Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts prägten Pferdegespanne den Städtischen Verkehr.
Anfang des 20. Jahrhunderts begann der Siegeszug des Automobils; allerdings nicht in der ganzen Schweiz. Ein Unikum ereignete sich im Kanton Graubünden: Vor allem Sicherheitsbedenken führten zum Verbot von Autos. 1925 fiel diese Verordnung und die motorisierten Fahrzeuge eroberten auch hier die Strassen wie in der ganzen übrigen Schweiz.
„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“
Kaiser Wilhelm II (1859 - 1941), letzter deutscher Kaiser
Die Siedlungen waren für das immer grössere Verkehrsaufkommen nicht gerüstet. Die schmalen Strassen in den Altstädten erschwerten den Gegenverkehr und es fehlten Parkplätze. Dem Autoverkehr wurde gehuldigt; manch schmuckes Altstadthaus musste für den Gewinn von Verkehrsflächen weichen. Der Bau neuer Quartiere richtete sich nach den Bedürfnissen des Autoverkehrs und änderte dadurch das Gesicht der Stadt radikal.
Unwirtliche Städte und die Folgen
Glatte Gebäudefassaden, kein Grün weit und breit. Es braucht keine gestalterische Sorgfalt, da hier sowieso niemand Zeit hat, die Umgebung wahrzunehmen. Ziel ist es, so schnell wie möglich von A nach B zu gelangen. Zudem ist diese Bauart auch kostengünstiger für die Bauherren. Luftverschmutzung, Lärm, Unfallgefahren und Zerschneidung der Quartiere treiben die Stadtbevölkerung ins Umland.... So gestaltete sich die Stadtplanung für lange Zeit. Doch so nach und nach begann man zu begreifen, dass diese Entwicklung ins Leere führt.
Es waren nicht selten Quartierbewohner, die aktiv wurden. In den 1970er Jahren entstanden die ersten Aktivitäten von Quartiervereinen, die sich für eine Verbesserung der Lebensqualität in ihrem Quartier einsetzten. Dabei ging es vor allem um die Rückeroberung der Strasse als Lebensraum für die Bevölkerung. Die Idee der Wohnstrasse stammt aus jener Zeit. Doch der Umbau einer Quartierstrasse war teuer und das Bewilligungsverfahren umständlich. Es wurden nur einige wenige solcher Projekte umgesetzt. In den 1990er Jahren wurde diese Idee wieder aufgenommen, diesmal mit der Bezeichnung “Begegnungszone“, die nicht nur in Wohnquartieren umgesetzt werden kann, sondern auch an stark frequentierten Plätzen. Im Vordergrund steht eine Verbesserung des Verkehrsablaufs. Es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h, und dem Fussgänger muss Vortritt gewährt werden. Heute gibt es in der Schweiz mehrere hundert davon.
Die Städte sind nicht untätig
Die Autolobby bleibt aber mächtig. So kommen Verbesserungen in der Stadt nur schleppend voran. Radstreifen zum Beispiel lassen sich nicht einfach so umsetzen; separate Busspuren ebenso wenig. Dennoch wurde bis heute schon einiges in Angriff genommen, um den Verkehr in der Stadt zu verflüssigen oder zu reduzieren. Die grüne Welle bei Ampelanlagen ist schon seit den 1950er Jahren bekannt. Der Vorrang von Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs macht es aber schwierig, dass die grüne Welle funktioniert. Heute werden die Lichtsignalanlagen häufig verkehrsabhängig geschaltet, das heißt sich annähernde Fahrzeuge werden durch Induktionsschleifen oder Sensoren erfasst und steuern die Ampeln.
In grösseren Städten ist der öffentliche Verkehr meist in ein Leitsystem eingebunden. Eine separate Ampel zeigt dem Busfahrer an, wenn der Weg frei ist. Koordiniert wird dies von der Leitstelle des Verkehrsbetriebs aus, die mittels GPS den Betrieb überwacht.
Um den Suchverkehr einzudämmen, wurden Parkleitsysteme geschaffen. Weitere häufig umgesetzte Massnahmen für die Verflüssigung und Reduktion des Verkehrs in der Stadt sind Tempo 30, Einbahnsysteme und Radspuren.
Die stadtökologische Sicht
Für die Natur in der Stadt ist der Verkehr das Hauptproblem. Versiegelte Flächen wie Strassen und Parkplätze bieten Pflanzen und Tieren keine Lebensgrundlage. Begrünte Betonpflanzkübel sind keine Alternative. Zudem sind Strassen meist ein unüberwindbares Hindernis. Dass es Natur im Siedlungsraum braucht, steht ausser Frage. Sie steigert die Lebensqualität für die Stadtbevölkerung und kann ein Refugium für Flora und Fauna sein. In Studien anfangs 1990er Jahre wurde nachgewiesen, dass in einer Stadt eine grössere Artenvielfalt vorliegen kann als im Landwirtschaftsgebiet. Doch zeigt sich seit 1995 ein Rückgang. Es gibt dafür viele Ursachen: Verlust von offenem Boden durch Verdichtung, naturferner Unterhalt von Grünflächen und Verdrängung durch den Verkehr sind die gewichtigsten.
Wie weiter?
Die Zukunft unserer Städte bedarf einer klaren Zielsetzung. Doch schon hier bestehen Uneinigkeiten. Jürg Röthlisberger, Direktor beim Bundesamt für Strassen (ASTRA), ist der Auffassung, dass die Städte für die Entlastung der Autobahnen den Verkehr schneller und effizienter mit Einfallsachsen aufnehmen müssen. Dem widerspricht Kurt Fluri, Präsident des Schweizerischen Städteverbands. Es gelte eine Balance zu finden zwischen guter Erreichbarkeit und einer nachhaltigen, möglichst emissionsfreien und platzsparenden Abwicklung der Mobilität.
Die Stadtbevölkerung sieht den öffentlichen Raum immer mehr als Lebensraum und nicht als Verkehrsfläche. Die Städte sind sich weitgehend einig. Dies zeigen die Mobilitätsstrategien beispielsweise von Basel, Bern, Zürich und Luzern. Grundsätzlich muss der motorisierte Individualverkehr (MIV) reduziert werden. Es gilt, den Fuss- und Fahrradverkehr sowie den öffentlichen Verkehr zu bevorzugen und zu stärken und damit eine Entschleunigung der Mobilität zu bewirken.
Quellen und weitere Informationen:
Autoverbot Kanton Graubünden
Universität Bern: Biodiversität in der Stadt
Kommentare zur Stadtentwicklung: Jürg Röthlisberger (ASTRA) / Kurt Fluri (Städteverband)
Mobilitätsstrategien Städte: Basel / Bern / Zürich / Luzern
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