Der Sumpfrohrsänger ist ein Singvogel aus der Familie der Rohrsängerartigen. Während der Sommermonate zwischen Ende Mai und August ist er in ganz Mitteleuropa weit verbreitet und häufig anzutreffen. Der Bestand in der Schweiz wird auf 3000-6000 Paare geschätzt (2013-2016), die grösstenteils das Mittelland bewohnen; der Sumpfrohrsänger gilt als ungefährdet. Zweimal jährlich überwindet der Vogel Distanzen von über 10'000 Kilometern zwischen seinem Bruthabitat in Europa und dem Überwinterungsgebiet im Südosten Afrikas.
Ein sängerischer Virtuose
Nur anhand des Aussehens lässt sich nichts Besonderes an dem Piepmatz vermuten. Mit einer Länge von 12-14cm ist der Sumpfrohrsänger etwas kleiner als ein Spatz. Seine Unterseite ist gelbweiss gefärbt mit einer weissen Kehle, seine Oberseite ist bräunlich. Der schmale, spitze Schnabel des Sumpfrohrsängers weist auf seine Leibspeise hin, eine Vielzahl von Insekten wie Blattläuse, Mücken, Fliegen und Käfern, sowie Spinnen und Raupen.
Sobald es zu dämmern beginnt, gibt er allerdings sein eigentliches Talent preis, und dies oft kontinuierlich und bis tief in die Nacht hinein. Der Gesang des Virtuosen hat nämlich einen erstaunlichen Imitationsreichtum. Er ahmt Pfiffe und Laute von unzähligen Vogelarten nach und baut sie in seine eigenen Gesangsfolgen ein. Dieses Repertoire erweitert sich bis zum Alter von 10-11 Monaten. Diese Zeitspanne schafft auch die Voraussetzung, dass der Sumpfrohrsänger als bis anhin einzige europäische Vogelart auch afrikanische Arten imitiert; erlernt während dem Aufenthalt im Winterquartier. Insgesamt konnten über 200 verschiedene Vogelarten in den Melodien der Sumpfrohrsänger nachgewiesen werden. Was für ein Maestro!
Oft kann man diesen Vogel tatsächlich nur anhand seiner klangvollen Stimmakrobatik orten, denn ansonsten ist er ein eher schüchterner Zeitgenosse. Entgegen den Erwartungen trifft man den Sumpfrohrsänger nicht nur in Sümpfen an, sondern ganz allgemein an feuchten Standorten mit dichter Vegetation wie Weidengebüsch, Hochstauden und Schilf, sowie an den Verlandungszonen von Flüssen, Bächen und Seen. Dies ist sein ideales Habitat zum geschickten Herumturnen, Verstecken, Nisten und der geschützten Aufzucht seiner Nachkommen.
Lebensräume erhalten
In der Schweiz wurden in den letzten 150 Jahren über 90% der Feuchtgebiete entwässert und hauptsächlich in Ackerland umgewandelt. Geeignete Brutstätten wie Auengebiete und Flachmoore sind deshalb rar geworden, und heute hauptsächlich noch in Schutzgebieten anzutreffen. Der Sumpfrohrsänger ist genauso wie eine Reihe von anderen Vogelarten, Insekten, Wasserpflanzen und Amphibien auf solche Kernlebensräume angewiesen. Es ist deshalb entscheidend, diese bestehenden Schutzgebiete zu erhalten und neue in guter Qualität zu schaffen.
Schlagwort ist hier die «Ökologische Infrastruktur». Als Projekt des Bundesrates hat sie zum Ziel, die oft kleinen und isolierten Naturschutzgebiete aufzuwerten, mit Flächen zu ergänzen, die für die Biodiversität besonders wertvoll sind, diese möglichst zu vernetzen und langfristig zu sichern. Konkret geschieht dies durch die Verhinderung von grossflächiger Verbuschung und Baumwachstum, wobei die kleineren und niedrigeren Büsche geschont werden. Wertvolle Habitate wie Gräben mit Hochstauden sollten zusätzlich erst im Herbst und abschnittsweise gemäht werden. So kann sichergestellt werden, dass der Sumpfrohrsänger im Sommer ein geeignetes Brutgebiet vorfindet und wir uns noch lange an seinen meisterhaften Gesängen erfreuen können.
Die Vogelwelt verändert sich
Regelmässige Vogelzählungen erlauben es, Vergleiche zwischen Jahren zu ziehen und mögliche Trends aufzuspüren. Dies erlaubt eine Einschätzung, welche Arten und Lebensräume zusätzlichen Schutz benötigen. In der kürzlich von BirdLife durchgeführten «Stunde der Wintervögel» wurden Naturinteressierte aufgerufen, Vögel im Siedlungsraum zu beobachten und zu melden. Insgesamt wurden in diesem Jahr 80 Vogelarten erspäht; am häufigsten Hausperlinge, Rabenkrähen und Feldsperlinge. Es zeigte sich, dass Kurzstreckenzieher wie der Hausrotschwanz, die Singdrossel und das Sommergoldhähnchen wegen des milden Winters in diesem Jahr wohl bei uns im Mittelmeerraum bleiben werden und nicht in den Süden ziehen. Solche Anpassungen an die Erderwärmung werden wir in Zukunft vermutlich vermehrt beobachten. Wer im nächsten Jahr dabei sein will: Die «Stunde der Wintervögel» findet wieder vom 3. bis 7. Januar 2024 statt.
Quellen und weitere Informationen:
Schweizerische Vogelwarte: Sumpfrohrsänger
NABU: Sumpfrohrsänger
BirdLife: Vogel des Jahres 2023
BAFU: Ökologische Infrastruktur
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