown Environment Initiative, haben Katzen zum Aussterben von 63 Wirbeltierarten beigetragen, die meisten davon Vögel. In Amerika geht man deshalb mit harten Mitteln gegen wilde Katzen vor. Mit der sogenannten Fang-Kastration-Rückgabe-Methode (engl. Trap-Neuter-Return) soll die Vermehrung verwilderter Katzen eingedämmt werden. Doch das ist nicht genug, um die Katzen von der Erbeutung kleiner Tiere abzuhalten.
Stubenräuber in der Schweiz
Hierzulande leben rund 1,6 Millionen Hauskatzen — in jedem vierten Haushalt eine —, von denen etwa 1 Million Tiere ins Freie dürfen und so die Möglichkeit haben, draussen zu jagen. In urbanen Räumen gibt es deutlich mehr Katzen. Durchschnittlich leben 40 bis 60 Katzen pro km2, im Agglomerationsraum Zürich sind es sogar 430 Tiere pro km2. Somit kommen Katzen um ein Vielfaches häufiger vor als alle anderen Raubtiere zusammen. Gemäss Schätzungen von Experten werden in der Schweiz pro Jahr 10 Millionen Mäuse, 3 Millionen Schmetterlinge, 1,8 Millionen Vögel und 600'000 Reptilien durch Hauskatzen getötet. Stark betroffen sind in ausgeräumten, versteckarmen Landschaften Frösche, Molche, Eidechsen und Blindschleichen. Unter den Vögeln trifft es vorwiegend häufige Arten wie Amseln, Rotkehlchen, Meisen, Finken und Sperlinge.
Unnatürliches Räuber-Opfer-Verhältnis
Das Problem: Katzen sind als Haustier eingeführte Räuber, die das natürliche Gleichgewicht zwischen Räuber- und Beutetieren durcheinander bringen. In einer natürlichen Räuber-Beute-Beziehung sind die Raubtiere von der Populationsgrösse ihrer Beute abhängig. Die Räuber jagen nur, so lange es auch genug Beutetiere gibt. Finden sie weniger Nahrung, geht die Anzahl der Raubtiere zurück und die Populationen der Beutetiere haben genug Zeit, um sich zu erholen. Hauskatzen werden jedoch von ihren Besitzern gefüttert und sind nicht auf die Jagd angewiesen, um zu überleben. So haben ihre Beutetiere keine Zeit, ihre Bestände wieder aufzustocken. Insbesondere der Jagddruck der Hauskatzen auf die empfindlichen Amphibien- und Reptilienpopulationen ist diesbezüglich im Auge zu behalten.
Bloss der Sündenbock?
Die Naturschutzorganisation BirdLife Schweiz äussert sich weniger kritisch gegen den Einfluss von Katzen auf die Wildtierpopulation. Die Lebensraumqualität habe einen stärkeren Einfluss auf Tierpopulationen als Katzen. In dieser Hinsicht sind wir Menschen die Hauptschuldigen, indem wir Wälder roden und Städte ausweiten. Gemäss BirdLife Schweiz würden Katzen eine Population erst gefährden, wenn der Bestand durch andere Faktoren bereits geschwächt ist. In Siedlungsräumen mit einer besonders hohen Katzendichte, einer niedrigen Lebensraumqualität und weiteren Gefahren — beispielsweise Fahrzeuge, Glasscheiben — ist es für viele Vogelarten und insbesondere für Reptilien inzwischen schwierig bis unmöglich, zu überleben und sich fortzupflanzen. Tatsächlich fehlt in der Schweiz bislang der wissenschaftliche Beweis, dass Katzen für das Aussterben einzelner Arten verantwortlich wären.
Auch die Vogelwarte Sempach gibt Entwarnung: Katzen vermeiden wie alle anderen Raubtiere einen hohen Jagdaufwand. Mit anderen Worten jagen sie vor allem Tierarten, die zahlreich vorkommen und einfach zu fangen sind. Deshalb werden Tiere seltener, gefährdeter Arten kaum erbeutet. Mit genug Nahrung, Unterschlupf und passenden klimatischen Bedingungen können sich die meisten Populationen trotz Verlusten durch Räuber wieder erholen.
Was tun?
In einer Frage sind sich Natur- und Tierschützer jedoch einig: Katzen mit Freilauf müssen kastriert werden. Einerseits kann man so der Vermehrung der rund 100’000 verwilderten Katzen in der Schweiz entgegenwirken. Andererseits streunen besonders männliche Kater nach der Kastration deutlich weniger und sind häuslicher. Um den Jagdtrieb der eigenen Katze zu stillen, wird empfohlen, sie täglich mit Spielereien zu beschäftigen. So kann sie ihre Krallen benutzen und ihre angeborene Jagdlust ohne Schaden für andere Tiere befriedigen.
Zudem sollte darauf geachtet werden, Wildtieren im Garten genügend Rückzugsmöglichkeiten (beispielsweise Büsche, Bäume, Steinmauern und -haufen) zu bieten. Auch Katzenglöckchen verringern den Jagderfolg ein wenig, doch den flugunfähigen Jungvögeln hilft das nicht. Deshalb sollten Katzen von Neststandorten ferngehalten werden. Zur Brutzeit im Frühling, wenn im Garten junge, noch flugunfähige Vögel leben, sollte die eigene Katze wenn möglich ein bis zwei Wochen im Haus gehalten werden. Es hilft aber bereits, wenn sich die Katzen in den Morgenstunden nicht im Freien aufhalten, denn dann sind die gerade flüggen Jungvögel unterwegs. Spezielle Baummanschetten verhindern zusätzlich, dass Katzen (und Marder) auf Bäume zu einem Neststandort klettern können. Nist- und Brutkästen sollten immer ausser Reichweite von kletternden Räubern aufgehängt werden. Besonders wichtig ist auch, dass Katzen nicht ausserhalb der Siedlung und im Wald umherstreunen.
Quellen und weitere Informationen:
Vogelwarte: Katzen und Vögel
BirdLife Schweiz: Katzen und Vögel
Doherty et al. (2016): Invasive predators and global biodiversity loss
Ross et al. (2013): The impact of free-ranging domestic cats on wildlife of the United States
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