Mit grosser Geschwindigkeit werden wir mit den zunehmend stärkeren Einflüssen der Digitalisierung in unserer Gesellschaft konfrontiert. Ausweichen geht nicht, die Auseinandersetzung ist gefordert. Wie soll sich diese Entwicklung vollziehen, welches sind Sicherheitslücken, wie sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen? Wie können wir Schritt halten? Wie schützen wir unsere Daten und die Privatsphäre? Können wir uns all den Abhängigkeiten entziehen? Wie verhindern wir Hackerangriffe, die das ganze System zum Kollabieren bringen können? Welche Chancen bietet und welche Risiken birgt die Digitalisierung für unsere Gesellschaft? Welchen Nutzen verspricht die Digitalisierung für uns und unsere Umwelt beispielsweise in der Mobilität; welche Gefahren bestehen?
Solchen und ähnlichen Fragen stellte sich kürzlich das 29. Lifefair Forum in Zürich. Ausgehend vom Menschen und seinen Bedürfnissen, sich auch frei bewegen zu können, ist die Technik und damit die Digitalisierung das Mittel zum Zweck. Dieses sinnvoll einzusetzen, bietet vielfältige Möglichkeiten beispielsweise zur Bewältigung des täglichen Verkehrsaufkommens. Noch immer – und dauernd sich verstärkend - stellt der Platzbedarf das wesentliche Problem dar.
Viele Menschen verbringen einerseits täglich Stunden im Stau, obwohl die Strassenkapazitäten dauernd ausgebaut werden - getreu der Maxime, dass mehr Verkehrsfläche auch mehr Verkehr generiert! Andererseits sind erfahrungsgemäss rd. 50% aller Fahrten kürzer als 5 km, und stehen die Autos rd. 95% der Zeit nutzlos als Stehzeuge herum - und trotzdem entwickelt sich die autoorientierte Verkehrsinfrastruktur munter weiter…
In Städten werden Häuser für Autos (statt für Menschen) gebaut, in den Agglomerationen sind Shoppingcenters autoabhängig und belasten die öffentliche Infrastruktur.
Landverbrauch, Gesundheitsprobleme durch Lärm und Luftverschmutzung, Todesfälle, CO2- und Klimaproblematik ziehen gegenüber der Wirtschaft mit Auto- (gehört zu den grössten Werbekunden!) und Ölindustrie regelmässig den Kürzeren.
Die Lebensqualität wird damit wesentlich verschlechtert… Die Städte versinken im Verkehr - auch in der Schweiz. Noch keine Stadt hat ihre Verkehrsprobleme durch motorisierten Individualverkehr (MIV) gelöst!
„Wenn man es ermöglichen könnte, dass Menschen entscheiden können, wann und wo sie arbeiten, dann könnte man viel unnötige Mobilität verhindern. Das heisst Digitalisierung kann dort schon unmittelbar umgesetzt werden.“ Jon Erni, Public Sector Director Microsoft Schweiz
Ein grundlegender Paradigmenwechsel ist dringend geboten. Die Digitalisierung ist dabei ein grosser Hoffnungsträger. Die digitale Verknüpfung der Transportmittel ermöglicht eine hohe Flexibilität in der Wahl der Verkehrsmittel ebenso wie deren Verlagerung vom MIV zum ÖV und Langsamverkehr mit Mietfahrrädern, Cargobikes, oder Car sharings, Fahrgemeinschaften und Vermeidung unnützer Fahrten sowie besserer Fussgängerverbindungen.
„Eine Chance sehe ich darin, dass mobile Fahrzeuge auch smart sind; nur dadurch können Sharing-Systeme erst entstehen – dass man sieht wo welches Bike ist und wo stelle ich es ab. Das wäre ohne Digitalisierung gar nicht möglich.“ Thomas Bachmann, Operativer GF E-Bike-Sharing smide
Mit der Digitalisierung in der Mobilität lassen sich auch Carsharing fördern und Road Pricing einführen, wodurch die innerstädtische Bevölkerung weniger eigene Autos und weniger Parkplätze benötigt, was eine neue Freiraumgestaltung ermöglicht, weniger Unfälle und weniger Emissionen zur Folge hat.
„Digitalisierung ist die Grundlage für eine nachhaltige Mobilität.“
Semjon Rens, Public Policy Manager Facebook, Berlin
Ein Umdenken wird stattfinden, da die Abwicklung der täglichen Bedürfnisse nicht mehr vom Besitz eines eigenen Autos abhängt. Viele Möglichkeiten stehen offen, sich dem täglichen MIV-Stress zu entziehen, nicht mehr im Stau stehen zu müssen, der Parkplatz-Sorgen entledigt zu sein, eine neue Freiheit geniessen zu können. Dadurch lässt sich auch der Alleinanspruch des Autos endlich brechen, und die Strassenflächen können allen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Dadurch werden sie wieder zu einem verbindenden Element im städtischen Raum, statt zu trennen. Mit dieser Transformation geht eine Demotorisierung, Deprivatisierung und Decarbonisierung einher, die wieder mehr Lebensqualität schafft und Verkehrsräume wieder zu Stadträumen werden lässt.
Dies setzt allerdings auch ein Umdenken nicht nur der Bewohner/innen, sondern insbesondere von Politik und Verwaltung voraus. Diese muss das Primat des MIV brechen und die vorhandenen Flächen im Sinne der Allgemeinheit nutzen. Dazu sind die stadtökologisch relevanten Vorkehrungen beispielweise mit einer stärkeren und konsequenten Durchgrünung der Siedlungen zu treffen, die in Anpassung an den Klimawandel ohnehin nötig sein werden. Die herkömmliche Stadtplanung muss sich zur Umweltplanung wandeln.
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