Grundsätzlich sind Wildtiere nicht darauf aus, uns Menschen zu verletzen, denn wir sind nicht in ihrem Beuteschema. Im Gegenteil, Wolf, Reh und Luchs weichen dem Menschen meist aus und treten die Flucht an. Wenn wir in unserer Freizeit im Wald oder Gebirge unterwegs sind, sollten wir uns bewusst sein, dass wir bloss Besucher sind bei den Wildtieren, die denselben Raum zum Überleben brauchen. Als Gäste in ihrem natürlichen Umfeld sollten wir uns auf jeden Fall respektvoll verhalten. Besonders wichtig ist deshalb, im Sommer auf dem Wanderweg und im Winter auf dem Schneeschuhtrail oder der Piste zu bleiben, um den Tieren Ruhe und Rückzugsorte zu lassen.
Beachtet man dies, sind Begegnungen mit Wildtieren ohnehin selten. Sollte es in vereinzelten Fällen trotzdem zu einem Zusammentreffen kommen, sollte man auf jeden Fall ruhig bleiben und dem Tier so die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen.
Aggressives Verhalten ist selten, kann aber zum Tragen kommen, wenn die Wildtiere beispielsweise Junge aufziehen, mit fressen beschäftigt oder verletzt sind. Die Tiere geben in solchen Situationen meist laute Geräusche von sich, zeigen ihre Zähne und stellen ihre Haare auf. Der Blickkontakt sollte daraufhin vermieden werden und man sollte ebenfalls langsam weggehen. Haben die Tiere Nachwuchs, sollte man auf keinen Fall versuchen, die Jungen zu streicheln. Das Muttertier wird in den meisten Fällen alles tun, um ihren Nachwuchs zu verteidigen. Besonders bei Wildschweinen kann dies zu gefährlichen Situationen führen: Im Frühling, wenn die Bachen ihre Frischlinge aufziehen, sind sie besonders aufmerksam, im Falle dass sie ihren Nachwuchs gegen mögliche Feinde verteidigen muss. Die Anwesenheit eines Menschen kann daher dazu führen, dass sich die Mutter bedroht fühlt und Fauchen und andere Drohgebärden zeigt.
Ist ein Tier verletzt, sollte man die Situation aus sicherer Entfernung beobachten. Wurde es etwa angeschossen oder angefahren, kann es durchaus unberechenbar reagieren. Ausserdem ist auch das Ansteckungsrisiko mit einer Krankheit immer da, weshalb man ein Tier grundsätzlich nicht anfassen sollte. Ein verletztes Tier hat vermutlich grosse Schmerzen und befindet sich in einer vulnerablen Situation, aus der es nicht fliehen kann, weshalb man ihm sowieso nicht zusätzlichen Stress zufügen möchte. Bei Zusammenstössen mit grossen Wildtieren wie Wildschweinen, Rehen und Hirschen sollte zunächst die Polizei oder Jagdaufsicht verständigt werden, ebenso bei Kleintieren wie beispielsweise Vögel mit gebrochenem Flügel oder bewiesenermassen verwaisten (neben toter Mutter aufgewunden) Jungen. Hier lässt sich erste Hilfe leisten.
Es gilt allerdings auch zu bedenken, dass ein Jungtier möglicherweise kurz alleine gelassen wird, während die Eltern auf Futtersuche sind. Ein Rehkitz beispielsweise sollte nicht angefasst werden. Der ihm anhaftende, menschliche Geruch kann nämlich dazu führen, dass es von der Mutter verstossen wird.
In seltenen, abnormalen Fällen nähern sich Wildtiere den Menschen aktiv. Dies sollte man unbedingt den zuständigen Behörden oder der Polizei melden, die daraufhin situationsgemässe Massnahmen treffen können von der Registrierung eines Tieres bis – im schlimmsten Fall – zu seinem Abschuss. Auffällige Tendenzen können so im Auge behalten werden.
Vom Bär, Wolf und Luchs
Braunbären sind rund 100 Jahre nach ihrer Ausrottung erst 2005 wieder in der Schweiz gesichtet worden – allerdings nur vereinzelt. Man muss also ordentlich Glück haben, um den Meister Petz zu erspähen. Ist man in der Nähe, sollte man den Ort vorsichtig und leise verlassen. Ist der Bär bereits aufmerksam geworden auf den Eindringling, sollte man sich hingegen laut zu erkennen geben, um das Tier möglichst in die Flucht zu schlagen, und dann ebenfalls langsam den Rückzug antreten. Auf keinen Fall auf einen Baum klettern – das kann der Bär besser – und ebenfalls nicht davonrennen, denn das weckt den Jagdinstinkt erst recht. Folgt der Bär nach langsamem Davonlaufen noch immer, sollte man ihm nicht in die Augen schauen, und im Notfall in Bauchlage auf den Boden liegen und sich tot stellen. Mit etwas Glück verliert der Bär dann das Interesse. Die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt soweit kommt ist aber wie gesagt sehr klein und trifft am ehesten ein, wenn eine Bärin ihre Jungen zu beschützen versucht.
Inzwischen gibt es einige Wolfsrudel in der Schweiz – und doch ist es selten, dass man die Tiere tatsächlich zu sehen bekommt. Wölfe sind in der Regel scheu und halten ausreichende Distanz zum Menschen. Auch vor Wölfen sollte man übrigens nicht davonrennen, sondern sich dominant zeigen mit Rufen und Händeklatschen, und dann ebenfalls langsam den Rückzug antreten.
Besonders wichtig ist, dass Hunde – besonders in bekanntem Wolfsgebiet wie beispielsweise im Wallis – an der Leine gehalten werden. Trifft ein Hund alleine auf seinen wilden Vorfahr, könnte ihn der äusserst territoriale Wolf als Eindringling wahrnehmen und daher angreifen.
Bei einer Sichtung von Wolf, Bär oder auch Luchs (die praktisch unentdeckbar und Meister der Tarnung sind) sollte man die zuständigen Behörden informieren, die so ein besseres Bild über die Verbreitung der Wildtiere im Land erhalten.
Grunzende und röhrende Waldbewohner
Wildschweine sind friedfertige Tiere. Die männlichen «Keiler» sind als Einzelgänger unterwegs, während die weiblichen «Bachen» mit dem Nachwuchs in sogenannten Rotten von 8 bis 30 Tieren zusammenleben. Trifft man auf sie, sollte man stehen bleiben, leise sein oder sich hinter einem Baum verstecken; die Tiere sehen nämlich sehr schlecht. Dann ebenfalls langsam den Rücktritt antreten. Helfen auch laute Rufe und Klatschen nicht, können sie in seltenen Fällen angreifen – besonders wenn Frischlinge anwesend sind – sollte man entweder versuchen, grosse Hindernisse wie Bäume oder Felsen zwischen sich und das Wildschwein zu bringen, oder sich im Notfall auch auf einem Baum in Sicherheit bringen. Durch drohende Gesten könnte sich ein Wildschwein allerdings erst recht bedroht fühlen.
Rehe und Hirsche sind während der meisten Zeit äusserst friedlich. Höchstens während der Brunftzeit zwischen September und Oktober sind Hirsche etwas angriffslustiger als sonst. Schon frühmorgens hört man ihr Röhren auf den Brunftplätzen. Wird aber die nötige Distanz gewahrt und Hunde angeleint, sollten keine ungünstigen Situationen auftreten.
Städtische Besucher
Durch die sich vergrössernde menschliche Population siedeln sich immer mehr Wildtierarten in der Nähe von städtischen Gebieten an. Die Gartenanlagen, Grünflächen und das üppige Futterangebot durch Komposthaufen und Mülleimer, sowie das Nichtvorhandensein natürlicher Feinde führte beispielsweise dazu, dass einzelne Füchse die Städte bevölkerten. Sie sind an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt und verhalten sich deshalb oft weniger scheu als ihre Artgenossen in der Wildnis. Besonders wichtig ist daher, die Tiere nicht zu füttern. Allgemein sollte kein direkter Kontakt mit den Füchsen gesucht werden. Die Tollwut ist in der Schweiz zwar seit 1999 ausgerottet, ein Fuchs kann dennoch Krankheiten wie Räudemilben, einer parasitären Hauterkrankung auf Hunde übertragen. Zeichen einer Erkrankung beim Fuchs sind starker Haarausfall durch Juckreiz und anschliessendem Kratzen sowie Verletzungen und Krustenbildung. In diesem Fall sollte der zuständige Jäger oder die Behörden informiert werden.
Angst vor Schlangen oft unbegründet
Insgesamt acht Schlangenarten sind heimisch in der Schweiz, davon sind allerdings nur gerade zwei Arten Giftschlangen, die Aspisviper und die Kreuzotter. Erkennen kann man giftige Schlangen an ihren schlitzförmigen Pupillen und ausserdem dem eher kantigen Kopf mit eingedrückter Nase. Die ungiftigen Schlangen besitzen runde Pupillen. Begegnungen mit Schlangen, geschweige denn mit Giftschlangen sind in unserem Land äusserst selten. Noch viel unüblicher ist dass Menschen tatsächlich gebissen werden. Trifft man auf eine Schlange, sollte man Ruhe bewahren und still stehen. Will man sich bemerkbar machen, kann man stampfen, was den Boden vibrieren lässt. Dies nimmt das Reptil wahr und führt im Normalfall dazu, dass sie von selbst die Flucht ergreifen. Wenn möglich sollten offene Flächen wie Strassen, Fusswege und Pfade zum Gehen benutzt werden. Geht man querfeldein, helfen geschlossene, und besonders hohe Schuhe oder Stiefel als Schutz vor Schlangenbissen. Schlangen sollte man nicht reizen oder anfassen, selbst wenn sie vermeintlich tot sind: Noch Stunden nach ihrem Tod können Muskelreflexe zu Bissen führen.
Die Toxine, die für einen Schlangenbiss produziert werden, sind dazu da, die Beute zu lähmen und töten, bevor die ebenfalls im Gift enthaltenen Enzyme die anschliessende Verdauung erleichtern. Da die Produktion des Giftes aber aufwändig ist, gehen Schlangen sehr sparsam damit um: Sie regulieren, wie viel Gift pro Biss tatsächlich abgegeben wird. Sogenannte «Trockenbisse» sind da schon um einiges häufiger. Sie können zwar schmerzhaft sein, allerdings wird in diesem Fall kein Gift abgegeben. Selbst wenn Gift produziert wird, ist die Konzentration nicht ausreichend gross, um Menschen ernsthaft zu verletzen. Zu einer lebensbedrohlichen Situation kann es höchstens kommen, wenn das Gift zu einem allergischen Schock führt. In diesem Fall sollten die Beine hochgelagert und sofort ein Arzt aufgesucht werden.
Zu bemerken gilt dass ein Zusammentreffen mit Wildtieren selten und in den meisten Fällen äusserst unproblematisch abläuft. Die Tiere sind normalerweise scheu und flüchten vor den Menschen – manchmal bereits bevor wir sie zu Gesicht bekommen. Wichtig bleibt, dass der Natur und seinen Bewohnern Respekt entgegengebracht wird: Der Müll muss wieder eingepackt werden, von Lärm wie lauter Musik im Wald sollte unbedingt abgesehen werden. Zudem müssen Beschilderungen zum Schutz der Tiere (und Pflanzen) beachtet werden. Wer zudem noch den Hund an die Leine nimmt und auf dem dafür vorgesehenen Wanderweg bleibt, trägt massgeblich zu einem gelungenen Zusammenleben von Mensch und Wildtier bei.
Quellen und weitere Informationen:
Schweizer Tierschutz STS: Merkblatt verletzte und kranke Wildtiere
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