Die Strassen der Schweizer Städte werden täglich von unzähligen Autopneus, Velorädern, Schuhen und sogar Pferdehufen beansprucht. Im Verkehr stossen verschiedene Parteien aufeinander, deren Bedürfnisse unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein Konflikt ist somit vorprogrammiert.
Velos in der Stadt
Der Platz für das Velo scheint in der Stadt oft hineingequetscht und nachträglich ergänzt. Velowege finden einen abrupten Abschluss oder sind zu eng. Radfahrerinnen müssen sich durch den Verkehr schlängeln und stellen für die Autofahrer eine Gefahrenquelle dar. Der Verkehr spielt aber eine wichtige Rolle in der Nachhaltigkeit eines Lebensstils. Deshalb ist es umso wichtiger – auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel - den öffentlichen Verkehr und den unmotorisierten Individualverkehr attraktiver zu gestalten. Es darf keine Frage der persönlichen Sicherheit werden, ob man sich auf den Sattel wagt oder nicht. Der Umstieg aufs Velo muss Vorteile mit sich bringen.
Verkehr & Infrastruktur
Unsere kleine Schweizer Insel wird von Autostrassen in der Länge von über 70`000 km durchschnitten. Die Velos und Mountainbikes verfügen gemeinsam über ein Strassennetz von etwa 20`000 km. Laut dem Bundesamt für Statistik sind 2 Prozent der Schweizer Landesfläche und rund ein Drittel der Siedlungsflächen von Verkehrsinfrastruktur bedeckt. Durchschnittlich legt eine Person pro Tag mit dem Velo - inklusive E-Bikes - eine Strecke von 0.9 km zurück. Der gleiche Wert für das Auto liegt bei 23.8 km. Die Personenwagen sind – obwohl der Name nicht „Personwagen“ lautet – im Durchschnitt von lediglich 1,6 Menschen belegt. 78% der Schweizer Haushalte besitzen Auto(s) und 65% Velo(s). Würde man diese Zahlen ausschliesslich für städtisches Gebiet erheben, würden wohl einige Abweichungen auffallen.
Luzern
In einer modernen Stadt scheint der Stau vorprogrammiert. Dieses Gefühl macht sich zumindest in Luzern breit. Der gesamte Verkehr wird mitten durch die Stadt geleitet, der Platz bleibt aber begrenzt. Im Gegenzug experimentiert man mit immer neuen Verkehrskonzepten und Steuerungsideen. Der letzte Schrei, der in Luzern zurzeit getestet wird, ist eine neuartige Steuerung mit Lichtsignalen. Der Verkehrsfluss soll verbessert werden, indem die Ampeln laufend analysieren, mit welchen Grünzeiten am wenigsten Fahrzeuge aufgehalten werden. Hier stellt sich dann aber die Frage, wie das System seine Prioritäten setzt. Wird den Fussgängern und Velofahrerinnen Vorfahrt erteilt oder doch dem Auto, weil gerade alle Plätze belegt sind? Das Problem besteht wohl eher darin, dass zu viele Autos und Touristencars in der kleinen Stadt am Vierwaldstättersee herumkurven. Dieses Problem muss bei der Wurzel gepackt werden, damit die Situation grundlegend verbessert werden kann.
Trotzdem gibt es auch in Luzern Hoffnung auf eine Besserung. 2016 wurde beispielsweise das Freigleis eingeführt – eine breite Strasse nur für Radlerinnen und Fussgänger. Des Weiteren hat die Stadt Luzern ihren Einwohnerinnen ein kostenloses nextbike-Abo geschenkt. Erst kürzlich wurde der Kredit eines neuen Velotunnels vom Volk angenommen: Ein Beweis, wie wichtig der Stadtbevölkerung ihr Velo ist.
Velove
Als Paradebeispiele für velofreundliche Städte gelten nordische Städte wie Kopenhagen und Amsterdam. Doch auch in der Schweiz gibt es solche Positivbeispiele. Den vierten PRIX Velostädte hat Pro Velo erneut an Burgdorf vergeben. Diese Beurteilung baut auf einer Umfrage auf. Schweizerinnen und Schweizer konnten ihre Meinung zur Velofreundlichkeit ihrer Stadt oder Gemeinde abgeben. Die Städte Chur und Winterthur wurden in den Kategorien mittelgrosse Stadt bzw. Grossstadt als Erstplatzierte gekürt. Allerdings gibt es überall noch Verbesserungspotential. Nicht einmal der Titelverteidiger Burgdorf hat es in der Gesamtbeurteilung der Velofahrerinnen weiter als bis zur Note 4.7 geschafft (im aufsteigenden Schweizer Schulnotenschema von 1 bis 6). Zum Vergleich: Luzern hat die Note 3.7 erreicht, den letzten Platz belegte Fribourg mit einer Note von 3.1.
Vélorution
Die gefährlichen Situationen auf der Strasse, die in vielen Städten Teil des Alltags sind, werden von den Verkehrsteilnehmern arg kritisiert. Das Chaos ist zum Teil inakzeptabel. Die Velos, die zu den schwächeren Parteien im Verkehr gehören, lassen sich aber längst nicht mehr alles gefallen. So gibt es beispielsweise weltweit die Aktivistengruppe „Critical Mass“: In grossen Gruppen, auf unmotorisierten Verkehrsmitteln – hauptsächlich auf dem Velo – bewegen sie sich gemeinsam durch die Strassen. Mit ihrer Masse und ihrem selbstbewussten Auftreten machen sie auf den Radverkehr aufmerksam. Auch in mehreren Schweizer Städten gibt es Ableger der Gruppe „Critical Mass“.
Quellen und weitere Informationen:
Bundesamt für Statistik BFS: Verkehrsinfrastruktur Streckenlänge
BFS: Verkehrsverhalten
Velostädte: Medienmitteilung Rangliste
Velostädte: Schlussbericht 2018
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