Überraschend einstimmig hat das Schweizer Stimmvolk das neue Raumplanungsgesetz angenommen. Selbst Kantone, die stark von Rückzonungen betroffen sein werden, wie das Tessin, Freiburg oder Jura, stimmten klar für die Vorlage. Mit Ausnahme des Kantons Wallis, welcher die Vorlage mit mehr als 80 Prozent Neinstimmen (!) niedergeschmettert hat, sagten alle Kantone mit mindestens 55,4 und maximal 78,1 Stimmenprozenten ja zum neuen Gesetz. Zum zweiten Mal innert kurzer Zeit hat das Volk damit, nach der Zweitwohnungsinitiative vor einem Jahr, der fortschreitenden Zersiedelung in der Schweiz den Kampf angesagt (siehe Beitrag "Die zersiedelte Schweiz").
"Das Abstimmungsresultat ist ein 'Meilenstein in der Siedlungsentwicklung'."
Doris Leuthard, Bundesrätin
Mit einer Mehrwertabgabe für neue Einzonungen und einer Begrenzung auf den Bedarf der nächsten 15 Jahre bei der Planung der Bauzonen werden die Kantone in die Pflicht genommen. Grundsätzlich haben sich ihre Pläne verbindlich am bundesweiten gesetzlichen Rahmen zu richten, um die Expansion des Baulandes effizient zu bekämpfen. Da die neue Vorlage auch Rückzonungen von aktuellem Bauland vorsieht, gibt es einige offene Fragen zu klären, z.B. welches übermässig eingezonte Bauland wie und mit welchen Mitteln entschädigt werden soll und wie der Baulandbedarf von 15 Jahren zu berechnen ist. Deshalb, so Bundesrätin Doris Leuthard, dürften die Richtlinien wohl erst 2014 beschlossen werden und das Gesetz in Kraft treten. Die Bundesrätin bezeichnete das Abstimmungsergebnis als „Meilenstein in der Siedlungsentwicklung“. Nach dem Inkrafttreten der Vorlage soll den Kantonen genug Zeit gelassen werden, um ihre Richtpläne anzupassen und die Vorgaben umzusetzen.
Es ist zu hoffen, dass die Diskussionen auf Bundesebenen möglichst schnell voranschreiten und dass rasch gehandelt wird. Die grosse Befürwortung der Bevölkerung und der Kantone zeigt schliesslich, dass die Schweizerinnen und Schweizer das Laissez-Faire in der Raumplanung nicht weiter unterstützen. Um die Zersiedelung effektiv zu stoppen werden aber über den neuen baurechtlichen Rahmen hinaus Entschlossenheit in der Umsetzung und entsprechend zielgerichtete Weiterentwicklungen, z. B. in der Verkehrspolitik, unentbehrlich sein.
Neben Heimat- und Naturschützern dürften sich Bauern, Ingenieure und Architekten, sowie der Tourismus besonders über den grossen Abstimmungserfolg freuen. Die letzten natürlichen Landschaften sowie wertvolles Kulturland, das zurzeit schnell dahinschwindet, werden profitieren. Die Befürchtungen von horrenden Mietpreisen, wie sie die Gegner der Vorlage immer wieder betont haben, seien völlig unberechtigt, betont Marina Carobbio, Präsidentin des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands SMV. "Das neue Raumplanungsgesetz wirkt mit der Mehrwertabschöpfung, den Massnahmen für eine Baulandverflüssigung und Anreizen zur Verdichtung dem Anstieg der Mieten entgegen.“ Das Ja zum Raumplanungsgesetz ist also nicht nur aus der Sicht des Landschaftsschutzes und der Bauern, sondern auch aus der Sicht der Mieter ein Gewinn.
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